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Kommentar: Wer sich integriert und arbeitet, muss bleiben dürfen

Kommentar

Wer sich integriert und arbeitet, muss bleiben dürfen

Daniela Hungbaur
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    Viele Betriebe in Schwaben haben mit Flüchtlingen gerade als Lehrlingen sehr gute Erfahrungen gemacht. Jetzt sollen mehr eine Chance erhalten.
    Viele Betriebe in Schwaben haben mit Flüchtlingen gerade als Lehrlingen sehr gute Erfahrungen gemacht. Jetzt sollen mehr eine Chance erhalten. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Der berechtigte Zorn vieler Unternehmer hat vermutlich zur Kehrtwende der CSU geführt. Viel zu lange mussten Betriebe um fleißige Mitarbeiter fürchten, nur weil sie Flüchtlinge sind. Wenn Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nun verkündet, dass Asylbewerber, die sich besonders gut integrieren, öfter arbeiten oder eine Ausbildung starten dürfen, ist das eine schwungvolle Drehung in der Asylpolitik der CSU. Endlich eine in die richtige Richtung. Denn dieses Versprechen sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein – war es aber leider in Bayern oft nicht. Es brauchte schon den Druck der Wirtschaft, aber vermutlich auch der Freien Wähler, damit sich etwas bewegt.

    Die CSU hatte zu große Angst vor der AfD und deren fremdenfeindlichen Parolen, die traurigerweise von zu vielen Menschen begrüßt werden. Und gerade mit Angst kann man in der Flüchtlingsdiskussion immer wieder erschreckend erfolgreich populistisch agitieren.

    Flüchtlinge, die in Branchen mit Fachkräftemangel arbeiten, dürfen auf Wohlwollen hoffen

    Man nehme nur die aktuelle Meldung, wonach sich unter den Flüchtlingen womöglich auch Kriegsverbrecher befinden. Keine Frage, ein ernst zu nehmender Verdacht. Klar muss sein: Straftäter unter den Flüchtlingen müssen verfolgt werden. Sie haben hier nichts verloren. Allerdings sind sie nicht die Mehrheit der Flüchtlinge. Daher dürfen sie nicht aufgrund einzelner Meldungen gleich unter Generalverdacht gestellt werden.

    Klar ist aber auch: Integration ist selten einfach. Es ist meist ein langwieriger, ein anstrengender Prozess. Das ist auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu beobachten. Es gibt mehr Flüchtlinge in Bayern, die arbeiten. Aber es bedarf meist intensiver Förderung, großen Engagements und viel Geduld. Dass Unternehmen dies alles auf sich nehmen, ist bekanntlich oft kein humanitärer Selbstzweck. Die Not an Fachkräften hat in vielen Branchen längst existenzgefährdende Ausmaße erreicht.

    Nicht ohne Grund betont auch Minister Herrmann, dass Flüchtlinge, die in einem Beruf mit besonderem Fachkräftemangel arbeiten wollen, auf Wohlwollen hoffen dürfen. Dies ist das Eingeständnis der CSU, dass es ohne Zuwanderung nicht mehr geht. Es ist die Einsicht, dass Unternehmen Planungssicherheit brauchen. Dass Bayerns Staatsregierung erst jetzt und damit sehr spät bereit ist, im Interesse der Unternehmen Zugeständnisse zu machen, ist ein Armutszeugnis.

    Innenminister Herrmann sollte für Klärung sorgen

    Wäre die Politik früher aktiv geworden, hätte sie auch viel menschliches Leid vermieden. Gerade von einer Partei, die das C im Namen trägt, hätte man das erwarten dürfen. Stattdessen schien es der CSU zu lange vor allem um Abschiebungen zu gehen – auch wenn es nicht nur Straftäter waren. Dieser selbst gepflegte Ruf als Hardliner macht es jetzt schwer, der CSU ein Umdenken zu glauben.

    Denn die Ankündigung von Herrmann allein ändert noch nichts. Zunächst müssen Beweise für eine Öffnung des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes folgen. Zumal viele Formulierungen windelweich sind: Was genau sind überdurchschnittliche Schulleistungen, die ein Flüchtling erbringen muss, um bleiben zu dürfen? Was versteht Herrmann überhaupt unter besonders gut integrierten Flüchtlingen? Reicht es ihm, wenn ein Mensch zuverlässig seiner Arbeit nachgeht? Oder muss er Übermenschliches leisten?

    Stellt sich heraus, dass Herrmanns Vorstoß ein leeres Versprechen ist und die Arbeits- und Ausbildungsgesuche der Flüchtlinge einfach nach Möglichkeit abgeschmettert werden, erwartet die Regierung hoffentlich der geballte Zorn. Und zwar nicht nur der Wirtschaft, sondern auch all der Bürger, die in der Asylpolitik Realismus und Augenmaß erwarten.

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