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Fragen und Antworten: Online-Spielsucht bei Kindern und Jugendlichen

Fragen und Antworten

Online-Spielsucht bei Kindern und Jugendlichen

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    Immer mehr Jugendliche Computerspielsüchtig
    Immer mehr Jugendliche Computerspielsüchtig Foto: Archiv

    In Augsburg gibt es zwei Einrichtungen, die sich mit Internet-Spielsucht und ihrer Behandlung befassen. Um süchtige und suchtgefährdete Jugendliche kümmert sich Florian Daxer, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychatrie im Augsburger Josephinum. Um Süchtige ab 18 Jahren kümmert sich Silvia Kratzer, Diplompsychologin, am Bezirkskrankenhaus Augsburg. AZ-Online hat die Antworten zu den wichtigsten Fragen rund um das Thema Online-Spielsucht zusammengestellt.

    Wie viele Kinder und Jugendliche sind davon betroffen?

    Zwischen ein und zwei Prozent der 12- bis 18-Jährigen. Weitere 3 bis 4 Prozent sind gefährdet. 80 bis 90 Prozent der Patienten sind allerdings männlich.

    Welche Kinder und Jugendliche sind eher davon betroffen? Haben sie bestimmte charakterliche Eigenschaften?

    Online-spielsüchtige Jugendliche und Erwachsene weisen meist auch Begleiterkrankungen auf. Das sind Erkrankungen aus dem Angstspektrum oder Depressionen. Die Betroffenen sind meist sozial nicht so integriert. Oftmals eher introvertiert bis sozial-phobisch. Oder sie tun sich schwer, soziale Kontakte zu knüpfen. In den Internet-Rollenspielen haben sie die Möglichkeit einen Charakter zu erschaffen, den sie vorschicken können. Mit ihm haben sie weniger Angst abgelehnt zu werden. Auch, weil die meisten Spiele so angelegt sind, dass man zusammen spielen muss, dass man als Einzelner auf die Mitspieler angewiesen ist. Außerdem kann man die Beziehungen in den Rollenspielen besser und einfacher kontrollieren.

    Aus welchen Familien kommen die betroffenen Kinder und Jugendliche?

    Sie stammen aus allen Schichten und allen familiären Konstellationen. Auch wenn "Broken-Home"-Situationen natürlich ein gewisses Risiko bergen. Häufig sind die Betroffenen mit nur einem Elternteil groß geworden. Mutter und Vater hatten nicht so viel Zeit, so dass sie die Kinder an etwas anderes wendeten. Die Sehnsucht der Kinder nach Verbindung und Unterstützung befriedigt dann die Maschine. Daraus resultieren ofttraurige Verstimmungen, Ängste bis hin zur Depressionen.

    Wie erkenne ich, dass jemand an Online-Spielsucht leidet?

    Grundsätzlich ist es schwer zu erkennen. Denn in der medien-dominierten Gesellschaft ist es normal geworden, dass Jugendliche viel Zeit am PC verbringen, und das, ohne zu süchtig zu sein. Es sind viele Komponenten, die zusammen spielen. Man erkennt es daran, dass derjenige Hobbies aufgibt, dass Sozialkontakte vernachlässigt werden, dass sich das Schlaf- und Essverhalten verändert. Weiter kommt es zu einem Leistungsabfall. Es besteht kein Interesse mehr an Beruf oder Schule. Der Betroffene zieht sich sozial völlig zurück. Alles ordnet sich dem Spiel unter. Und er bleibt weiter dabei, obwohl es negative Folgen hat wie Verlust von Freunden oder Ärger in der Schule oder auf der Arbeit. Außerdem kommt es zu Entzugserscheinungen, wenn der Betroffenen einmal nicht spielen kann. Dann reagiert er auch mit Aggression oder sozialen Rückzug. Darüberhinaus steigert sich der Konsum.

    Was können Eltern und Freunde tun?

    Eltern können präventiv wirken, indem sie überschaubare Regeln aufstellen und klare Absprachen treffen, wann die Kinder den PC nutzen dürfen und wann nicht. Essen am Computer sollte sowieso tabu sein. Die Eltern sollten mit ihren Kindern darüber reden, Interesse zeigen, an dem, was die Kinder im Internet machen. Neugier und Kreativität zu fördern, sollte sowieso immer ein Ziel der Erziehung sein. Falsch ist es, den Computer und das Internet zu verteufeln. Vielmehr müssen sich Eltern damit auseinandersetzen, um zu verhindern, den Draht zu ihrem Nachwuchs zu verlieren. Außerdem können sie ihnen auch immer ein gutes Vorbild sein, das heißt, selbst nicht allzu viel Zeit vorm Rechner zu sitzen.

    Wenn man merkt, dass die oben genannten Merkmale schon eingesetzt haben, muss man einen Fachmann kontaktieren.

    Wie geschieht in einer solchen Therapie?

    Die Therapie ist sehr komplex. Bei der stationären Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychatrie sind die Kinder und Jugendliche meist mindestens drei Monate. Sie kommen nicht freiwillig in die Klinik, deshalb müssen die Ärzte zu ihnen ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Wichtig ist ein geregelter Tagesablauf, Gruppenunternehmungen, ein soziales Miteinander und natürlich dass die Begleiterkrankungen wie Depressionen und Ängste behandelt werden. Dann werden die jungen Patienten wieder an den PC herangeführt, indem sie alltägliche Aufgaben bewältigen wie Bewerbungen schreiben. Sie müssen lernen, kontrolliert mit dem PC und dem Internet umzugehen. Nach den drei Monaten gehen sie wieder zurück in die Familie und in ein betreutes Wohnprojekt. Therapien gibt es auch ambulant. In der Kinder- und Jugendpsychatrie sind die Online-Spielsüchtigen mit anderen suchtgefährdeten Jugendlichen zusammen. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sind bei allen Süchtigen die gleichen Hirnregionen betroffen. In der Erwachsenenpsychatrie geht das allerdings nicht. Einen Heroinabhängigen kann man nicht zusammen mit einem Rollenspieler therapieren. Bei Silvia Kratzer im Bezirkskrankenhaus schaut die Behandlung ähnlich aus. Auch hier werden die Patienten mit gruppentherapeutischen Maßnahmen wie Töpfern, Malen, Schwimmen und ähnlichem behandelt. Im Unterschied zu den Jugendlichen unterhalten sich Patient und Psychologe hier auch über ein Ziel. Weniger Spielen oder gar nicht mehr spielen. Das kann ganz unterschiedlich sein.

    Was ist das beliebteste Spiel?

    Ganz eindeutig "World of Warcraft". Während es 2005 nur drei Millionen weltweit spielten, waren es im Oktober 2010 schon zwölf Millionen Nutzer. Das Spiel spricht die Sucht der Spieler am offensichtlich am besten an. Immer wieder kommen neue Bereiche hinzu. Außerdem müssen die Anwender immer dabei bleiben, um ihren Charakter weiter zu entwickeln. Darüber hinaus muss vieles im Spiel zusammen erledigt werden. Das heißt, die Spieler sind aufeinander angewiesen. Das übt Druck aus.

    Weitere Informationen auf der Website des Bezirkskrankenhauses Augsburg

    auf der Website des Josephinums

    www. rollenspielsucht.de

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