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Nationalmuseum München: Augsburg in China

Nationalmuseum München

Augsburg in China

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    museum Foto: dpa

    Von Rüdiger Heinze München - Für die Schwaben ist ein Besuch des Bayerischen Nationalmuseums München zurzeit doppelt viel wert. Erstens wegen der immer ergiebigen Dauerpräsentation mit u. a. Augsburgs spätgotischer Welserstube und Donauwörths Pfleghaus-Fuggerkabinett, zum Zweiten wegen der neuen Sonderausstellung "Die Wittelsbacher und das Reich der Mitte - 400 Jahre China und Bayern".

    Denn auch diese versammelt außerordentlich viel Kulturgut, Kunsthandwerk und Kunst aus Bayerisch-Schwaben - was zwar nicht verblüffen kann, was aber im gesamten historisch-thematischen Umfeld dann doch zu unerwarteten Einsichten nicht nur im Detail führt.

    Wem, selbst unter Kunstfreunden, ist schon bewusst, dass China nicht nur heute moderne westliche Malerei für den Weltmarkt kopiert, sondern dies schon um 1750 etwa mit "niederländischen Landschaften" tat? Wie viele schon wissen darüber Bescheid, dass sich - andersherum - deutsche Manufakturen nicht nur stilistisch von Chinas Kunsthandwerk anregen ließen, sondern - mit mäßigem Erfolg - regelrecht zu imitieren und abzukupfern versuchten?

    Und wem ist wirklich klar, dass ab 1550, als fremdländische "Wunderkammerkunst" in Europa gefragt war und nicht nur von den Fürstenhäusern bestellt wurde, es nicht so ankam auf deren ästhetische Reinheit. Und so mischte sich bei manchem in Auftrag gegebenem Kunststück das Arabische mit dem Indischen und das Chinesische mit dem Japanischen - Hauptsache exotisch.

    An dieser Stelle, als noch jegliche Kunst aus fernen Ländern als "indianisch" bezeichnet worden war, setzt die lehrreiche Münchner Prachtschau ein. Es sammelte unter den bayerischen Herzögen der Großvater Albrecht V. (*1528), es sammelte der Vater Wilhelm V. (*1548) und es sammelte der Sohn Maximilian I. (*1573).

    Letzterer aber hortete nicht nur, sondern half auch zu missionieren in Sachen europäischer Hochkultur und Glauben: Er und seine Frau Elisabeth von Lothringen unterstützten finanziell tatkräftig die christliche Bekehrungsarbeit in China.

    Goldschmiede-Uhren mit Glockenspiel

    Dort hatten die Jesuiten hervorragendes Ansehen - aufgrund ihrer mathematisch-astronomischen Kenntnisse. Und so erreichten Anfang des 17. Jahrhunderts als Geschenk erstmals kostbare Goldschmiede-Uhren mit bestauntem Glockenspiel den Kaiserhof in Peking, astronomische Instrumente und liturgische Geräte - allesamt ebenso in Augsburg hergestellt (und im Nationalmuseum zu sehen) wie ein prachtvoller Kunstschrank, von dem heute allerdings - wie vom zeitgleich entstandenen Pommer'schen Kunstschrank aus Augsburg - nur noch eine Abbildung existiert.

    Zu diesem Kunsthandwerk kam in der Folge persönlicher Einsatz aus Schwaben: indirekt durch Maria Theresia von Fugger-Wellenburg (*1690), die jahrzehntelang eine Korrespondenz mit Jesuiten in China führte und für die Missionierung spendete, direkt in Form des Landsberger Jesuiten und Astronomen Ignaz Kögler (*1680), der am Kaiserhof in Peking die chinesische Kalenderrechnung so präzise reformierte, dass sie noch heute gilt.

    Nun sind wir schon im 18. Jahrhundert, als der kulturelle Einfluss von China gleichsam beantwortet wurde. Unter dem bayerischen Kurfürsten Max Emanuel (*1662), der chinesisches Kunsthandwerk in Brüssel und Frankreich kennenlernte, brach in Bayern die China-Mode aus (am plakativsten durch den Chinesischen Turm in München belegt).

    Und wieder zog Augsburg (neben Nürnberg) in vorderster Front den Nutzen, erstens durch Silberarbeiten mit chinesischen Motiven (Teeservices, Toilettengarnituren, Prunktische, Tischuhren), zweitens mit interkontinentalen Werkstattarbeiten (Augsburger Golddekor über originalem chinesischen Porzellan), drittens - und vor allem - mit gedruckten Muster-Vorlagen für Verzierungen im chinesischen Stil: Kupferstiche, Ausschneidebögen, Schmuck- und Brokatpapiere lieferten die Grundmaterialien, um Gegenstände des täglichen Gebrauchs zu dekorieren, einzupacken, auszuschmücken.

    Es war die Zeit der "Chinoiserien". Und die Augsburger Verleger kamen kaum nach, für dieses Freizeitvergnügen von Adel und Bürgertum genügend Nachschub mit chinesischen Ornamenten, Pflanzen, Tieren und Genre-Darstellungen zu liefern. Vom China-Fieber berichtet ja im Übrigen auch das Porzellanzimmer auf Schloss Aystetten.

    Der Nachklang der chinesisch-bayerischen Hochzeit ist leise im Bayerischen Nationalmuseum: Wohl sammeln auch Ludwig I. und Ludwig I.., wohl gibt es noch chinesische Geschenke für Bayern und auch Reisemitbringsel, doch die beiden Kulturen profitieren nicht mehr im selben Maße voneinander wie ehedem.

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