Startseite
Icon Pfeil nach unten
Mindelheim
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport
Icon Pfeil nach unten

Schach: Was ein Schiedsrichter beim Schachturnier erlebt

Schach

Was ein Schiedsrichter beim Schachturnier erlebt

    • |
    Seit 1991 ist Christian Krause als Schiedsrichter beim Chessorg Schachfestival in Bad Wörishofen dabei. In dieser Zeit hat er einige Betrüger überführt und wundert sich dabei immer wieder.
    Seit 1991 ist Christian Krause als Schiedsrichter beim Chessorg Schachfestival in Bad Wörishofen dabei. In dieser Zeit hat er einige Betrüger überführt und wundert sich dabei immer wieder. Foto: Max Kramer

    Wo professionell gesportelt wird, da kann es zu Betrügereien kommen – das gilt für schwalbende Fußballer und dopende Radfahrer, aber auch Schachspieler, die mitunter perfide Methoden ausklügeln, um sich am Brett einen möglicherweise entscheidenden Vorteil zu verschaffen.

    Christian Krause kennt sie alle. Der 76-Jährige ist seit 1983 Schiedsrichter im internationalen Schachverband Fide – und als solcher auch beim 35. Chessorg Schachfestival, das seit vergangenem Freitag knapp 400 Spieler aus der ganzen Welt in die Kneippstadt gelockt hat. (Lesen Sie hier: Wenn plötzlich sogar Kaffee schmeckt) Für Krause ist es bereits das 29. Turnier im Kurhaus.

    Eigentlich halten sich die Spieler an Regeln. Eigentlich.

    Eine Zeitspanne, in der der erfahrene Regelhüter schon einige Male eingreifen musste. „Eigentlich halten sich die Spieler hier an die Regeln. Wenn aber in der fünften Stunde das geistige Gleichgewicht etwas wackelt, dann kann es schon einmal zu emotionellem Fehlverhalten kommen“, sagt Krause. Es gebe einen Standardfall: „Ein Spieler fasst eine Figur an, will sie dann aber doch nicht ziehen – das ist ein Streit, der oft frustrierend ausgeht, da steht Aussage gegen Aussage. Da muss man dem Leidtragenden sagen, dass er Pech gehabt hat.“

    Fälle wie dieser sind nicht selten und für die Betroffenen ärgerlich, im Verhältnis aber noch harmlos. Gravierendere Regelverstöße sind trotz vielfältiger Vorkehrungen aber relativ unkompliziert möglich – Stichwort Smartphone. „Man geht in die Toilette, schaut sich die neuesten Züge an – das Mobiltelefon kann gut Schach spielen“, sagt Krause. „Solche Fälle sind aber schwer nachweisbar.“

    Manchmal gelingt es aber doch, so wie beim Bad Wörishofer Schachfestival vor einigen Jahren. „Mein Schiedsrichter-Kollege ist einen Kopf größer als ich und hat damals bei einem Verdächtigen über die Toiletten-Kabine geschaut. Da haben wir ihn direkt erwischt.“ Außer dem Ausschluss vom Turnier hatte der Verstoß für den Betrüger keine größeren Konsequenzen.

    Bei Verdacht kann er eine Leibesvisitation anordnen

    Kommt ein Verdacht auf, kann Krause als Hauptschiedsrichter Taschen- und sogar Leibesvisitationen anordnen. „Das tue ich aber nur, wenn ich ziemlich sicher bin. Wenn ich nichts finde, bin ich blamiert.“ Die Beschuldigten hätten zwar das Recht, sich zu weigern. „Aber dann kann ich sie rausschmeißen. Das ist eine sehr heiße Geschichte, die man vermeiden will.“ Bei bekannten Betrügern handele man entsprechend präventiv. „Ich habe einen Spieler, der zuvor erwischt worden war, einmal demonstrativ so scharf beobachtet, dass er mir von sich aus eine Leibesvisitation angeboten hat.“

    Der Grund, warum die meisten Schachspieler überhaupt betrügen, liegt für Krause inzwischen auf der Hand: „Es geht immer um das Ego.“ Vor vielen Jahren sei er bei einem Turnier in Italien dabei gewesen. „Da hat sich ein Spieler den Sieg erkauft, damit er zuhause im Kaffeehaus sagen kann, dass er jetzt etwas gewonnen hat.“ Viele Leute seien bereit, ihre Schach-Existenz aufzugeben – „nur, um zu erzählen, was für tolle Hechte sie sind.“ Im großen Schach gehe es zwar manchmal auch um Geld. In Bad Wörishofen, wo der Sieger 1000 Euro Preisgeld gewinnt, aber nicht. „Das ist es nicht wert.“

    Das Anforderungsprofil für Schiedsrichter hat Krause, der aus Mühldorf am Inn stammt und Ehrenmitglied im Deutschen Schachbund ist, klar umrissen: „Man muss emotionsfrei und durchsetzungsstark sein.“ Dann handele er auch härter, „aber nicht von Anfang an. Ich darf nicht Schiedsrichter sein, um den Spielern Bescheid sagen zu dürfen, was sie tun sollen.“

    Auch heuer gibt es in Bad Wörishofen einen Aufreger

    Beim diesjährigen Turnier ging es bislang ruhig zu. Für Aufregung sorgten lediglich zwei Italiener, die zu ihrer Partie nicht auftauchten, weil sie sich auf ein Remis geeinigt hatten.

    Da dies nicht erlaubt ist, schritt Schiedsrichter Krause ein: Keiner der beiden bekam Punkte. Dabei hätte nur ein Zug auf jeder Seite schon zum Remis gereicht.

    Außer einer Aufwandsentschädigung bekommt Krause, der nächstes Jahr in Bad Wörishofen voraussichtlich sein 30-jähriges Jubiläum feiern wird, für sein Engagement übrigens nichts. „Ich habe meine Tätigkeit immer als mögliche Altersvorsorge aufgefasst – nicht vom Geld her, sondern, um fit zu bleiben.“ Er habe dabei einen Grundsatz: „Wenn ich etwas tun will, dann tue ich es. Wenn ich es nicht tun will, dann bin ich auch nicht bezahlbar.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden