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Sensationsfund: Fragment einer Gutenberg-Bibel in Augsburg entdeckt

Sensationsfund

Fragment einer Gutenberg-Bibel in Augsburg entdeckt

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    Das Bibel-Pergament wurde als Einband für ein anderes Buch verwendet und deshalb erst so spät entdeckt.
    Das Bibel-Pergament wurde als Einband für ein anderes Buch verwendet und deshalb erst so spät entdeckt. Foto: Staats- und Stadtbibliothek

    Die Gutenberg-Bibel ist eine Ikone, ist ein Symbol für ein neues Zeitalter. Vor ihr war das Mittelalter, wurden Bücher noch handgeschrieben vervielfältigt. Nach der Gutenberg-Bibel begann der Humanismus, eine Zeit, in der die Weitergabe des Wissens in Europa nicht mehr an die Klöster gekoppelt war. Wissenschaftler vermuten, dass Johannes Gutenberg im Frühjahr 1455 etwa 180 bis 190 Exemplare seiner Bibel in Mainz druckte, rund 150 auf Papier, zwischen 30 und 40 auf Pergament.

    Und dafür, dass die Auflage so gering war und gleichzeitig der zeitliche Abstand so groß ist, sind relativ viele Exemplare überliefert – 49 fast vollständig und 14 fragmentarisch. Nun kommt ein 15. Fragment hinzu, das ist in Wissenschaftskreisen eine Sensation.

    Gefunden hat dieses 15. Fragment der Diplom-Bibliothekar Wolfgang Mayer in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg in der denkbar kleinsten Überlieferungsform: Genau ein Blatt kam ihm in der Bibliothek plötzlich zu Gesicht. Dass es bislang niemandem aufgefallen war, lag an der Zweckentfremdung des Pergaments. Die stabile Seite wurde irgendwann als Einband eines anderen Buchs verwendet. „Das war früher so üblich“, erzählt Mayer. Warum auch immer: Die einzelnen Seiten dieses Gutenberg-Bibel–Exemplars wurden aus dem Buch herausgelöst. „Und sehr wahrscheinlich wurden mit den anderen Pergamentseiten dieses Exemplars weitere Bücher eingebunden. So sparte man Geld“, sagt Mayer.

    Wann die Bibel zerteilt wurde, ist unbekannt

    Eingebunden wurde mit der Gutenberg-Seite ein Buch aus dem frühen 17. Jahrhundert. Wann die Gutenberg-Bibel dafür zerteilt wurde, kann Mayer nicht sagen. Von früheren Bibliothekaren wurde auf dieser Seite auch eine Bibliothekssignatur angebracht. Dass der Einband einmal dem eingebundenen Buch die Show stehlen würde, daran dachte damals niemand. Es steht auf dem Blatt 310 der Gutenberg-Bibel ja auch nirgends, woher es stammt und was es mit ihm auf sich hat.

    Als Mayer es in den Händen hielt, sah er sofort, dass es sich dabei um die Gutenberg-Schrifttype seines Bibel-Drucks handelte. Sofort war er von dem Fund elektrisiert. Nach nur zehn Minuten eingehender Begutachtung und Recherche konnte er feststellen, dass es sich hier um ein bislang unbekanntes Bibel-Exemplar handeln muss.

    Das Blatt kann auch einer Werkstatt zugeordnet werden

    Wie sich Mayer in seinem Urteil so sicher sein konnte? Das Blatt 310 stammt aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, die über viele Jahrhunderte auch dem Evangelisten Johannes als Verfasser zugeschrieben wurde. Im unteren Drittel der linken Spalte des Blatts befindet sich eine Zeichnung – im Initial A (für Apokalypse) ist der Evangelist Johannes dargestellt. Dazu muss man Folgendes wissen: Gutenberg hat in seinen Bibeln nur den Text der Vulgata, der maßgeblichen lateinischen Bibel-Übersetzung, gedruckt und sie so verkauft.

    Manche Exemplare, vor allem die besseren Pergament-Drucke, sind im Anschluss noch in speziellen Werkstätten bemalt worden. „Diese Johannes-Darstellung kann einer bekannten Werkstatt zugeordnet werden“, sagt Mayer. Es ist die sogenannte Pfauenwerkstatt, die in Leipzig ihren Sitz hat. Mayer vermutet, dass dessen böhmischer Gründer die Miniatur gemalt hat. Von der „Pfauenwerkstatt“ sind zwei weitere Gutenberg-Bibeln erhalten, die beide fast vollständig sind. Ein Exemplar ist im Besitz der Staatsbibliothek Berlin, das andere im Besitz der Huntington Library in San Marino (Kalifornien). Nun ist mit diesem Blatt ein drittes Gutenberg-Bibelexemplar aufgetaucht, das diese Werkstatt ausgestattet hat.

    In der Staats- und Stadtbibliothek sind schon die ersten Glückwünsche von Wissenschaftlern eingegangen. „Congratulations to Augsburg SuStBa on this spectacular discovery“ – Glückwunsch zu dieser spektakulären Entdeckung schreibt Paul S. Needham, Professor an der renommierten Princeton-University (USA) und eine Koryphäe der Gutenberg-Forschung.

    Die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg ist nun übrigens mit dem neuen Fund im Besitz von zwei Pergament-Fragmenten der Gutenberg-Bibel. Präsentiert werden beide in der nächsten Ausstellung der Bibliothek unter dem Titel „GOld und Bücher lieb ich sehr …“, die vom 19. Oktober bis zum 15. Dezember zu sehen ist. Die Bibliothek feiert mit der Ausstellung ihr 480-jähriges Bestehen. Damit ist sie die älteste fortwährend bestehende Kulturinstitution Augsburgs. Die beiden Bibel-Fragmente sind aber noch ein bisschen älter. Sie entstanden an der Schwelle von Mittelalter und Neuzeit, als handbemalte Bücher und die neue Drucktechnik noch miteinander verbunden wurden.

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