Es ist schon nach 23 Uhr, als in der Polizeiinspektion Mindelheim das Telefon klingelt. Kevin Ritter, der in dieser Nacht Dienst hat, nimmt den Anruf entgegen. Der Mensch am Ende der anderen Leitung möchte anonym bleiben, doch er könne das nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren, sagt er. „Ihr sucht doch einen Hund.“ Kevin Ritter bejaht: Zehn Tage zuvor war in Mindelheim ein Pudel gestohlen worden, der vor einem Supermarkt angebunden worden war. Der Fall von „Dognapping“ war durch die Presse gegangen, hatte viele Menschen bestürzt.
Extrem viele Mitteilungen waren daraufhin bei den Beamtinnen und Beamten der Mindelheimer Polizeiinspektion eingegangen. Auch Zeugen, die auf dem Supermarktparkplatz gewesen waren, hatten sich gemeldet: Sie hatten offenbar beobachtet, wie eine Frau den angeleinten Hund genommen und in ihr Auto gepackt hatte. Die Zeugen hatten sich zunächst nichts dabei gedacht, waren davon ausgegangen, dass es sich um deren Tier handelte. Erst als sie in den Medien von dem Diebstahl des Hundes lasen, wurden sie skeptisch.
Zehn Tage nach dem Dognapping kam der entscheidende Hinweis
Der entscheidende telefonische Hinweis kommt zehn Tage nach der Tat: Er passt zu den anderen Zeugenhinweisen, und so machen sich Kevin Ritter und sein Kollege David von Dohlen noch in der Nacht auf den Weg zu den mutmaßlichen Hundedieben. Bestürzt seien die gewesen, als gegen Mitternacht die Polizei bei ihnen geklingelt habe, erinnert sich Polizeiobermeister Ritter. Doch sie hätten das Tier schnell und ohne Widerworte herausgegeben. Dass es sich dabei um Nika handelte, war für die Polizei schnell klar.
Statt den Hund ins Tierheim zu bringen, beschlossen Ritter und von Dohlen kurzerhand, Nika direkt zu ihrer Besitzerin nach Mindelheim zu fahren. „Wir haben ganz schamlos nach ein Uhr nachts bei der Halterin geklingelt“, sagt Kevin Ritter und grinst, doch das Lächeln von Tetiana Ignatenko ist Beweis genug dafür, dass das für sie kein Problem darstellte. Im Gegenteil: „Spasibo“, danke, sagt sie zu beiden Polizisten und drückt ihnen die Hände, während sie gleichzeitig halb lächelt, halb zu weinen beginnt. Auch den Medien gilt ihr Dank: Ohne den Aufruf wäre niemand auf Nika aufmerksam geworden.
Der Hund ist für seine Besitzerin wie ein Kind
Zehn Tage lang hatte sie um ihren sechs Jahre alten Pudel geweint, der sie im Krieg in der Ukraine, bei den Bombardierungen und bei der Flucht von Tschernihiw nach Deutschland begleitet hatte. „Sie ist wie ein Kind für mich“, sagt die 73-jährige Witwe über ihren Pudel, den sie schon als Welpen bekommen hatte. „Ich bin so froh, dass sie wieder da ist!“ Als ob sie es sich selbst noch beweisen müsste, drückt sie Nika, die die ganze Zeit auf ihrem Schoß sitzt, noch einmal fest an sich.
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