
Flüchtlinge: Günzburgs OB Jauernig warnt vor Unfrieden in Bevölkerung

Plus Der Günzburger Oberbürgermeister sagt, Kommunen sind mit der neuen Migrationswelle überfordert. Er fordert, Anreize für den Zuzug nach Deutschland zu begrenzen.

"Wir spüren, dass hier etwas in Bewegung kommt", sagt der Günzburger Oberbürgermeister Gerhard Jauernig. Den Satz formuliert er an seinem Besprechungstisch im OB-Büro mit Besorgnis. Jauernig, zugleich auch Vorsitzender des Bayerischen Städtetags in Schwaben, spricht über die "ungebremste Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge". Im Landkreis Günzburg sind es derzeit ungefähr 70, die jede Woche eintreffen, die Mehrzahl davon Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Das wären knapp 300 in einem Monat.
Jauernig warnt im Gespräch mit unserer Zeitung vor einer Überlastung der Kommunen und Akzeptanz-Verlust in der Bevölkerung. "Es kann Unfrieden entstehen", mahnt er vor den Folgen. Der Oberbürgermeister fordert den Bund auf, die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten stärker und zugleich begrenzend zu steuern. Die Kommunen müssten außerdem von den flüchtlingsbedingten Kosten entlastet werden.
Anker-Zentrum in Günzburg geht nicht ohne Einverständnis der Stadt
Zu einem dem Vernehmen nach von der Regierung von Schwaben gewünschten Anker-Zentrum auf dem Gelände des Prinz-Eugen-Parks (PEP; früher: Prinz-Eugen-Kaserne) in Günzburg will Jauernig derzeit nichts sagen – außer, dass dies nur mit dem Einvernehmen der Stadt möglich sei, die eine baurechtliche Veränderung vornehmen müsse. Allein entscheide er dies ohnehin nicht, lässt er sich noch entlocken und verweist auf das politische Meinungsbild, das erst eingeholt werden müsse.
Ein Anker-Zentrum ist eine Art dezentrale Erstaufnahme. Ankommende werden dort registriert und ihre Identität festgestellt, dann soll ziemlich schnell entschieden werden, ob sie weiter kommunal verteilt werden oder in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen. So lautet jedenfalls die Idee, die mit diesen Flüchtlingslagern verbunden ist und deren Bewohner dort nicht dauerhaft bleiben.
Oberbürgermeister: Die Unterbringungskapazitäten sind erschöpft
Die aktuelle Entwicklung betrachtet der Günzburger SPD-Oberbürgermeister, der auch von der CSU unterstützt wird, als "unheimlich große Herausforderung für die Kommunen". Die Möglichkeiten der Unterbringung sind aus seiner Sicht erschöpft. Für in Zukunft ankommende Flüchtende gebe es kaum noch freie Kapazitäten. Bereits mit dem Einsetzen der Flüchtlingswelle aus der Ukraine haben nach Aufrufen in der Öffentlichkeit Privatleute Wohnraum angeboten. Wenn der nach wie vor belegt sei, könne er nicht ein zweites Mal zur Verfügung gestellt werden. Bezahlbare Wohnungen seien schon jetzt knapp, dafür die Wartelisten lang – und dies unabhängig von der Zahl der eintreffenden Flüchtlinge.
Für den schwäbischen Städtetagsvorsitzenden entsteht hier eine direkte Konkurrenzsituation, die sozialen Sprengstoff biete. Dieser Wettbewerb beziehe sich nicht nur auf Wohnraum, sondern zum Beispiel auch auf Betreuungsangebote für Kinder. Dort ist nicht nur der Raum ein knappes Gut; mehr noch ist es das Personal. Auf die eigenen Mitarbeitenden in der Verwaltung bezogen seien die "mit der Registrierung, Unterbringung und Betreuung verbundenen Aufgaben" mit den vorhandenen Personalressourcen kaum noch zu bewältigen.
Forderungen an den Bund und an Bayern
Jauernig leitet aus all den Erkenntnissen konkrete Forderungen an Bund und Freistaat ab: Es müsse finanziell und sichtbar von beiden Ebenen ein "echter Beitrag zum Wohnungsmarkt" geleistet werden, "von dem dann alle Wohnungssuchenden profitieren". Parallel dazu müssten die hohen Standards beim sozialen Wohnungsbau ebenso wie bei Investitionen in Kindertagesstätten und Schulen gesenkt werden.

Der Günzburger Rathauschef spricht wie bereits Anfang Oktober der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz von "Pull"-Faktoren, also falsch gesetzten, vielfältigen Anreizen, die den Zuzug aus Drittstaaten nur beförderten. Beispielhaft erwähnt er die Bereitstellung von Wohngeld auch für alle Personen mit Aufenthaltstiteln. Das sei einer von mehreren Punkten, die überprüft gehörten "und in Teilbereichen korrigiert werden sollten".
Jauernig will nicht Beifall aus der falschen Ecke erhalten
Im Gespräch mit unserer Redaktion wägt der Rathauschef die Worte ab, unterbricht Sätze erkennbar häufiger als üblich, um sie wieder von vorn zu beginnen. Er will sich klar verstanden wissen, aber wegen seiner Warnungen und seiner Forderungen auch nicht Beifall von der falschen, der rechten Seite erhalten. Ein verbaler Balanceakt ist das, weiß der erfahrene Kommunalpolitiker, der seit bald 21 Jahren in Günzburg regiert und "die Lebenswirklichkeit der Städte", wie er sagt, kennt. Die Schwierigkeiten, die Stadt und Gemeinwesen zu meistern hätten, seien mit den aktuellen Krisen und den damit verbundenen Unsicherheiten während seiner Amtsjahre noch nie so groß gewesen.
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