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Staatsanwaltschaft ermittelt: ICE entging offenbar nur knapp einer Katastrophe

Staatsanwaltschaft ermittelt

ICE entging offenbar nur knapp einer Katastrophe

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    Nach dem Zug-Unfall auf derKölner Rheinbrücke hat die Deutsche Bahn AG am Freitageinen Teil ihrer ICE 3-Züge zur technischen Überprüfung in dieWerkstätten geholt.  Archivbild
    Nach dem Zug-Unfall auf derKölner Rheinbrücke hat die Deutsche Bahn AG am Freitageinen Teil ihrer ICE 3-Züge zur technischen Überprüfung in dieWerkstätten geholt. Archivbild

    Von Peter Stöferle Augsburg/Köln Es schien zunächst eher ein Bagatellunfall zu sein: Bei der Ausfahrt aus dem Kölner Hauptbahnhof sprang ein Teil des ICE 518 an einer Weiche aus dem Gleis; weil aber der hintere Zugteil noch am Bahnsteig war, konnten die 250 Fahrgäste - zwar erschrocken, aber unverletzt - problemlos aus dem ICE aussteigen.

    Der Vorfall vom Mittwoch erscheint seit gestern in einem anderen Licht: Möglicherweise sind die Reisenden nur knapp einer Katastrophe entgangen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

    Auslöser hierfür waren die Schilderungen von "mehreren Reisenden", sie hätten bereits kurz nach der Abfahrt am Frankfurter Flughafen-Bahnhof die Zugbegleiter auf "ungewöhnliche Geräusche" hingewiesen, sagte Oberstaatsanwalt Günther Feld gegenüber unserer Zeitung: Das Personal habe erwidert, so etwas komme immer mal wieder vor und habe nichts zu bedeuten. Der ICE 518 (Augsburg ab 12:04 Uhr, Ulm 12:51 Uhr) setzte seine Fahrt fort - über die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Köln, wo er bis zu 300 km/h fährt.

    Die Bahn wies "Spekulationen" über ein "angebliches Fehlverhalten" der Zugbegleiter in einer schriftlichen Stellungnahme als "schlichtweg falsch" zurück. Das Personal sei vielmehr "entsprechenden Kundenhinweisen nachgegangen" und habe "gemäß den Vorschriften die notwendigen Maßnahmen ergriffen". Später präzisierte eine Bahn-Sprecherin diese "Maßnahmen": Die Zugbegleitern hätten bei der Abfahrt in Köln auffällige Geräusche gehört und den ICE per Notbremse gestoppt; er sei "anschließend" mit einem Achsbruch aus dem Gleis gesprungen. "Ob das eine die Ursache des anderen ist, wird derzeit ermittelt."

    Die Achse, sagte Oberstaatsanwalt Feld, sei "unmittelbar am Rad komplett abgebrochen".

    Zwischen den ersten angeblichen Geräuschen und dem Stopp im Schotterbett liegen 64 Minuten und 170 Kilometer.

    Eine Vorstellung davon, was hätte passieren können, wenn die Achse vor oder nach Köln bei voller Fahrt gebrochen wäre und nicht bei etwa 25 km/h an der Bahnhofsausfahrt, gibt es seit dem Unfall von Eschede 1998 - ein Vergleichsszenario allerdings, zu dem sich die Bahn ausdrücklich nicht äußern wollte.

    Ein Achsbruch sei "das Gefährlichste", was im Bahnverkehr passieren könne, sagte der Professor für Schienenfahrzeuge, Markus Hecht, dem Berliner Tagesspiegel. Beim Bruch einer Achswelle in der Kurve wäre der Zug möglicherweise entgleist und von der Strecke abgekommen. Der Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin räumte aber ein, dass eine Entgleisung bei voller Fahrt - vor allem auf gerader Strecke - nicht zwangsläufig zu einem Unglück hätte führen müssen: "Womöglich werden die Fahrgäste nur ordentlich durchgeschüttelt."

    Seit dem Bruch eines sogenannten Radreifens in Eschede prüft die Bahn ihre Hochgeschwindigkeits- und Neigetechnik-Fahrwerke regelmäßig per Ultraschall. Nach 240 000 bis 300 000 Kilometern - etwas mehr als die halbe Jahresfahrleistung - kommen alle Radsätze des ICE auf den Prüfstand. Die 67 ICE-3-Züge, seit der Expo 2000 im Dienst, "haben zusammen drei Milliarden Kilometer zurückgelegt, und bislang ist kein einziger Riss an einer Achse aufgetaucht. Das ist lückenlos dokumentiert", versicherte eine Bahn-Sprecherin gegenüber unserer Zeitung.

    Bahn-Personenverkehrsvorstand Karl-Friedrich Rausch hatte in der Nacht zum Freitag eine "zusätzliche technische Überprüfung" der betroffenen ICE-3-Züge angekündigt: Die Sicherheit der Fahrgäste und die "zweifelsfreie Einsatzfähigkeit der Züge" hätten "oberste Priorität". 61 Züge wurden aus dem Verkehr gezogen; nur sechs ICE, die erst vor kurzem kontrolliert worden waren, blieben auf den Strecken.

    Die zusätzliche Ultraschall-Untersuchung dauert für einen kompletten Zug etwa acht Stunden; drei Werke stehen bundesweit zur Verfügung. Zwar kehrten schon am Freitagabend einige Züge zurück, doch erst Mitte nächster Woche werden alle wieder im Einsatz sein.

    Die Bahn, das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde und die Industrie seien "sehr interessiert", jeden Zweifel an den Zügen auszuräumen, betonte die Sprecherin. "Die Hersteller verkaufen diese Züge ja nicht nur an uns" - und international steht das Konsortium um Siemens in harter Konkurrenz zum französischen TGV.

    Parallel zu den Ermittlungen in Köln untersuchen Staatsanwälte noch immer den Unfall bei Fulda, wo am 26. April ein ICE in eine Schafherde gerast und im Landrückentunnel mit 200 km/h entgleist war. Damals war eine Warnung des Lokführers eines kurz zuvor entgegenkommenden Zuges möglicherweise nicht schnell genug weiter gegeben worden. Auch damals sind die Fahrgäste möglicherweise nur knapp einer Katastrophe entgangen.

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