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Interview: Brecht-Preisträgerin 2018: "An Brecht habe ich mich abgearbeitet"

Interview

Brecht-Preisträgerin 2018: "An Brecht habe ich mich abgearbeitet"

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    Nino Haratischwili ist eine aus Georgien stammende Theaterregisseurin, Dramatikerin und Romanautorin. Sie wird 2018 den Brechtpreis erhalten.
    Nino Haratischwili ist eine aus Georgien stammende Theaterregisseurin, Dramatikerin und Romanautorin. Sie wird 2018 den Brechtpreis erhalten. Foto: Erwin Elsner

    Unter welchem Eindruck standen Sie, als Sie das erste Mal mit dem Werk von Bert Brecht in Berührung kamen? Und wie ist heute Ihr Verhältnis zu den Schriften des Dramatikers und Dichters?

    Nino Haratischwili: Ich würde sagen, dass Brecht unter den Dramatikern und Schriftstellern ist, an denen ich mich am meisten abgearbeitet habe. Das erste Mal kam ich mit seinem Werk als Jugendliche in Berührung, als ich Robert Sturuas "Der Kaukasische Kreidekreis" im Rustaveli Theater meiner Heimatstadt Tiflis sah. Das war eine sehr bekannte Inszenierung, die weltweit tourte und die sehr politisch und zugleich sehr karnevalesk war. Es war damals für mich wie eine Offenbarung und einer der wichtigsten Gründe für meine Theaterbegeisterung. Später, im Regiestudium, als ich mich in seine Werke vertiefte und die theatertheoretischen Abhandlungen las, gab es vieles, wogegen ich "stieß" – falls man das so sagen kann –, an dem ich mich abgearbeitet habe. Auch sein enormer Einfluss auf das gegenwärtige Regietheater in Deutschland war etwas, womit ich durchaus zu kämpfen hatte, denn ich kam aus einer anderen Theatertradition, und es hat eine Weile gedauert, bis ich diese Theaterform verstehen und durchdringen und in ihr meinen eigenen Weg finden konnte. Aber ich würde sagen, dass mein Theaterverständnis bezeihungsweise meine Auffassung unter anderem auch sehr durch die Auseinandersetzung mit seinem Werk geprägt ist.

    Was würden Sie empfehlen, als Erstes von Brecht zu lesen? Und warum?

    Haratischwili: Ich muss zugeben, dass ich seine Gedichte am schlechtesten kenne, und daher kann ich mir darüber kein Urteil bilden, aber ich liebe "Baal" sehr und würde vielleicht dieses Stück jemanden als erstes ans Herz legen wollen.

    Unabhängig von der Jury-Begründung zur Preiszuerkennung: Wie sehen Sie – mit Ihren Worten – Brechts schriftstellerische Linie durch Ihr Werk fortgesetzt?

    Haratischwili: Ich kann nicht sagen, dass ich in meinem Schreiben unbedingt seiner "Linie" folge – auch da gibt es ja sehr unterschiedliche Phasen und Texte – aber vor allem als Dramatikerin hat er meine Sicht auf das Theater extrem geprägt – sei es, an manchen Punkten, durch Abgrenzung.

    Gibt es ein Generalthema, unter dem Ihre Bücher und Theaterstücke zusammengefasst werden könnten?

    Haratischwili: Das ist immer schwer zu sagen, da man ja keinen objektiven Blick auf das eigene Schaffen hat. Ich würde sagen, dass der Mensch, die menschlichen Beziehungen, samt ihrer Tragik und Komik, und natürlich auch der Kontext der Zeit und der Politik, in der sie stattfinden für mich stets im Fokus stehen.

    Was lesen Sie zur Zeit, woran arbeiten Sie zur Zeit?

    Haratischwili: Ich habe gerade einen neuen Roman abgeschlossen und beginne mit meinen Lektoren die Lektoratsarbeit. Zuletzt gelesen habe ich: Leila Slimani "Dann schlaf auch du" – ein erschütterndes und zugleich ein sehr beeindruckendes Buch.

    Wie möchten Sie Ihr Preisgeld verwenden?

    Haratischwili: Das wertvollste, das einem eine gewisse finanzielle Sicherheit schenken kann, ist – meiner Meinung nach – die Zeit. Die Zeit, um kreativ zu sein, um sich den Dingen widmen zu können, die einem wirklich wichtig sind, ohne Ablenkung, ohne anderweitiges Müssen. Ich denke, dass ich mir einfach diese Zeit nehme – um an weiteren Projekten und Ideen zu arbeiten.

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