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Foto: imago stock&people
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Zu Kriegszeiten war das Haltbarmachen von Obst und Gemüse im Glas überlebenswichtig.

Do-it-Yourself
03.09.2018

Warum Einwecken plötzlich wieder im Trend liegt

Von Nicole Prestle

Selbst gemachte Konfitüre und Gurken nach Omas Rezept sind wieder im Kommen. Geschichten rund ums Einmachen.

Diese Woche Montag, der Tag mit den besonderen Angeboten beim Discounter. Annonciert ist ein Dörrautomat für 29,99 Euro. Keine große Investition für eine bessere Lebensweise. Doch offenbar denken das viele: Gegen 9 Uhr ist eine Filiale bereits ausverkauft, in der anderen gibt es nur noch drei Exemplare. Vielleicht ist es die Sehnsucht nach einem ursprünglicheren Leben, nach einem, das dem Körper zuträglicher ist. Eventuell ist es aber auch die Abneigung dagegen, sich bei der eigenen Nahrung ausschließlich auf große Lebensmittelkonzerne zu verlassen. Jedenfalls verbringen viele Menschen wieder mehr Zeit in der Küche, um zu verarbeiten, was Garten, Balkon oder – mangels beidem – der Obst- und Gemüsehändler hergeben.

Einst waren solche Arbeiten einfachen, ärmeren Leuten vorbehalten. Zwar naschte auch die Herrschaft gerne Eingemachtes aus eigenem Anbau, nur: Das selbst in die Hand zu nehmen, war kein Thema. Heute dagegen ist es „sexy“ geworden. Mit Urban Gardening kam das Einwecken und Einlegen von Lebensmitteln wieder in Mode – wie überhaupt Selbermachen kein Zeichen mehr von Geldnot oder „Langweiliges-Landei-Syndrom“ ist: Wer hip ist, ist selbst kreativ.

Auch der Buchmarkt hat darauf reagiert: Vom Standardwerk, das die gängigsten Konservierungsmethoden erklärt, über das Rezeptbuch für Konfitüre und süß-saure „Einlegearbeiten“ bis hin zum Bestimmungsbuch für Wildkräuter ist vieles zu haben. Ein gutes Beispiel ist Daniela Wattenbach Veröffentlichung „Heimat im Glas“. Die Autorin stellt Klassiker wie Apfelmus und Schlehenlikör vor, aber auch außergewöhnlichere Ideen wie Hagebuttensenf, fränkische Oliven (eingelegte Schlehen) oder Fruchtleder. Es sind Rezepte, die sie noch aus ihrer Kindheit kennt, in der die Großmutter für die Verpflegung der Großfamilie zuständig war. Ein wenig Nostalgie ist halt auch dabei beim Einmachen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Einkochen schon mal ein „Hype“

Wattenbach erinnert sich an Streifzüge über Wiesen und Felder, von denen die Kinder „Kapuzen voller Kirschen, Äpfel, Birnen und Zwetschgen“ mitbrachten, die dann eingekocht oder eingelagert wurden. Das war Omas Arbeit, doch Wattenbach scheint genau aufgepasst zu haben. Schön ist, dass sie darauf achtet, möglichst alles zu verarbeiten: Giersch zum Beispiel, der für andere nur lästiges Unkraut ist, komponiert sie mit Bärlauch und Knoblauchrauke zu Pesto, die Kerne der Hagebutten werden zum Tee für kalte Tage.

Wer so kreativ ist, will auch darüber sprechen. So hat die stetig wachsende Do-it-yourself-Gesellschaft eigene Formate gefunden, um sich auszutauschen: Man trifft sich auf Swap-Parties, auf denen eingelegte Pilze, Gurken und Konfitüren samt Rezepten ausgetauscht werden. Cooler allenfalls, als sie im Supermarkt zu kaufen.

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Foto: dpa
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Der Begriff „Einwecken" geht auf den Unternehmer Johann Weck zurück.

Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Einkochen schon mal das, was man heute einen „Hype“ nennen würde. Die bis dato gebräuchliche Technik, erfunden von Chemiker Rudolf Rempel aus Gelsenkirchen, galt als Revolution, da sie es jedem ermöglichte, Lebensmittel auf simple Weise zu konservieren. Alles, was man brauchte, war kochendes Wasser, Gläser und das „Weckgut“. Dieses Wort übrigens entstand, wie auch das Verb „einwecken“, nachdem Johann Weck und Georg van Eyck im Jahr 1900 ihre Firma J. Weck und Co. gegründet hatten. Dort wurde alles Zubehör produziert, das man für „modernes“ Konservieren brauchte.

Überhaupt beschäftigt die Frage, wie man Lebensmittel haltbar macht, die Gesellschaft seit Jahrhunderten. Seit sie das Feuer kannten, nutzten die Menschen es, um Haselnüsse zu rösten oder Fleisch und Fisch zu räuchern. Kein Wunder, dass Dörren und Trocknen auch aktuell wieder Thema sind. Michelle Keogh beschreibt in ihrem Buch „Einfach Dörren und Trocknen“ verschiedene Techniken: im Backofen, an der Luft oder mit Dörrautomat – natürlich nur, sofern man im Discounter noch Glück hatte. Schöne Vorstellung irgendwie, im Wintermüsli aufs eigene Obst zurückgreifen zu können.

Die Konservendose gab es vor dem Dosenöffner

Die Methode des Erhitzens und Abfüllens von Weckgut in Gläsern haben wir übrigens Napoleon zu verdanken. Während der Napoleonischen Kriege suchte er nach einer Methode, um seine Soldaten zu verköstigen. Die französische Regierung schrieb einen Wettbewerb aus, den der Konditor und Braumeister Nicolas Appert gewann. Er war der Erste, der Lebensmittel in Gläser füllte, sie heiß machte und luftdicht verschloss. Der Brite Peter Durand entwickelte später die Konservendose – übrigens Jahre, bevor man den Dosenöffner erfand.

Weil unsere Vorräte heute oft nicht mehr im Keller, sondern im Supermarkt stehen, müssen viele die Natur erst wieder kennen lernen. Dass das Kraut, das im Garten wächst, nicht nur Beete verschandelt, sondern zum Wiesensalat verarbeitet werden kann, setzt eine Kenntnis der Pflanzen voraus, die viele sich nie angeeignet (oder wieder verloren) haben. Ein kleiner Ratgeber ist Christine Schneiders Buch „Wildkräuter finden“. Bärlauch, Löwenzahn, Rotklee und andere Wald- und Wiesenkräuter lassen sich einfach zu Gewürzmischungen, Tees oder Salaten verarbeiten.

Daniela Wattenbach Heimat im Glas, Südwest, 18 Euro

Michelle Keogh Einfach Dörren & Trocknen, Ulmer, 19,90 Euro

Christine Schneider Wildkräuter finden, Ulmer, 9,90 Euro

So machen Sie Hagebuttensenf

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Foto: Südwest-Verlag
Foto: Südwest-Verlag

Aus dem im Artikel besprochenen Buch „Heimat im Glas“: Hagebuttensenf. Schmeckt toll zu Käse oder im Salat.

 

Zutaten

800 g Hagebutten, 5 Gundermannstängel (fein gehackt), 5 Stängel Kleiner Wiesenknopf (fein gehackt), 5 Thymianzweige (fein gehackt), 2 kleine Orangen, 80 g Senfpulver, 3 TL Ackersenfsamen, 50 g brauner Zucker, 2–3 EL Apfelessig, Salz.

So geht’s

1. Legen Sie die Hagebutten in ein Sieb und waschen Sie sie kurz unter fließendem Wasser ab. Blütenköpfchen und die Stielansätze mit einem scharfen Messer abschneiden.

2. Die Früchte in einen Topf geben und mit 350 ml Wasser zugedeckt etwa 30 Minuten weich kochen.

3. Die Masse kurz auskühlen lassen und dann alles durch ein feines Sieb oder eine Flotte Lotte streichen.

4. Die Kräuter kurz waschen, gut trocken schütteln oder mit einem Küchentuch abtupfen. Die Blätter von den groben Stängeln zupfen und die Kräuter hacken.

5. Die Orangen auspressen und den Saft mit Senfpulver, Ackersenfsamen, Zucker, Essig und Salz verquirlen.

6. Das ausgekühlte Hagebuttenmark in die Orangenmischung einrühren und die fein gehackten Kräuter hinzufügen.

7. Die fertige Senfmischung nochmals unter Rühren 2 Minuten lang kochen, die Masse danach sofort in vorbereitete Gläser füllen und fest verschließen.

Der Hagebutten senf muss noch kurze Zeit „reifen“, wodurch er milder im Geschmack wird. Er hält sich im Kühlschrank etwa vier Monate. Schmeckt auch als Salatdressing: 3 EL Hagebuttensenf, 6 EL Olivenöl, Salz Pfeffer, eine kleine, fein geschnittene Zwiebel und 3 EL Apfelessig gut vermischen und über den Salat geben.

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