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Kommentar: Wann spricht die Kirche endlich die Sprache der Gegenwart?

Kommentar

Wann spricht die Kirche endlich die Sprache der Gegenwart?

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    Ein Selfie mit dem Papst? Das ist heute nichts Ungewöhnliches mehr. Um in der Gegenwart anzukommen, muss sich die Kirche aber noch deutlich mehr verändern.
    Ein Selfie mit dem Papst? Das ist heute nichts Ungewöhnliches mehr. Um in der Gegenwart anzukommen, muss sich die Kirche aber noch deutlich mehr verändern. Foto: Andrew Medichini, dpa (Archiv)

    Was für ein Wunder, damals in Jerusalem: Menschen der unterschiedlichsten Völker hörten am Pfingsttag die Apostel in ihren Sprachen reden. Was für ein Jammer dagegen heute: Viele Menschen hören die Kirche nicht mehr in ihrer Sprache reden. Selbst wenn sie wollten, können sie nicht verstehen, was die Botschaft mit ihnen zu tun hat. Es sind Worte wie aus einer anderen Welt.

    Diese andere Welt hat ein Oben und ein Unten. Gesprochen wird darin nur in eine Richtung und nur von einem Prediger, der sich in allem auskennt, hin zu denen, die zu belehren sind und (ge)horchen sollen. Nachfragen sind nicht vorgesehen, Einsprüche gelten als unerhört. Denn hier spricht die Wahrheit in Person und die ist heilig und unantastbar. Kommunikation kommt auf diese Weise nicht zustande. Doch gerade sie ist die Grundlage jeder Gemeinschaft (lateinisch: Communio). Wir Menschen sind darauf angewiesen, uns einander mitzuteilen, um uns gemeinsame Ziele zu setzen und unser Zusammenleben nach gemeinsamen Werten auszurichten.

    Der Kirche laufen die Mitglieder weg

    So ist es kein Wunder, dass einer Kirche, die sich von oben herab äußert, die Mitglieder abhandenkommen. Kraft eigener Einsicht will der Zeitgenosse die Leitlinien seines Lebens bestimmen. Die Frage lautet: Was bringt es mir, gewisse Glaubenssätze und Moralgebote zu übernehmen? Sie müssen sich als lebenspraktisch erweisen.

    Es gibt inzwischen in der öffentlichen Kommunikation digitale Rückkanäle, auf denen die Leute unverblümt loslegen, wenn ihnen etwas nicht einsichtig ist. Kirchliche Repräsentanten reagieren darauf oft empfindlich, als dürfte ihnen niemals jemand widersprechen, wenn er noch dazugehören will. Glaubwürdigkeit erwächst aber nicht mehr aufgrund einer gesetzten Autorität – und mag sie sich noch so auf göttliche Einsetzung berufen.

    Diese schlichte Tatsache scheint allerdings manchen Kirchenfürsten nicht bekannt zu sein. So hat der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa zu seinem Abschied in einem Interview beklagt, seine Predigten und Hirtenbriefe seien von den Medien kaum zur Kenntnis genommen worden. Hatten sie etwas mit dem Alltag zu tun? Konnte diese Texte, ihre Sprache und Vorstellungen jeder verstehen? Rissen seine Lebensmodelle zur Nachahmung mit? Es hat schon seinen Grund, warum die Öffentlichkeit sich denjenigen kirchlichen Repräsentanten zuwendet, die sich kritisch befragen lassen, die in klaren Worten Stellung nehmen zu aktuellen Fragen und die es wagen, christliche Positionen in veränderte Situationen hinein weiterzudenken.

    Die Kirche muss Glaubwürdigkeit zurückgewinnen

    Nein, das ist kein „undiszipliniertes Daherreden“, wie Zdarsa meint. Das ist vielmehr ein notwendiger Dialog mit der Gegenwart, in der sich alte Gewissheiten rasend schnell auflösen. Der „synodale Weg“, den die katholische Deutsche Bischofskonferenz nun gehen will, ist auch kein Irrweg. Nach den erschütternden Erkenntnissen des Missbrauchsskandals muss sich die Kirche neu orientieren und in einer gewandelten Gestalt ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. „Die Nöte der Zeit werden euch lehren, was zu tun ist“, sagte Gesellenvater Adolph Kolping.

    Die Kirche wird ihre überlieferten Lehren angesichts bitterer Tatsachen kritisch überprüfen und die Zeichen der Zeit, insbesondere ihr Verhältnis zu den Frauen, mit wachem Sinn deuten müssen. Es war immer ihre Stärke, dass die Kirche in Krisen durch eine charismatische Lektüre des Evangeliums die Kraft für eine Umkehr geschöpft hat. So hat sie Franz von Assisi zu befreiender Armut angeleitet und Ignatius von Loyola zu einer geistlichen Vertiefung. Warum sollte sie der pfingstliche Geist nun nicht zu einer erneuerten Kirche anleiten?

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