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Kommentar: Der Brexit ist für Theresa May die Mission Impossible

Kommentar

Der Brexit ist für Theresa May die Mission Impossible

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    Die britische Premierministerin Theresa May verlässt 10 Downing Street.
    Die britische Premierministerin Theresa May verlässt 10 Downing Street. Foto: Frank Augstein/AP (dpa)

    Theresa May lebt gerade anscheinend in einer Blase. Deren Hülle dämpft nicht einfach nur jegliche Geräusche, sie erstickt sie vollständig. Anders ist nicht zu erklären, dass die britische Regierungschefin sie einfach nicht hört – die lauten Rufe nach Kompromissen, die besorgten Mahnungen aus Brüssel, die aggressiven Streitereien in Westminster. Die Wut des Volks. Die alarmierenden Nachrichten aus Nordirland.

    May, offenbar taub für all dies, verfolgt stur weiter ihren Kurs, als sei nichts gewesen. Nachdem ihr Brexit-Deal in der vergangenen Woche vom Parlament regelrecht abgeschmettert wurde, präsentierte die Regierungschefin flugs einen Plan B, der nichts weiter als ein Etikettenschwindel war: May will noch einmal bei den EU-Institutionen in Brüssel vorsprechen, um weitere Zugeständnisse zu erreichen.

    Die Frage ist: Was will Theresa May eigentlich erreichen?

    Dabei tickt der Countdown zum Brexit-Tag unaufhörlich. Vor allem aber: Was will May eigentlich erreichen? Sie möchte, so viel ist bekannt, die extremen und nimmersatten Europaskeptiker befriedigen – und so einen endgültigen Bruch der Tories vermeiden.

    Aber wie soll man die befrieden? Die meisten EU-Gegner unterstützen eine Scheidung ohne formalen Vertrag. Sie scheinen nicht verstanden zu haben, was diese albtraumhafte Perspektive beinhaltet: keine Übergangsphase, keine Regelungen zum Status der EU-Bürger, keine Handelsvereinbarungen, kein rechtlicher Rahmen für buchstäblich nichts. Es ist ein politischer Kamikaze-Kurs, gefördert von den Hardlinern in den konservativen Reihen und der nordirischen Unionistenpartei DUP.

    Und ohnehin könnte jeder Deal am „Backstop“ scheitern – jener Notfall-Lösung, die eine harte Grenze zwischen Irland und der Provinz Nordirland vermeiden soll. Ausgerechnet die kontrovers geführten Debatten auf der Insel, warum es den Backstop so dringend braucht, offenbaren aber die aktuellen Widersprüche. Wahnwitzige Vorschläge wie der angebliche Plan, mit der Republik Irland einen bilateralen Vertrag zu schließen und die EU zu umgehen, offenbaren vor allem jene typische Arroganz, die der irische Nachbar häufig von der britischen Elite erfährt. Westminster verdient nach diesem jahrelangen Theater kein Vertrauen mehr – und Irland ist sich dieses Umstandes wohl bewusst.

    Großbritannien droht das absolute Chaos - nicht nur wegen des Brexits

    Die Europafreunde in Großbritannien sprechen nun oft von einem zweiten Referendum. Aber in dieser aufgeheizten Atmosphäre wäre dies genauso wenig eine Lösung wie eine Annullierung des Austritts. Die wütende Brexit-Wählerschaft pocht darauf, dass das Referendums-Ergebnis – wie vom Parlament versprochen – respektiert wird. Und sie haben ja recht: Das Parlament hat vor zwei Jahren mehrheitlich den Austrittsprozess in Gang gesetzt, nun ist es an den Abgeordneten, sich auf eine schadensbegrenzende Scheidung mit Abkommen zu einigen. Alles andere würde von einem politischen Versagen historischen Ausmaßes zeugen.

    Dass eine allzu große Zahl von Briten ihre Meinung geändert hätte, gehört ohnehin ins Märchenbuch der proeuropäischen Optimisten. Die Standpunkte haben sich vielmehr verhärtet. Zahlreiche Menschen im Königreich haben nicht nur jegliches Vertrauen in ihre politische Klasse verloren, sie glauben weder Ökonomen, Polit-Experten noch Wissenschaftlern, schon gleich nicht Vertretern aus der Wirtschaft. Warnungen vor einem ungeordneten Brexit werden verächtlich als Angstmacherei abgetan.

    Dabei droht diesem Land, zumindest auf kurze Sicht, ein absolutes Chaos. Und vielleicht gilt dies nicht nur für einen Brexit, sondern ganz generell.

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