
"Wir machen auf_merksam": Protest-Aktion des Einzelhandels sorgt für Entrüstung und Verständnis

Plus Die Einzelhändler leiden unter dem Corona-Lockdown. Mit Plakaten in Schaufenstern und in den Sozialen Medien polarisieren sie jetzt. Mit dabei ist auch ein Modehaus aus Illertissen.

Selten hat ein Facebook-Beitrag des Modehaus Rimmele in Illertissen so viel Reaktionen bekommen, wie dieser schwarze Satz auf gelbem Grund: „Wir machen auf_merksam.“ Adrian Nas, der Besitzer des Modehauses in Illertissen, beteiligte sich an der deutschlandweiten Aktion zweier Unternehmer am Montag. Das Ziel der Kampagne: Aufmerksam machen auf die existenzgefährdende Situation des stationären Einzelhandels durch die Corona-Pandemie-Maßnahmen. „Es droht nicht nur das Aus dieser Betriebe, sondern es gleicht einem staatlich angeordneten Berufsverbot“, wird auf der Seite der Aktion weiter beschrieben.
Viele denken, die Inhaber würden tatsächlich öffnen
In den Kommentaren unter dem Beitrag des Modehauses schieden sich bereits am Sonntag die Geister. Einige haben das „merksam“, das in kleinerer Schrift nach dem „auf“ steht, wohl überlesen. „Der traut sich was“, „Seid ihr wahnsinnig. Das geht nach hinten los“ oder „...scheint offenbar noch genügend Kapital vorhanden sein“ sind Kommentare von Nutzern, die dachten, das Modehaus würde tatsächlich die Türen zum Verkauf öffnen. Doch die Plakataktion hatte vor allem symbolischen Wert.
Zwischenzeitlich gab es jedoch auch den Aufruf #wirmachenauf, der aus der Querdenken-Szene initiiert wurde. Dessen Initiator ruderte aber noch am Wochenende zurück: Er wolle erst noch einmal die Rechtslage überprüfen und verschob die Aktion auf den 18. Januar. Bis zu 5000 Euro Bußgeld müssen Händler nämlich zahlen, wenn sie sich den Corona-Maßnahmen widersetzen, wie es kürzlich die Inhaberin eines Modehauses in Pfaffenhofen tat.
Die Reichweite der Aktion in Illertissen war riesig
„Das Ziel war die Aufmerksamkeit der Leute zu bekommen – und das haben wir geschafft“, sagte Nas am Montagnachmittag. Sein „Wirmachenauf_merksam“-Beitrag wurde fast 600 mal geteilt und erreichte knapp 44.000 Personen. So eine Reichweite sei in der Illertisser Innenstadt nicht möglich gewesen, sagt Nas. Außerdem hängte Nas mehrere Plakate, die von den Organisatoren der Aktion entworfen wurden, in seine Schaufenster. Er hofft, die Politik bemerke die Ungerechtigkeit im Einzelhandel: „Bei Aldi, Lidl oder im V-Markt kommen am Tag zehn mal so viele Kunden wie bei uns. Und wir dürfen nicht öffnen?“ Nas distanziere sich, wie auch die Gründer von #wirmachenauf_merksam, von jeglichen Verschwörungstheorien.
Auch Susanne Preis-Ackermann, die drei Modegeschäfte, unter anderem den Laden „Mode Fashion Wave“ in Ehingen hat, berichtete von großem Interesse an der Aktion. „So viele Leute bleiben nicht einmal vor meinem Laden stehen, wenn ich Rabatte hab“, sagte Preis-Ackermann. Gegen 11 Uhr am Montag, dem offiziellen Start der Aktion, seien bereits einige Passanten stehengeblieben und hätten das Plakat gelesen. Auch in den Sozialen Medien sei die Aktion eingeschlagen. „Auf Facebook habe ich ganz viel Rückmeldung bekommen“, erzählte die Inhaberin. Auch die Organisatoren selbst kamen am Montagmittag kaum hinterher, die ganzen Beiträge durchzuschauen, wie sie erzählten.
Wir machen auf_merksam: Organisatoren kritisieren Vorpreschen Einzelner
Uwe Bernecker ist einer der beiden Organisatoren und hauptberuflich Geschäftsführer einer Textilfirma. Vor fünf Tagen hat er zusammen mit dem Aichacher Unternehmer Günter Nowodworski die Plakataktion ins Leben gerufen. „Wir wollten niemanden gefährden. Sondern eine zeitgemäße, digitale Demonstration“, erklärte Bernecker. „Unsere Branche hat ein gigantisches Problem. Nicht nur, weil sie nicht arbeiten kann, sondern da alle auf ihrer Ware sitzen bleiben.“
Entgegen der Aussage der Regierung im Frühjahr, der Einzelhandel müsse nicht mehr schließen, musste er es jetzt doch: Die Folge seien Berge an bestellten Waren, die man nicht losbekomme. Mit "wirmachenauf_merksam" wollten die Gründer mit den Bürgern und der Politik ins Gespräch kommen. Das Vorpreschen einzelner Händler, die einfach öffnen wollen, würde nichts bringen, so Bernecke. Auch die abgesagte Aktion #wirmachenauf, sieht der Geschäftsführer kritisch. „Man kann ja nicht jemanden, von dem man etwas möchte, ins Gesicht schlagen.“ Mit dem plakativen Satz und dem kleingeschriebenen Zusatz „merksam“ wollten Bernecke und Nowodworski polarisieren: „Erst kommt die Entrüstung und dann das Verständnis“, sagte Bernecke. Er habe das Gefühl, es werde sich etwas tun und die Politik habe das Problem wahrgenommen.
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