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Wissenschaft: Risiko Radon: „Die meistunterschätzte Gesundheitsgefahr in Deutschland“

Wissenschaft

Risiko Radon: „Die meistunterschätzte Gesundheitsgefahr in Deutschland“

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    Das Gas Radon ist unsichtbar, geruch- und geschmacklos – und in der Bevölkerung immer noch weitgehend unbekannt. Dabei ergab bereits 2008 eine Studie, dass Radon in Innenräumen sehr wahrscheinlich deutschlandweit etwa fünf Prozent aller Todesfälle durch Lungenkrebs verursacht – rund 1900 pro Jahr. Die Zahlen gelten heute noch als aktuell. Laut Physikalisch-Technischer Bundesanstalt (PTB) gilt Radon als zweitgrößter Risikofaktor für nach dem Rauchen.

    In vielen deutschen Regionen kann Radon (Rn) aus der Erde durch Risse und Leitungsöffnungen in Keller- und Erdgeschossräume eindringen und sich dort anreichern. Einfache Messungen können Klarheit bringen, ob in einem Haus ein Radonproblem besteht, das angegangen werden sollte. In der Außenluft ist das Element dagegen eher unbedenklich, weil es meist schnell vom Wind weggetragen wird und zerfällt. „Radon ist einer der wesentlichen Innenraumschadstoffe in Deutschland“, betont Bernd Hoffmann, Radon-Experte beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Und Hans Drexler, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), sagt: „Die Gesundheitsgefahr, die von Radon ausgeht, ist wohl die am meisten unterschätzte in

    Nach Berechnungen des BfS sind bundesweit etwa 10,5 Millionen Menschen in ihren Wohnungen einer Radonbelastung von 100 Becquerel pro Kubikmeter Luft ausgesetzt. Dieser Wert sollte nach Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht überschritten werden. Knapp zwei Millionen Menschen kommen demnach auf eine

    Am Alpenrand ist eine der höchsten Konzentrationen zu finden

    Radon, das schwerste natürlich vorkommende Edelgas, entsteht durch den radioaktiven Zerfall von Uran und Thorium in Gestein. Vor allem aus

    Was bereits hilft: Regelmäßiges Lüften

    In Räumen ist eine Messung mit einem sogenannten Exposimeter üblich, das die Exposition – das Ausgesetztsein – der Menschen misst, die sich regelmäßig in den Räumen aufhalten. Diese Messgeräte brauchen keinen Strom und zeichnen die Alphateilchen auf, die beim Zerfall von Radon entstehen, woraus sich der Wert in Becquerel pro Kubikmeter Luft ergibt. Fachleute empfehlen, die Radonkonzentration über zwölf Monate zu messen, um jahreszeitliche und andere Schwankungen zu erfassen und einen Mittelwert bilden zu können. Denn schon Unterschiede bei der Lüftung im Sommer und im Winter können den Messwert deutlich beeinflussen. Beim Verdacht auf hohe Werte kann auch kurzfristig mit aktiven Messgeräten nach Radonquellen in Gebäuden gesucht werden. 

    Ausgewertet werden die Messgeräte in speziellen Radonlaboren, die nach BfS-Vorgaben zertifiziert sind. Ein solches Labor betreibt auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Seit 2018, nach Inkrafttreten des Strahlenschutzgesetzes, hat man dort eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Radonmessungen registriert. Etwa 70 Prozent davon stammen von Arbeitgebern, die die Exposition ihrer Beschäftigten am Arbeitsplatz ermitteln wollen, teilen Anna Maria Hoffmann und Lara Bauer vom KIT mit. Die übrigen seien Privatleute.„Es gibt für Privatpersonen keine Verpflichtung, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, aber wir raten dazu, spätestens beim Erreichen des Referenzwerts 300 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft aktiv zu werden“, sagt BfS-Experte Hoffmann. Grundsätzlich helfe es schon, die betroffenen Räume regelmäßig zu lüften. Das sei immer mit einem Energieverlust verbunden und oft keine Dauerlösung, erklärt Hoffmann. Er rät stattdessen zu kleinen Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, diese seien heute keine große Investition mehr. „Damit kann man auch andere Innenraumschadstoffe bekämpfen, etwa Kohlendioxid.“

    Eine weitere Maßnahme zur Verringerung ist das Abdichten von Stellen, an denen Radon aus dem Boden eindringt, etwa Risse im Fundament, Abwasser- oder Versorgungsleitungen. Alternativ kann Radon unter dem Haus abgesaugt werden. „Da gibt es verschiedene Verfahren, die teilweise schon in anderen Ländern etabliert sind“, sagt Hoffmann. Auch innerhalb des Hauses kann eine Absaugvorrichtung installiert werden. Schließlich bestehe noch die Möglichkeit, Keller unter leichten Überdruck zu setzen, damit das Radon nicht eindringen kann.

    Problematisch sind die Zerfallsprodukte Polonium und Wismut

    Dabei ist das Gas Radon selbst nicht so problematisch, denn es wird nach dem Einatmen zum allergrößten Teil wieder ausgeatmet. Aber die Zerfallsprodukte Polonium und Wismut, die sich meist an Aerosole – also Schwebeteilchen – binden, lagern sich im Atemtrakt und in der Lunge ab und zerfallen dort. Vor allem die ausgesendete Alphastrahlung kann Erbgut von Zellen schädigen und so zu Krebs führen. Dass Radon Lungenkrebs verursacht, gilt als nachgewiesen. Aber auch andere Organe könnten möglicherweise betroffen sein, sagt Mediziner Drexler: „Wenn die Zerfallsprodukte ins Blut aufgenommen werden, können sie potenziell auch in anderen Organen Krebs auslösen, aber der Nachweis ist sehr schwierig.“

    Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Neurology publizierte Studie legt zudem den Verdacht nahe, dass ältere Frauen, die hohen Radonkonzentrationen ausgesetzt sind, ein höheres Risiko für einen Schlaganfall haben. Deren Autoren sehen dabei einen Zusammenhang mit Mutationen bei blutzellbildenden Stammzellen, die durch die radioaktive Strahlung ausgelöst werden. Eine Schweizer Studie, die vor einigen Jahren Hinweise auf Radon als Ursache von schwarzem Hautkrebs fand, ist unter Experten indes umstritten. Auch Drexler hält dies eher für unwahrscheinlich: „Durch die Haut kommt Radon nicht durch.“ Das Lungenkrebsrisiko allein ist für ihn aber Grund genug, bei hoher Radonbelastung Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Hoffmann vergleicht dies mit der Risikominderung bei der häufigsten Ursache von Lungenkrebs: „Das ist ähnlich wie beim Rauchen: Wenn man damit aufhört, geht das Gesundheitsrisiko runter.“ (Stefan Parsch, dpa)

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