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Illertissen: Von Haus zu Haus: Wie wird man Nikolaus, Ottmar Rädler und Karl-Josef Werner?

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Von Haus zu Haus: Wie wird man Nikolaus, Ottmar Rädler und Karl-Josef Werner?

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    Als Nikoläuse sind Karl-Josef Werner und Ottmar Rädler seit Jahrzehnten im Einsatz - und jetzt zu Gast in unserem Podcast.
    Als Nikoläuse sind Karl-Josef Werner und Ottmar Rädler seit Jahrzehnten im Einsatz - und jetzt zu Gast in unserem Podcast. Foto: Alexander Kaya

    Wenn sich Karl-Josef Werner den Mantel überstreift, die Mitra aufsetzt und den Stab in die Hand nimmt, ist er ein anderer Mensch, zumindest ein wenig: „Man fühlt sich schon sehr erhaben. Wenn du das Gewand anziehst, dann geht es auf dich über, du bewegst dich anders“, erzählt er. Und auch seine Stimme legt er dann deutlich tiefer. Jedes Jahr Anfang Dezember wird er zum Nikolaus, zur Respektsperson, die Gaben verteilt, kleine Kinder lobt und sie auch mal sanft tadelt. Das tut er bereits seit knapp einem halben Jahrhundert, ebenso wie sein Kollege Ottmar Rädler, der es einfach liebt, Kinder mit kleinen Geschenken zu beglücken und im Gegenzug liebevolle Zeichnungen mit nach Hause zu nehmen. Besonders schöne Kunstwerke hängen dann für ein paar Wochen in der Wohnung. Die beiden gehören zur unverzichtbaren Stammbesatzung der Illertisser Kolping-Nikoläuse und pflegen damit eine Tradition, der andernorts der Nachwuchs ausgeht.

    In einigen Orten fehlt es am Nikolaus

    Früher gehörte es zum guten Ton, am 6. Dezember oder am Abend davor den Nikolaus ins Haus kommen zu lassen. Allerdings mangelt es mittlerweile an „Heiligen“. Es gebe nicht mehr so viele, die sich als Nikolaus und Knecht Ruprecht verkleiden wollen. „Verschiedene Gemeinden haben damit aufgehört, zuletzt hat Vöhringen den Nikolausdienst aufgegeben“, bedauert Karl-Josef Werner. Es gebe aber noch Gemeinden, in denen junge Leute oder private kleine Organisationen auf Bestellung Nikolaustouren absolvieren. Allerdings fehle es mittlerweile an Nachwuchs, „das lässt sich nicht verleugnen. Da sind wir jetzt immer mehr gefordert.“ Doch die Illertisser Kolping-Nikoläuse können nicht klagen, am 5. gehen in der Regel acht Paare auf Tour, am Nikolaustag neun. Werner und Rädler können sich nichts Schöneres vorstellen.

    Wie sie dazugekommen sind? „In der Jugend wird man nicht groß gefragt, du gehörst halt dazu“, sagt Werner und sein Kollege Rädler findet, das sei halt das typisch schwäbische Ehrenamt: „Man wächst da so rein und kriegt es nicht mehr los“ - worüber er sehr froh ist, denn mit den Kindern sei das einfach „die reine Freude“. Beide haben die klassische Ausbildung durchlaufen und wurden erst mal in das unförmige Knecht-Ruprecht-Kostüm gesteckt, quasi als Azubi für die höheren Weihen des Heiligen. „Da ist man dann der Stift, aber wir haben manche, die sind schon seit 35 Jahren der Stift.“

    Knecht Ruprecht muss nicht mehr so viel schleppen

    Deren Arbeit ist mittlerweile wieder leichter geworden. Noch vor gut zehn Jahren musste der Knecht deutlich mehr schleppen als heutzutage. Rädler: „Da braucht man eigentlich drei Säcke für die Geschenke, das war schlimmer als Weihnachten, das war schon etwas überzogen. Jetzt gibt es wieder kleinere Geschenke, ein Spiel oder mal ein Malbuch.“ Außerdem hat Knecht Ruprecht seinen Schrecken verloren. Während er früher - „vor unserer Zeit“ - seine Rute tatsächlich zum Züchtigen benutzt hat, reicht es heutzutage, wenn er zu mahnenden Nikolaus-Worten zweimal damit auf seinen Mantel klopft, „damit das den Kindern auch akustisch bewusst wird: Uiii, mit dem Kerl ist nicht zu spaßen“, sagt Werner. Zur Hoch-Zeit der antiautoritären Erziehung wollten Eltern den Nikolaus am liebsten ohne den wilden Knecht, „aber den gibt es nur im Doppelpack. Das ist mittlerweile ein lieber, braver Ruprecht, der einfach mithilft.“

    Ohnehin sehen sich die Beiden nicht als Nebenerzieher. Natürlich bekommen sie von den Eltern einen Zettel zugesteckt, auf dem kleine Verfehlungen des Nachwuchses aufgelistet sind, doch die Illertisser Nikoläuse nehmen sich die Freiheit, nicht alles aufzuführen, „um die Kinder nicht überwiegend negativ zu belasten.“ Ohnehin geht es meistens darum, dass die Kleinen nicht ins Bett gehen wollen, wenn sie sollen, oder es mit dem Zähneputzen und dem Ordnung halten nicht so genau nehmen. „Wenn man dann mal fragt, wer aufräumt, heißt es oft ‚Die Mama‘. Wenn der Nikolaus gut drauf ist, fragt er auch schon mal, ob er denn die Mama mal ausleihen darf“, erzählt Rädler.

    Die allermeisten Kinder haben Respekt vor dem Nikolaus

    Respekt haben offenbar schon noch die meisten Kinder vor den beiden bärtigen Gesellen. Karl-Josef Werner schätzt den Anteil auf 85 Prozent. Wenn sich mal einer besonders bockig gibt, dann müsse man eben ganz ruhig bleiben.

    Auch nach gut 50 Jahren Nikolaus-Dasein empfinden beiden keine Routine. Es bleibe eine Herausforderung, weil man ja nicht wisse, wen ich vor mir habe. „Die Spannung bleibt bei jedem Hausbesuch: Was kommt auf mich zu?“ meint Werner, und Rädler findet: „Jedes Kind ist anders, das ist einzigartig, deshalb wird das auch nicht langweilig.“ Ans Aufhören haben beide bisher nicht ernsthaft gedacht, nur ein bisschen: „Wir haben uns schon Gedanken gemacht, wenn wir jetzt ins Greisenalter kommen. Mit dem Rollator und einer Halterung für den Bischofsstab wollen wir nicht kommen.“ Beide beteuern: „Solange der Körper und der Geist mitmachen, geben wir den Nikolaus, das gehört zum Leben dazu.“

    Der Podcast mit den Nikoläusen bei Spotify, Apple Podcasts und Co.

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