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Foto: Georg Drexel
Foto: Georg Drexel

Mathias Müller von der Bahnhof-Apotheke in Krumbach im Medikamentenlager der Apotheke. Es gehört zu den größten Deutschlands.

Landkreis Günzburg
10.09.2022

Medikamentenmangel in den Apotheken im Kreis: Was fehlt und warum

Von Sophia Huber

Plus Kein Fiebersaft und Schmerzmittel: Wegen Lieferengpässen sind nicht immer alle Medikamente in den Apotheken im Landkreis verfügbar. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Für Eltern ist es oft das Schlimmste, wenn das eigene Kind krank ist. Noch schlimmer, wenn dann das passende Medikament für den Sohn oder die Tochter nicht vorrätig ist. Doch diese Situation ist in diesem Jahr keine seltene. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt es derzeit bei über 250 Arzneimitteln Lieferschwierigkeiten. Die Gründe für die Knappheit, die bereits seit vielen Jahren besteht, sind vielfältig. Die Apotheken im Landkreis berichten von einem Ausnahmezustand, der sich angebahnt hat und für den wenig Besserung in Sicht ist.

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Der Kostendruck im Gesundheitswesen nimmt zu

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) nennt vielfältige Ursachen für die Knappheit bei einigen Medikamenten. So etwa den Kostendruck im Gesundheitswesen. "Global betrachtet findet die Wirkstoffproduktion für den Weltmarkt aus Kostengründen oft in wenigen Betrieben in Fernost statt", erklärt die ABDA die Lieferengpässe. Antibiotika etwa würden häufig in China und Indien produziert. "Steht die Produktion zeitweilig still oder wird eine Charge aus Qualitätsgründen nicht freigegeben, können auch große Hersteller in Europa ihre Fertigarzneimittel nicht liefern." Jan-Thomas Jaud, Apotheker und Inhaber der vier Kompetenzapotheken in Günzburg kann das bestätigen. "Die Situation mit den Lieferengpässen gibt es schon seit vier, fünf Jahren und nimmt weiter zu." Der Hintergrund sei die weltweite Zentralisierung.

Dazu kamen noch Corona und Krieg, erzählt Jaud weiter. Es sei nicht so gewesen, dass auf einmal nichts mehr in den Apothekenregalen war. Sondern mehrere verschiedene "Hypes", so Jaud. Während der Pandemie wurden Masken und Schnelltests auf Vorrat gekauft, dann gab es während der Grippewelle große Nachfrage an Paracetamol- und Ibuprofensäften, schließlich wurde vor allem durch die Sozialen Medien ein richtiger Ansturm auf das rezeptfreie Arzneimittel "Elotrans" ausgelöst. Das ist ein Pulver, das vor allem bei Durchfallerkrankungen hilft – aber auch nach einer durchzechten Nacht wieder fit machen soll. "Gegen den Kater hilft das aber nicht wirklich", sagt Jaud. Für die, die es wirklich benötigen, sei dann oft nichts mehr da gewesen.

Apotheken in Jettingen und Ichenhausen kennen diese Situation

Weltweit gibt es nach Jaud noch zwei Produzenten, die Paracetamol für die gesamte Welt herstellen – beide sitzen in Asien. Es soll laut Bundesregierung 2024 wieder in Europa, genauer gesagt in Frankreich hergestellt werden. "Aber das kann noch viel länger dauern", ist sich der Apotheker sicher. Die systematische Auslagerung der Herstellung von Arzneimitteln in Billiglohnländer sei eine politische Entscheidung gewesen.

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Foto: Uli Deck, dpa (Symbolbild)
Foto: Uli Deck, dpa (Symbolbild)

Nicht jedes Medikament ist derzeit in den Apotheken im Landkreis Günzburg verfügbar. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Das Problem dabei: "Kommt es in einem Bereich zu unvorhergesehenen Verzögerungen, kann dies die gesamte globale Lieferkette beeinflussen. Gerade auf Produktionsstandorte in China wirkt sich auch die Corona-Pandemie nach wie vor aus. Aufgrund der strengen Maßnahmen und den anhaltenden lokalen Lockdowns stehen ganze Fabrikhallen leer, wodurch sich die Produktion erheblich verzögert und die Lieferketten gestört werden", berichtet die ABDA.

Was ändert sich für Patientinnen und Patienten?

Marco Melzer, Inhaber der Kronen-Apotheken in Ichenhausen und Jettingen bekommt diese Konsequenzen im Arbeitsalltag zu spüren. Aber nicht nur wegen des Medikaments an sich kommt es zu leeren Regalen. "Es gibt auch triviale Gründe. Bei Ratiopharm beispielsweise gab es eine Zeit lang keine Flaschen und Beipackzettel mehr und deswegen konnte nichts geliefert werden", erzählt Melzer. Er und sein Team halten zusammen, wenn sie im Tagesgeschäft vor Herausforderungen stehen. Ist ein bestimmtes Medikament nämlich nicht verfügbar, müssen Kundinnen und Kunden auf Alternativen ausweichen. "Schon eine andere Packung oder eine Tablettenfarbe verunsichert gerade ältere Patientinnen und Patienten. Auch, wenn im Arzneimittel der gleiche Wirkstoff enthalten ist. Da müssen wir aufklären." Und im schlimmsten Fall den Kunden oder die Kundin wegschicken.

Einige Apotheken investieren viel Zeit in die Suche nach Ersatzwirkstoffen. "Sofern der grundlegende Wirkstoff lieferbar ist, stellen sie Präparate auch selbst her, um dem Mangel entgegenzuwirken", so die ABDA. So wie in der Bahnhof-Apotheke Krumbach, wie Geschäftsführer Mathias Müller mitteilt. In der Krumbacher Apotheke gab es in keiner Phase einen großen Mangel. "Es ist schon so, dass einige Lieferanten Verzug hatten. Aber glücklicherweise können wir das durch unseren großen Lagerbestand ausgleichen."

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