„Ihr habt‘s mal wieder verkackt“, verkündet eine göttliche Stimme über Lautsprecher mit Verweis auf die weltpolitische Lage. „Aber fürchtet euch nicht, Jan Böhmermann wird kommen und eure Weltuntergangsunterstimmung in gute Laune verwandeln.“ Und dann steht er da, weiße Sneaker, silberfarbene Jacke, und freut sich, dass ihm so viele Fans in der „Hauptstadt der Bewegung“ zujubeln. „11.000 Leute, das sind mehr als die AfD in Bayern Mitglieder hat. Das ist doch schon mal was“, ruft Böhmermann und singt locker-flockig „Faschismus is back“. Damit ist der Ton für den Abend gesetzt.
Das Konzert in der Münchner Olympiahalle ist ausverkauft und Böhmermann weiß seine Fans zu unterhalten – mit lustigen Sprüchen und mehr oder weniger satirischen Liedern. „Huch, wie konnte denn das passieren? Wir waren doch demonstrieren“, heißt es im Song „Faschismus is back“, das der TV-Satiriker anlässlich der Wahlerfolge der AfD im vergangenen Herbst veröffentlichte. Können sich alle mal fragen, auch seine Fans.
Jan Böhmermann hat sich dem Kampf gegen Rechts verschrieben
Böhmermann ist bekannt für Ironie und Doppeldeutigkeit, er legt den Finger gern in die Wunde. Manche sehen in ihm einen linksliberalen Yuppie und Klugscheißer, andere verfluchen ihn als antideutschen Störenfried, der keinen Cent Rundfunkbeitrag wert ist. Doch mit seiner Satire-Sendung ZDF Magazin Royal läuft Böhmermann seit vier Jahren im Hauptprogramm – und er hat viele Fans, vor allem Millennials und Menschen der Generation X, wie sich auch beim Konzert in München zeigt. Sie feiern Böhmermann dafür, dass er die Nachrichtenlage satirisch kommentiert, sich dem Kampf gegen Rechts verschrieben hat und seine Botschaften in Lieder verpackt.

Sein bekanntester Hit „Ich hab Polizei“ kann als Kritik am Gangsta-Rap und polizeilichen Machtmissbrauch verstanden werden. In der Olympiahalle spielt ihn Böhmermann und schiebt den Rap-Song „herz und faust und zwinkerzwinker“ gleich hinterher – samt Sonnenbrille, Kapuze und Autotune. Auch der Abgesang auf den Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel „Right Time to Thiel“ und der Anti-Nazi-Song „Licht an, Licht an!“ stehen auf der Setlist. Als Stimmungsaufheller singt Böhmermann das Samba-Lied „Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?“, weil München, Radfahren, Katastrophe und so. Er liefert plakative Botschaften, kritisiert rechte Umtriebe und schwadroniert zwischendurch von seiner verletzen Künstlerseele.
Dabei kann der Satiriker ziemlich gut singen, die One-Man-Show spart er sich trotzdem und überlasst auch anderen die Bühne. Mal singen die vier Jadebuben, die im ZDF Magazin Royale immer wieder auftreten, ein Lied in linker Parker-Pali-Kluft und rechtem Bomberjacken-Outfit und fallen sich am Ende ihrer „Ode an das Hufeisen“ küssend in die Arme. Mal übernehmen Sängerinnen aus dem Rundfunk-Tanzorchester das Mikro. Als Ehrengast tritt Sänger Axel Bosse auf, beim Tourauftakt in Frankfurt holte Böhmermann den ehemaligen GDL-Chef Claus Weselsky auf die Bühne, dem er ein Lied gewidmet hat.
Nach einer Sendung über Skandale in der FPÖ laufen Rechte Sturm
Böhmermann selbst lässt sich an Seilen hochziehen, nur um einen spektakulären Absturz zu inszenieren. War natürlich eine Puppe, die da auf die Bühne geknallt ist. Trotzdem schwebt der Satiriker in Engelsflügeln herab und witzelt, er habe eine zweite Chance verdient, wie der Faschismus in Deutschland, Donald Trump und Luke Mockridge.
Ob Technobeat, Ballade, Funk oder Deutsch-Rap, musikalisch ist einiges geboten. Das Orchester unter der Leitung von Lorenz Rohde hebt mit seinem exzellenten Sound immer wieder die Stimmung und Böhmermann ruft die „verweichlichten Demokraten“ zum Tanzen auf. Aber so nacheinander runtergenudelt wirken die Songs lange nicht so lustig wie im Kontext der Sendungen, wenn sie recherchierte Themen zuspitzen. Mit diesen eckt Böhmermann immer wieder an. Mal veröffentlicht er einen rechtsextremen Polizei-Chat, mal kritisiert er den Umgang mit Geflüchteten an den EU-Außengrenzen. Als er über die Skandale der FPÖ berichtet und dem Publikum mit gewohnter Selbstironie empfiehlt, nicht immer die Nazikeule rauszuholen, sondern lieber mal ein paar Nazis zu keulen, laufen Rechte Sturm gegen ihn. Aber auch seinen Fans hält er beizeiten den Spiegel vor, etwa wenn er über Dating-Apps, Astrologie, Second-Hand-Shopping oder die Zimmerpflanzenobsession alleinstehender Großstädtern spricht.
Was beim zweistündigen Live-Konzert herauskommt? Eine Mischung aus politischem Liederabend, poppigem Orchesterkonzert und Satire-Show. Ein bisschen Klamauk und Meta-Meta, da schieben sich die Fans gern noch eine Tüte Popcorn nebenher rein. „Hier sitzen 11.000 potenzielle bayerische Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen. Söder hat es geschafft. If he can do it, you can do it“, ruft Böhmermann. Balsam für die linksliberale Großstadtseele. Danach ein kurzer Aufruf zum zivilen Ungehorsam und schon hüpft Grundi, das Grundgesetz-Maskottchen über die Bühne. Alles ironisch, aber auch ganz schön programmatisch.
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