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Kommentar: Sichere Lebensmittel: Funktioniert das System, gibt es keine Skandale

Kommentar

Sichere Lebensmittel: Funktioniert das System, gibt es keine Skandale

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    Etwa ein Drittel der Lebensmittelkontrollen fällt wegen Personalmangel aus.
    Etwa ein Drittel der Lebensmittelkontrollen fällt wegen Personalmangel aus. Foto: Ingo Wagner, dpa (Symbolbild)

    Als Kunde kann man wieder einmal nur mit dem Kopf schütteln: Ein Drittel aller Lebensmittelkontrollen finden gar nicht erst statt. Das geht aus einer Analyse der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hervor. Der Grund: Den Kontrollbehörden fehlt das Personal. Das Kopfschütteln ist aber eher ein resigniertes als ein schockiertes. Denn wirklich überraschend ist die Zahl nicht. Schließlich reihen sich seit Jahren Lebensmittelskandale aneinander.

    Ein paar Beispiele: Listerien in der Wilke-Wurst, Salmonellen bei der Firma Bayern-Ei, Schaben in Müller-Brot, Ehec-Erreger in Bockshornkleesamen, Pferdefleisch in der Lasagne, Gammelfleisch im Döner. Manches davon ist einfach nur eklig, anderes wirklich gefährlich. Der Tod von 25 Menschen wird in Zusammenhang mit der Wilke-Wurst gebracht. Ganz bewiesen ist der Zusammenhang noch nicht. Im Jahr 2011 starben 43 Menschen vermutlich deshalb, weil sie zuvor Bockshornkleesamen mit Ehec-Erregern gegessen hatten. Bis wirklich aufgeklärt werden kann, wie es so weit kommen konnte, oder welche Produkte betroffen sind, dauert es lange. Zu lange.

    Lebensmittelkontrollen: Betriebe mit höherem Risiko werden häufiger überprüft

    Seit geraumer Zeit steht deshalb schon das System der Lebensmittelüberwachung in der Kritik. Nicht nur Verbraucherschützer haben Zweifel, auch der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure sagt: Es muss sich etwas ändern. Doch irgendwie passiert trotzdem nichts. Oder zumindest nichts Grundlegendes. Dabei sind die Vorschläge, die an die Adresse der Politik gehen, ziemlich konkret: Die Kontrollen sollen zentral organisiert werden. Und das System muss transparenter werden.

    Momentan ist es Ländersache, Lebensmittelhersteller und verarbeitende Betriebe zu überprüfen. Die Länder haben die Aufgabe an die Kreise und kreisfreien Städte übertragen. Welcher Betrieb wie oft überprüft wird, hängt davon ab, als wie risikobehaftet er eingestuft wird. Metzger, fleischverarbeitende Betriebe, Bäckereien und Großküchen werden häufiger kontrolliert. Auch Firmen, die schon einmal auffällig waren, bekommen öfter Besuch. Alle Kontrollen finden unangekündigt statt.

    Die Verbraucherschützer geben zu bedenken: Die Landkreise sind auch dafür zuständig, Arbeitsplätze vor Ort zu halten. Gewissermaßen eine Wohlfühlatmosphäre für Betriebe zu schaffen. Dadurch können sich Konflikte ergeben. Deshalb sollten nicht die Landkreise die Kontrollen organisieren, sondern eine zentrale Stelle auf Länderebene, fordern sie. Das zu ändern, läge unter anderem an Ernährungsministerin Julia Klöckner. Die sagt zu dem Dilemma: Die Kontrollen und die Kontrolleure müssen unabhängig sein. Ein Zirkelschluss.

    Kunden müssen vertrauen, sie können nicht selbst kontrollieren

    Die Transparenz ist der zweite Knackpunkt. Und in Bayern knackt es besonders laut. Immer wieder zeigt sich, dass es im Freistaat besonders schwer ist, Akteneinsicht zu bekommen oder Prüfberichte zu lesen. Auch an der Befragung durch Foodwatch nahmen nur wenige bayerische Behörden teil. Das Staatsministerium für Verbraucherschutz sagt, das liegt an einer fehlenden Software. Man arbeite daran. Der Freistaat hat dabei eigentlich nichts zu verstecken: Im Jahr 2018 wurden nur 0,3 Prozent aller Proben beanstandet, die das Amt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit untersucht hat. Es bleibt aber ein komisches Gefühl. Bayern wirkt besonders geheimniskrämerisch. Und als Kunde fragt man sich automatisch: Warum ist das so?

    Nun verfolgt Foodwatch freilich eine eigene Agenda. Zeitgleich mit der Veröffentlichung des aktuellen Bericht zu fehlenden Lebensmittelkontrollen startete die Organisation eine Petition, die Julia Klöckner und die zuständigen Landesminister auffordert, die Kontrollen nicht weiter zu reduzieren und mehr Personal einzustellen. Denn die Minister planen, das System der Lebensmittelkontrollen etwas zu reformieren. Und Foodwatch fürchtet, dass so weiter Personal eingespart werden soll. Die Petition verfolgt also hehre Ziele. Und die Studien zu den wegen Personalmangel ausfallenden Kontrollen passen gut in den Plan.

    Ministerin Julia Klöckner und Foodwatch sind sich übrigens in einem Punkt einig: Das System muss funktionieren. Das hofft natürlich auch der kopfschüttelnde Kunde. Denn als Kunde ist man darauf angewiesen, dass Lebensmittel einwandfrei sind. Man muss vertrauen, kontrollieren kann man schließlich nicht. Nun sagen die Kontrolleure gerne, dass so viele Skandale auffliegen, zeigt doch, dass das System funktioniert. Eine interessante Argumentation. Denn eigentlich müsste es doch andersherum sein: In einem funktionierenden System müssten Kontrolleure eigentlich gar nichts finden.

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