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Premiere
11.09.2022

Dieser Messias lebt im Wohnwagen: "Jerusalem" am Staatstheater Augsburg

Sie zetteln die Revolte an, in "Jerusalem" am Staatstheater Augsburg: (von links) Alexander Küsters, Paul Langemann, Sebastian Müller-Stahl als Rooster Byron, Nélida Martinez und Sarah Maria Grünig.
Foto: Jan-Pieter Fuhr

Die neue Spielzeit beginnt mit einer deutschen Erstaufführung: Mit "Jerusalem" zeigt das Staatstheater Augsburg ein Märchen mit Rausch und Abgründen.

Wussten Sie schon, dass Jesus Christus einmal über Englands grüne Auen gewandert ist? Nun gut, zumindest behauptet das die inoffizielle Hymne des Insellands. Sportfans singen dieses alte Lied, wenn ihr Nationalteam zum Cricketspiel antritt: „Jerusalem“, nach einem Gedicht von William Blake, von 1804. „Ward das heilige Lamm Gottes auf Englands lieblichen Weiden gesehen?“, heißt es da. Und ebendieses rührende, merkwürdige Lied hat der britische Autor Jez Butterworth 2009 als Zündfunken genutzt für sein Stück „Jerusalem“. Nur: Wie gottverlassen ist die Geschichte, die er aus der Hymne strickt? Was steckt in diesem Werk, mit dem nun das Staatstheater Augsburg die Spielzeit 2022/23 eröffnet hat?

Jez Butterworths "Jerusalem" ist in Augsburg zu erleben

Das gelobte Land liegt auch jetzt und hier, bei der ersten deutschsprachigen Aufführung des Werks, im englischen Forst: Eine Fee mit Flügeln streift durch einen Wald und singt dabei das Jerusalem-Lied auf dämmerdunkler Bühne. Märchen-, fabel-, zauberhaft. Läge da nicht überall Müll am Waldboden, Bierdosen, Benzinkanister, Klopapier neben einem – Wohnwagen? Ins Licht tritt Johnny „Rooster“ Byron. Dieser Messias im Unterhemd haust in dem rostigen Campingwagen und feiert seine eigenen Messen, mit seinen – viel zu jungen – Teenie-Jüngern. Zum Techno-Gottesdienst reicht er seinem pubertierenden Schützlings-Rudel Pillen und Schnaps.

Jez Butterworth lässt mit „Rooster“ Byron eine wahre Münchhausen-Figur auftanzen, einen Menschenfänger, der Geschichten aus 1000 und einer durchtrunkenen, durchprügelten Nacht auftischen wird. Hauptdarsteller Sebastian Müller-Stahl wirft seinen Körper mit Macht in diese Gewaltrolle, als schillernder Waldschrat mit Muckis, Backenbart und Abrissbirnencharisma. Applauswürdiges Zirkusstückchen zu Beginn: Rooster spaziert kopfüber ein paar Meter auf seinen Händen. Dann mischt er sich ein Gebräu aus Milch, Alk, Pülverchen und rohem Ei – und er ext das Bierglas. Die Inszenierung drückt auf die Tube, schon in Akt eins.

Was in der Regie von Intendant André Bücker mit Charme und Schenkelklopfern deutlich wird: Dies ist auch eine Geschichte über die Faszination der Geschichtenerzähler, der Dampfplauderer. „Alle männlichen Byrons kommen mit 32 Beißerchen schon auf die Welt“, verkündet Rooster seinen Party-Jüngern. Und: Er selbst sei ja einst durch den Schuss einer Pistolenkugel gezeugt worden. „Die Queen“, verrät er jetzt und prostet gen Himmel, „hat ein Porträt von mir in Auftrag gegeben.“ Letztens, schlüpfrige Anekdote, da sei ihm übrigens eine ganze Girlband im Kollektiv an die Wäsche gegangen. „Plötzlich stehen da alle fünf Tussies der Spice Girls.“

Jez Butterworth ahnte schon, was die Brexit-Zeit bringen würde

Wahnsinnsanekdoten. Und hat Rooster nicht schon mehrmals im Leben seine Auferstehung von den Toten gefeiert? Abgestürzt ist er immer wieder, früher war er hauptberuflicher Motorrad-Stuntman. Und sind das Jesus’ Kreuzwunden, die da später im Stück an seinem Körper bluten werden, nach einer Prügelattacke? Was sich in diese Absteigergestalt nicht alles deuten lässt: Wie ein König krönt sich Rooster mit einem Bierdosenkranz. Wie Gott Thor schwingt er im Wald seine Axt.

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Aber Gottesmacht hilft ihm nicht, an seinen Wohnwagen tackert ein Duo vom Ordnungsamt eine „Eviction Notice“ – den Hinweis zum Räumungsbeschluss. Denn die feine neue Siedlung nebenan will diesen Schmutzmacher loswerden. Und Rooster setzt seine wummernden Drogen-Tanzkränzchen für Verstoßene und Außenseiter dagegen. Hier zücken sie zum Technovorschlaghammerbeat die Mistgabeln, gegen Schnösel, Bürokraten, Journaille und Geldadel. Eine gruselige Prise Gegenwart steckt in dem Werk von 2009, eine Vorahnung von Brexit-Elend, Wut- und Reichsbürgerei, noch bevor diese Begriffe überhaupt erfunden waren. Verblüffend. Die Requisite streut vor die Wald-Fototapete dazu ein Wimmelbild: Bierdosen, Paddel, Akkordeon, verkleckste Farbtöpfe, ein Schlachtfeld an der Front gegen alles, was als sauber und korrekt gilt.

Rooster Byron ist der Märchenonkel im "Jerusalem"-Wald

Die Speerspitze des Widerstands ist also ein Märchenonkel aus dem Wald? Als „märchenhaft“ hatte Intendant Bücker dieses Werk schon im Vorfeld gepriesen. Kein Märchen, aber ein Coup ist es, dass dieses West-End- und Broadway-Stück nun in Augsburg zum ersten Mal in deutscher Sprache zu erleben ist. Eigentlich wollte Hollywood das Stück zuvor verfilmen.

Hymnen hatten englische Blätter 2009 auf das Stück gedichtet, es sei das beste des Jahrhunderts – und bei dieser Fallhöhe sind zumindest kleine Abstürze und Enttäuschungen vorprogrammiert. Es dauert lange, lange partyberauschte Minuten, bis das Stück endlich seine Figuren knackt. Beim echten Gefühl packt. Dann menschelt es.

Dawn (erfrischend ernst und natürlich: Natalie Hünig) kreuzt à la „Zurück in die Zukunft“ in Jeanskleid und mit Miniplilocken auf. Sie hat einen gemeinsamen Sohn mit Rooster, also ist da noch Liebe zwischen den Eltern, dem Ex-Paar? Romantisches Knistern, Stille im Saal. Das ist doch der erste wahre Moment. Und der nächste folgt, wenn sich zwei der Party-Jungs mit einem innigen Kuss verabschieden, weil der eine nach Australien auswandern möchte. Raus aus dem Elend seines englischen Heimatkaffs.

André Bücker inszeniert eine Abenteuergeschichte der Außenseiter

Diese Rebellen leben ansonsten in einem Gestern, das es so nie gab, in einer Zukunft, an die keiner glauben mag, in Fantasien – nur niemals hier, jetzt, mit offenen Augen. Weltflucht, in Schönheit und Tragik. Der wirre „Professor“ (im dollen Spagat zwischen würdevoll und bald würdelos in Unterhose: Klaus Müller) doziert im schönsten Dichterdeutsch. Ob da in seinem Zuhause ein Diplom an der Wand hängt? Ob er ein Zuhause hat? Zweifelhaft. Und da wäre Ginger, der glaubt, er sei ein Weltklasse-DJ. Wie ein androgyner Storch in Lackhose stelzt er (herrlich tapsig: Paul Langemann) über die Bühne.

Unwohlsein grummelt bei allen Gags und allem Mitgefühl trotzdem im Bauch: Wie sehr gefällt sich das Stück selbst in der Glorifizierung der Breitbeinigkeit, in der Feier der Koks-Schnüffelei, der ollen Wild-West-Pose? Es riecht manchmal stark nach 20.15 Uhr, Tatort, Dunkelweltromantik. Und Zigarettenrauch weht ins Publikum.

Riesenapplaus für Sebastian Müller-Stahl bei "Jerusalem"

Butterworths fluchgespickte Sprache hat Michael Raab übersetzt, mit Feingefühl für Grobheit. Seine Ping-Pong-Tempo-Dialoge lassen die Figuren nicht platt klingen, sogar oft poetisch. Noch mehr Zauber zuckert Bücker mit Lichtspielen herbei, ein mannshohes Polaroidbild in der Ecke lässt geisterhafte Bilder flackern. Schließlich ist Rooster ein Mythenbeschwörer. Er verrät, dass er magische Zauberwesen auf seiner Seite weiß, sie zur Hilfe herbeitrommeln kann – wenn er denn nur wollte. Oder soll er es lieber lassen? Will man seinen Traum, seine Illusion an der Realität platzen sehen?

Einen Saisontraumstart kann jedenfalls das schonungslos aufspielende Ensemble mit dieser deutschen Erstaufführung feiern, an der Schauspielleistung der Wald- und Partytruppe ließ auch der Schlussapplaus keinen Zweifel. Riesenwirbel erntet am Ende – zu Recht – Sebastian Müller-Stahl für sein Marathon-Muskelspiel.

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