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Kommentar: Warum Andrea Nahles die falsche Vorsitzende für die SPD ist

Kommentar

Warum Andrea Nahles die falsche Vorsitzende für die SPD ist

Michael Pohl
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    Andrea Nahles bei einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Europawahl.
    Andrea Nahles bei einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Europawahl. Foto: Wolfgang Kumm (dpa)

    Andrea Nahles konnte den Niedergang der SPD nicht stoppen. Der Verfall der Volkspartei beschleunigt sich sogar noch. Die Wähler haben die Sozialdemokraten, die Jahrzehnte lang für die politische Stabilität Deutschlands mitverantwortlich waren, bei der Europawahl nicht nur bundesweit auf Platz drei verbannt und an ihrer Stelle die Grünen in die linke politische Mitte gerückt. Schlimmer noch: Die Europawahl offenbart, dass die SPD all das verloren hat, was lange ihre Stärke ausgemacht hat.

    Gegner fürchteten die „Kampagnenfähigkeit“ der Partei, Stimmungen aufzunehmen, eigene Themen zu setzen, aufrüttelnde Wahlkämpfe zu führen. Vorbei. Das seit den Siebzigern gepflegte Image einer gesellschaftlichen Fortschrittspartei ist ein vergessener Mythos. Stattdessen begreifen die Genossen heute Modernisierung nur noch als Bedrohung. Charismatische Führungspersönlichkeiten sind noch größere Mangelware als bei der Konkurrenz.

    Jetzt müssen auch die Kommunalpolitiker zittern 

    Zugleich zerbröselt von Wahl zu Wahl das starke personelle und machtpolitische Fundament in Kommunen und Bundesländern: In neun der zehn größten deutschen Städte wurden die Grünen bei der Europawahl stärkste Partei. Nur in drei von 16 Bundesländern ist die SPD noch unter den beiden größeren Parteien, selbst im Stammland Nordrhein-Westfalen liegt sie hinter den Grünen. Der Absturz in der einstigen SPD-Hochburg Bremen lässt schon jetzt die Kommunalpolitiker der Partei zittern, die sich lange vom bundespolitischen Niedergang abkoppeln konnten.

    Bayerns SPD als abschreckendes Beispiel

    Denn der rasante Abwärtstrend ist keine Momentaufnahme, wie die Genossen in Bayern erleben konnten: Auch ohne „Fridays for Future“ und „Rezo-Video“ landete die SPD bei der Landtagswahl sogar hinter der AfD auf Platz fünf. Trotz einer historischen Schwäche der CSU sahen auch hier mehr Wähler eher die Grünen oder andere Parteien als die Sozialdemokraten als Alternative. In Bayern demonstriert die SPD zugleich ihre Unfähigkeit aus dem Wunsch der Wähler zu lernen und sich zu erneuern: Jene Spitzenkandidatin, die meterhoch im Wahlkampf „Anstand“ plakatieren ließ, empfand nicht, dass zu selbigem gehört, personelle Konsequenzen aus einem historischen Debakel zu ziehen und klammerte sich an ihr Vorsitzendenamt.

    Nahles kann ihrer Partei keine Perspektive mehr bieten

    Auch nach der Europawahl versucht Andrea Nahles zunächst Rufe nach einer „Personaldebatte“ zu ersticken. Dann tritt sie die Flucht nach vorn an und zieht die Wahl über ihren Bundestagfraktionsvorsitz vor. Die SPD-Abgeordneten sollten diese Chance nutzen, einen vielleicht gerade noch rechtzeitigen Wechsel für eine grundlegende Modernisierung ihrer Partei einzuleiten und die Ära Nahles zu beenden. Die Parteichefin ist zwar nicht hauptverantwortlich für den jahrelangen Niedergang der SPD. Doch Nahles kann ihrer Partei keine Perspektive mehr bieten.

    Die Vorsitzende steht für die immer gleichen Fehler

    Die Vorsitzende steht für die immer gleichen Fehler der SPD: Ein sich unter der Parteifahne der „Solidarität“ gegenseitig zerfleischendes Spitzenpersonal. Eine für die Steuerzahler teuere Politik mit Wahlgeschenken an die ältere Generation, die den Sozialetat des Bundeshaushalts explodieren lässt, ohne dass sich die „Schere zwischen Arm und Reich“ schließt. Begleitet wird dies durch einen Verlust der nötigen Wirtschaftskompetenz.

    Für eine Neuerfindung der Partei könnte es schon zu spät sein

    Die Verzweiflungskandidatur der in ihrer Kommune erfolgreichen Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange gegen Nahles im Dezember wies in die richtige Richtung: Der oder die nächste Vorsitzende sollte nicht aus der erfolglosen Riege der SPD-Bundespolitiker kommen. Doch für eine überlebenswichtige Neuerfindung der Partei könnte es schon zu spät sein.

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