
Die Digitalisierung ist in der Politik noch immer Neuland
Der Digital-Gipfel der Bundesregierung wird keine Fortschritte bringen. Stattdessen schießt die Politik bei der Ausstattung der Schulen erneut ein Eigentor.
Es ist nur schwer zu ertragen, wie zukunftsvergessen die deutsche Politik mit der Digitalisierung umgeht. Noch 2013 stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel allen Ernstes fest: „Das Internet ist für uns alle Neuland”. Dafür erntete sie zurecht viel Spott. Sie hatte es sicher nicht im Wortsinn gemeint. Doch sie drückte damit aus: Wir Politiker kennen uns in der Cyber-Welt nicht so aus, aber es wird wohl ziemlich wichtig werden.
Fünf Jahre später leben wir in einer völlig digitalisierten Welt. Die Menschen organisieren sich - oft zu intensiv - über das Smartphone. In der Industrie kommunizieren Maschinen miteinander. Einzelhändler oder Reisebüros kämpfen im Wettbewerb mit Online-Konkurrenten ums Überleben. Doch in der Politik ist Digitalisierung noch immer so etwas wie Neuland.
Keine Dynamik bei der Digitalisierung
Vielleicht um diese scheinbar wenig bekannte Welt besser zu verstehen, ist am Montag in Nürnberg der deutsche Digital-Gipfel eröffnet worden. Es ist bereits das zwölfte Treffen dieser Art. Früher hieß er einmal IT-Gipfel. Doch egal welchen Namen die Veranstaltung trägt: Eine Dynamik für die Digitalisierung ging von ihr bislang nie aus.
Und wie so häufig stinkt der Fisch vom Kopf. In der Bundesregierung herrscht ein heilloses Wirrwarr der Digital-Kompetenzen. Gipfel-Veranstalter ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Sicher gut gemeinte Konferenzbeiträge kommen von Ministern wie Katarina Barley (Justiz), Anja Karliczek (Bildung), Horst Seehofer (Innen) oder Hubertus Heil (Arbeit). Auch die Kanzlerin spricht. Aber wer hat denn eigentlich bei der Digitalisierung den Hut auf?
Die Antwort ist einfach: Irgendwie alle ein bisschen. Und die verschiedenen Initiativen koordinieren soll Kanzleramtsminister Helge Braun. Er leitet ab und zu die Sitzung des sogenannten Digitalkabinetts. Auch Digital-Staatssekretärin Dorothee Bär sitzt dann am Tisch. Sie war nach der Regierungsbildung von Parteichef Horst Seehofer als „vierte CSU-Ministerin” in Berlin verkauft worden, doch dann fiel sie in eine Art digitales Loch.
Künstliche Intelligenz: Deutschland ist abgehängt
Schwerpunkt des Gipfels 2018 ist die Künstliche Intelligenz. Das Motto lautet: „Ein Schlüssel für Wachstum und Wohlstand”. Wenn das stimmt - und vieles spricht dafür -, dann fragt man sich: Warum hat die Bundesregierung das erst jetzt erkannt? Denn im Forschungsfeld der Künstlichen Intelligenz haben China und die USA die Deutschen und die anderen Europäer längst abgehängt.
Hierzulande versucht man nun erst einmal, die eigene Rückständigkeit aufzuholen. Die Digitalisierung der Behörden kommt zu langsam voran. In vielen Ämtern setzt man noch immer auf Karteikarten und Besucherverkehr, statt den Bürgerservice über das Internet zu organisieren. Es wird gestritten über die Ausschreibung des superschnellen mobilen Internets (5G) und die Schul-Digitalisierung.
Bei dieser elementaren Zukunftsaufgabe schießt die Politik aktuell das nächste Eigentor. Die Schulen hinken digital hinterher. Die Hardware-Ausstattung passt nicht, selten gibt es gutes Wlan oder top-ausgebildete Lehrer. Die Bundesregierung will nun mit fünf Milliarden Euro helfen. Weil aber Bildung in unserem föderalistischen System in die Hoheit der Länder fällt, sperren sich fünf Bundesländer - darunter Bayern - gegen eine Grundgesetzänderung, die diese Investition ermöglichen würde.
Ergo: Die Kinder werden wohl noch länger auf eine bessere Ausstattung ihrer Klassenzimmer warten müssen. Es sei denn, Politiker aus Bund und Ländern lösen dieses Problem auf dem Digital-Gipfel. Aber eine dynamische Problemlösung ist in Nürnberg natürlich nicht zu erwarten.
Die Diskussion ist geschlossen.
Muss man denn auf Biegen und Brechen das Land bis in die hintersten Winkel digitalisieren? Sind wir uns der Folgen bewusst, die so etwas in sich trägt? Ganz abgesehen davon, dass sich dabei gewisse Branchen mehr als nur eine goldene Nase verdienen, denen kann es nur Recht sein, wenn nur noch gesmartphonte Gestalten durch die Gegend wischen - Hirn aus, Tablet ein. Das Denken bzw. ein natürlicher, gesunder Menschenverstand ist nur hinderlich und nicht mehr zeitgemäß. Wir werden noch unser blaues Wunder erleben, auch und ganz besonders in der Arbeitswelt. Wir haben schon heute Millionen Arbeitsloser durch Digitalisierung und Automatisierung und das ist erst der Anfang. Davon ist eigentlich nie die Rede, sondern nur von exorbitanten Umsätzen und Höchstkursen an den Börsen, ganz ohne Mensch.
Es gibt eine Alternative zur Zentralisierung, nämlich die Stärkung der Länder.
Wer ihren Anteil am gesamten Steueraufkommen erhöht, setzt sie in die Lage, mehr in die Bildung investieren zu können.
Über diesen Weg eines modernen Wettbewerbsföderalismus sollten wir verstärkt nachdenken.
Ansonsten kann man dem Kommentar nur zustimmen.
Es scheint keinen konsistenten Masterplan KI zu geben.
Und das wiegt umso schwerer, als wir schon jetzt im internationalen Wettbewerb der Standorte ein gutes Stück weit zurückliegen.
Hinter uns liegen gute Jahre. Deutschland hat ordentlich konsumiert, aber vergleichsweise wenig investiert.
Das könnte sich rächen.
Es sei denn, wir steuern jetzt um.
Aber haben wir die Dimension der Herausforderung sschon begriffen?
Ein Lackmustest hierfür wird die Wahl des Nachfolgers von Merkel.
Steht er für Erneuerung?