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Eurovision Song Contest: Sollte die Ukraine den ESC gewinnen? Ein Pro und Contra

Eurovision Song Contest

Sollte die Ukraine den ESC gewinnen? Ein Pro und Contra

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    Für die Ukraine tritt die Band Kalush Orchestra  beim Eurovision Song Contest (ESC) in Turin an.
    Für die Ukraine tritt die Band Kalush Orchestra beim Eurovision Song Contest (ESC) in Turin an. Foto: Andres Putting, EBU/dpa

    Pro: Auch für solche Gesten ist die Popmusik da

    Was kann bei einer Veranstaltung wie dem Eurovision Song Contest im besten Fall herauskommen? In all den Jahren zuvor könnte man sagen: Kunterbunte internationale Unterhaltung halt, ein bisschen Grund, sich aufzuregen sowieso, weil bestimmte Länderkoalitionen sich in Abstimmungen immer bestätigen, und vielleicht mal eine musikalische Entdeckung wie 2019 mit „Soldi“ von Mahmood“, das der damalige Rechtsausleger an der Regierung im Herkunftsland Italien am liebsten vermieden hätte. So kann hinzukommen: Dann und wann auch noch ein berührender Moment, der eben meist auch politischen Hintergrund hat. Von Nicoles „Ein bisschen Frieden“ bis zu den regelmäßigen Diversitätsfesten etwa mit Drag Queens wie Österreichs Conchita Wurst, einem Triumph, der bekanntlich in Russland auf Hass und Häme stieß. Also: A bisserl politisch soll’s als gesamteuropäisches Fest ja immer sein, a bisserl politischer ist es immer wieder mal geworden. Wer jedenfalls auf einen wahrhaft aufs rein Künstlerische setzenden Wettbewerb Wert legt, schaut anderes, sucht Ernsthafteres als diese Show.

    Was bedeutet das nun für diese Ausgabe, die ohnehin im Zeichen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine steht? Kann es Wichtigeres geben, als diese betont europäische Bühne für ein diesmal explizit politisches Signal der Einigkeit zu nutzen? Ein Pochen auf den Selbstzweck der Kunst? Beim ESC? Wäre nicht sogar ein außerordentliches Signal, dass die Siegernation ja auch immer die Ausrichtung im kommenden Jahr gewinnt – dass also alle mit „Zwölf Punkte für die Ukraine“ zeigen, dass sie gemeinsam auf ein buntes Fest in Freiheit im Mai 2023 beim ESC in der Ukraine hoffen? Ja jedenfalls, auch für solche Gesten ist die Popmusik da!

    (Wolfgang Schütz)

    Contra: Das würde den Wettbewerb zum bloßen Konzert machen

    Der Kollege hat recht: Ein aufs „rein Künstlerische“ setzender Wettbewerb ist der ESC allenfalls seiner Grundidee nach als Wettbewerb der Komponisten und Textdichter. Und natürlich wäre es ein außerordentliches Signal, würde die Ukraine gewinnen – und im Mai 2023 den ESC in Kiew veranstalten wie zuletzt 2017 (sollte es die Ukraine dann noch als freies Land geben).

    Gerade dieses Signal kann man aber auch senden, ohne dass die Ukraine auf Platz eins gevotet werden müsste: Mit Einverständnis des Gewinnerlandes und des Veranstalters Europäische Rundfunkunion (EBU) ist das kein Problem. Selbst wenn die EBU ständig betont, unpolitisch zu sein – als sie bereits einen Tag nach Beginn des Überfalls auf die Ukraine Russland vom ESC 2022 ausschloss, tat sie das mit der durchaus politischen Begründung: „Wir setzen uns dafür ein, die Werte eines kulturellen Wettbewerbs zu schützen, der den internationalen Austausch und die Verständigung fördert, das Publikum zusammenbringt, die Vielfalt durch Musik feiert und Europa auf einer Bühne vereint.“ Die EBU kann also, wenn sie nur will.

    Was dagegen nicht ernsthaft gewollt sein kann, ist, die ukrainische Band Kalush Orchestra gewinnen zu lassen. Das würde den Wettbewerbscharakter des ESC vollends ad absurdum führen (absurd ist die Punktevergabe ohnehin) – und ihn zum bloßen Konzert machen. Auch nett, aber was anderes. Es wäre wie Olympische Spiele ohne Medaillen, wie ein Freundschaftsspiel von Fußball-Nationalteams, bei dem nicht mal die Treffer registriert würden. Vor allem: Es wäre ungerecht allen anderen ESC-Teilnehmerinnen und -teilnehmern gegenüber, die ihren Beitrag unter denselben Voraussetzungen zur Abstimmung stellen können müssen.

    (Daniel Wirsching)

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