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Tödliche Keime: Interview: Kampf gegen multiresistente Keime

Tödliche Keime

Interview: Kampf gegen multiresistente Keime

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    Eine Indikatorkulturplatte zum Nachweis von resistenten Bakterien.
    Eine Indikatorkulturplatte zum Nachweis von resistenten Bakterien. Foto: Daniel Karmann/Archiv (dpa)

    Multiresistente Keime gelten als gefährlich bis tödlich. Das Marien-Krankenhaus Kassel will nun zur Sicherheit alle Patienten auf die Bakterien testen, die nicht auf die Behandlung mit Antibiotika ansprechen. Ist eine solche Standarduntersuchung auch im größten Klinikum des Bezirkes Schwaben, in Augsburg, vorgesehen?

    Dr. Monika Schulze: Wir versorgen circa 90000 Patienten pro Jahr stationär. Von diesen untersuchen wir seit 2006 all jene mit bestimmten Risikofaktoren auf multiresistente Keime. Alle Patienten flächendeckend zu analysieren, wird nicht empfohlen, weil dies sehr aufwendig wäre und auch in falsche Sicherheit wiegt. Wir können nur auf einige wenige Erreger untersuchen. Wichtiger ist dagegen, dass unser Personal klare Hygienevorschriften einhält – wie etwa Händedesinfektion, Kittelpflege, das Desinfizieren etwa von Blutdruckmessgeräten, die ja immer wieder bei anderen Patienten eingesetzt werden. Damit reduziert sich das Infektionsrisiko hinsichtlich vieler Keime.

    Welche Patienten werden bei Ihnen untersucht?

    Schulze: Besonders gefährliche Erreger wie etwa die sogenannten gramnegativen hochresistenten Bakterien (MRGN) handeln sich Patienten oft im Ausland ein. Diese sind übrigens viel häufiger als der Multiresistente Staphylococcus Aureus (MRSA), der einfach nur bekannter ist. Daher haben wir insbesondere Patienten im Fokus, die vorher im Ausland medizinisch behandelt worden sind. Zudem jene, die Antibiotika nehmen, aus der Tierzucht kommen oder bei denen schon einmal ein multiresistenter Keim bekannt war oder ist. Ebenfalls gefährdet sind chronisch Pflegebedürftige mit offenen Wunden oder jene, die in den letzten Monaten schon in einem Krankenhaus gewesen sind. Die genannten Risikokriterien wiesen circa 14000 unserer 90000 stationären Patienten auf. Bei diesen ließ sich in 0,5 Prozent der Fälle MRSA nachweisen.

    Welche Abteilungen sind im Besonderen von den Keimen gefährdet?

    Schulze: Häufig sind etwa Intensivstationen betroffen, weil dort besonders schwer kranke Patienten versorgt werden.

    Monika Schulze ist Oberärztin und seit dem Jahr 2003 Leiterin des Bereiches Hygiene und Umweltmedizin am Klinikum Augsburg.
    Monika Schulze ist Oberärztin und seit dem Jahr 2003 Leiterin des Bereiches Hygiene und Umweltmedizin am Klinikum Augsburg.

    Wie viele Patienten sterben jährlich in Deutschland an multiresistenten Keimen?

    Schulze: Deutschlandweit infizieren sich etwa 30000 Menschen jährlich mit multiresistenten Keimen. Wie viele tatsächlich daran sterben, ist schwer zu sagen. Denn viele dieser Menschen sind ohnehin schon vorher schwer krank oder sehr alt gewesen, sodass sich gar nicht genau sagen lässt, woran sie letztlich wirklich gestorben sind.

    Wie viele Menschen sterben pro Jahr in etwa am Klinikum Augsburg an multiresistenten Keimen?

    Schulze: Das lässt sich ebenfalls schwer sagen, aus den gleichen Gründen.

    Warum sind diese Keime so schwer zu bekämpfen?

    Schulze: Das Problem ist, dass die Bakterien resistent gegen Antibiotika sind. Diese haben sich ihre Resistenzen wahrscheinlich über Jahre durch den ungezielten Einsatz von Antibiotika bei Menschen, aber auch in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion bei Tieren gebildet.

    Gibt es einen Lichtblick bei der Behandlung dieser Keime in der Zukunft?

    Schulze: Es gibt tatsächlich Lichtblicke. Zum einen wurden neue Antibiotika entwickelt, gegen die es bislang keine oder nur wenige Resistenzen gibt. Zum anderen stagnieren derzeit die Zahlen zumindest bei MRSA-Infektionen in Deutschland – auch hier am Klinikum Augsburg. Warum das so ist, ist nicht genau geklärt. Interview: Markus Bär

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