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Digitalkonferenz: Gute Technik, böse Technik: Das war Tag zwei beim Newscamp 2019

Digitalkonferenz

Gute Technik, böse Technik: Das war Tag zwei beim Newscamp 2019

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    Richard Gutjahr war einer der Redner beim Newscamp 2019.
    Richard Gutjahr war einer der Redner beim Newscamp 2019. Foto: Bernd Jaufmann

    Journalismus braucht Daten, Journalismus braucht Technik, will man im Digitalen Geld verdienen. Soweit die Botschaft von Tag eins beim Newscamp 2019. Am Donnerstag wurde es da schon etwas kritischer. Denn dass Algorithmen die Welt nicht zwingend besser machen, erlebt man Tag für Tag in den Sozialen Medien. Drei Schlaglichter auf Tag zwei beim Newscamp.

    Es tobt ein Informationskrieg - und wir sind mittendrin

    Mit Hass, Drohungen und Beschimpfungen im Netz kennt sich Richard Gutjahr aus leidvoller Erfahrung ziemlich gut aus. Auch beim Newscamp formulierte der Journalist seinen kritischen Blick auf das Netz und die Sozialen Medien offen und mit klaren Worten. "Vor zehn Jahren dachten wir, das Internet ist die große Befreiung, die große Demokratie-Maschine. Heute wissen wir, dass das Pendel auch in die andere Richtung schlagen kann."

    Einer von vier Tweets sei von einem Bot verfasst, aus 30 Fotos könnten Hacker inzwischen einen Avatar von jedem beliebigen Menschen erstellen und etwa in gefälschten Videos im Netz verbreiten. Und das komplett an den einstigen Gatekeepern, den Massenmedien, vorbei. "Die Zeit in der - frei nach Gerhard Schröder - Bild, Bams und Glotze zum Regieren reichen, ist vorbei", so Gutjahr. Heute benötigt man dazu lediglich einen Twitter-Account, wie Donald Trump Tag für Tag eindrucksvoll beweise.

    Die Folge dieser direkten Kommunikation, die Parteien und Politiker auch hierzulande mit großem Aufwand betreiben: Bei den Menschen habe eine Meinungsbildung oft schon stattgefunden, lange bevor Medien die Fakten dazu recherchieren konnten. "Machen Sie sich nichts vor: Wir befinden uns in einem Krieg um die Deutungshoheit", warnte Gutjahr.

    Die großen Digital-Konzerne in den USA spielten in diesem Prozess der Verunsicherung der Gesellschaft eine tragende, traurige Rolle. "Facebook , Twitter und Youtube belohnen Hass." Trotzdem warnte Gutjahr davor, diesen Plattformen den Rücken zu kehren. Sein Rat an die Medienmacher: "Überlassen Sie den digitalen Raum nicht den Idioten." Und: Schaffen Sie Orte der direkten Begegnung; Foren, in denn Sie sich direkt mit Ihren Lesern austauschen.

    Facebook setzt auf lokalen Qualitätsjournalismus

    Und was sagt Facebook zu alldem? Zumindest scheint der US-Konzern genug von schlechter PR zu haben und gibt sich seit Längerem große Mühe zu betonen, er habe die Probleme erkannt - und wolle seinen Newsfeed nachhaltig verbessern. 2018 wurden zwei Änderungen ausgerollt, die den Nutzern mehr lokale Nachrichten und mehr Inhalte aus glaubwürdigen Quellen anzeigen sollen.

    Die Folgen sollten vor allem lokale Publisher deutlich gespürt haben, betonte David Grant von Facebook beim Newscamp. Laut dem unlängst veröffentlichten CrowdTangle Trend Report stieg die Zahl der Fans auf Facebook-Seiten deutscher Lokalmedien im vergangenen Jahr um sieben Prozent. Daneben investiert der Konzern bis 2020 rund 300 Millionen Dollar in sein Journalism Project, mit dem unter anderem regionale Verlage dabei unterstützt werden, ihre digitalen Erlösmodelle weiterzuentwickeln, loyale Nutzer und digitale Abonnenten zu gewinnen. An einem dieser Programme in Deutschland, dem Reader Revenue Accelerator, nimmt auch die Augsburger Allgemeine teil.

    Reichweite vs. Paid Content

    Apropos Paid Content. In der Newscamp-Arena trafen am späten Vormittag unter Moderation von Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, mit Julia Bönisch, Chefredakteurin SZ.de, und Benjamin Marx, Geschäftsführer von Ippen Digital, zwei Online-Welten aufeinander. Während Ippen mit seinen rund 50 Newsportalen und knapp 180 Millionen Visits im Monat (IVW, April 2019) inzwischen ein echtes Reichweiten-Schwergewicht in der deutschen Medienlandschaft ist, hat sich die Süddeutsche Zeitung mit ihren digitalen Aktivitäten vom Wettrennen um Visits und Page Impressions verabschiedet. Dafür setzt der Verlag auf digitale Abo-Erlöse.

    Benjamin Marx (links), Gregor Peter Schmitz und Julia Bönisch beim Newscamp 2019.
    Benjamin Marx (links), Gregor Peter Schmitz und Julia Bönisch beim Newscamp 2019. Foto: Bernd Jaufmann

    Ein kleines Team (Bönisch: zweieinhalb Stellen) kümmert sich am Newsdesk in München um Auswahl und permanente Optimierung der Premium-Inhalte, die hinter die Paywall wandern. "Wir stellen das ins Schaufenster, von dem wir denken, das es prägend für unsere Marke ist, das die Menschen nur bei uns finden", so Bönisch. Bisheriger Top-Seller: Ein Artikel über das Sterben, gefolgt vom Beitrag "Wir sind alle mit der falschen Person verheiratet". Rekord-Artikel bei Ippen ist übrigens ein SEO-Stück zum Spielplan der Fußball-EM 2018, das knapp sechs Millionen Abrufe generierte.

    Und welchem Modell gehört nun die Zukunft? "Die Zeiten, in denen man Reichweite um der Reichweite Willen gemacht hat, sind vorbei", räumte Marx ein. Am Ende gehe es darum, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu haben. "Und ich glaube nicht, dass es da ein Geschäftsmodell geben wird, sondern dass wir uns ganz viele Säulen aufbauen müssen." Auf jedes Portal passe ein anderes Erlösmodell - Paid Content inbegriffen.

    Das Newscamp 2019 zum Nachlesen im Live-Blog

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