Im Jahr 1865 geriet ein Wissenschaftler bei einer nächtlichen Ballonfahrt beim Blick auf London ins Schwärmen: Die Hauptverkehrswege erschienen ihm wie „strahlende Feuerlinien“. Die Beleuchtung übertreffe dabei das Mondlicht und konkurriere mit der Milchstraße, sinnierte er in einem in dem Wochenmagazin Illustrated London News veröffentlichten Bericht.
Waren die Londoner einst von gasbetriebenen Straßenlampen fasziniert, gehören die honiggelb flackernden Laternen heute zum historischen Erbe der Metropole. Organisationen und Aktivistengruppen wie die Victorian Society und die London Gasketeers fordern deshalb, dass alle verbliebenen Straßenleuchten dieser Art in der City of Westminster nicht mit LEDs, sondern weiterhin mit Gas beleuchtet werden – und verzeichnen Erfolge.
Vier historische Laternen wurden unter Denkmalschutz gestellt
Mitte Februar wurden vier historische Laternen in dem Unterhaltungsviertel Covent Garden, die zu Beginn der Herrschaft von König George V. im Jahr 1910 installiert wurden, unter Denkmalschutz gestellt und werden damit vorerst weiter durch Gas erhellt, wie die Stadtverwaltung zusicherte. Die Aktivisten hoffen nun, dass darüber hinaus weitere Exemplare in ihrem Originalzustand verbleiben. „Dies sind seit 40 Jahren die ersten Gaslaternen in Westminster, die gelistet wurden“, sagte Tim Bryars von den London Gasketeers und sprach von einem Meilenstein.
Weil sich viele Briten für dieses Erbe einsetzten, ruderte der Stadtrat von Westminster bereits 2022 mit seinen Modernisierungsplänen zurück und versprach, 174 denkmalgeschützte Gasleuchten zu erhalten. Die restlichen 94 sollen erneut durch die staatliche Denkmalpflegebehörde Historic England geprüft und, je nachdem wie die Bewertung ausfällt, erst danach auf LED umgestellt werden. Dabei solle der weiche Schein nachgeahmt und die Laternen mit Nachbildungen von Glühfäden, Röhren und Uhren ausgestattet werden, hieß es.
Austausch der Lampen soll Kohlendioxid senken
Der Stadtrat begründete die geplante Maßnahme mit der Sorge, dass sich die Reparaturen an den Leitungen, die die Laternen mit Gas versorgen, immer weiter verzögern. Da die Straßen dadurch über längere Zeit im Dunkeln blieben, stelle dies ein Sicherheitsrisiko für Anwohner und Besucher des Bezirks dar. Der Austausch der Lampen sollte außerdem dazu beitragen, das Ziel der CO2-Neutralität bis 2030 zu erreichen, weil diese Kohlendioxid ausstoßen.
„Wir wissen, dass vielen Menschen das Erbe unserer Stadt genauso am Herzen liegt wie uns“, betonte Paul Dimoldenberg, Kabinettsmitglied für Stadtmanagement und Luftqualität. „Wir warten auf die Ergebnisse der Inspektionen der nicht gelisteten Gaslaternen durch Historic England und werden abhängig von deren Empfehlungen nur die Installation von Ersatzlampen in Betracht ziehen, die den höchstmöglichen Standards an historischer Authentizität entsprechen.“
Früher mussten die Laternen von Hand ein- und ausgeschaltet werden
Zum ersten Mal vorgeführt wurde die Technik in der Londoner Prachtstraße Pall Mall durch den Erfinder Friedrich Albert Winzer im Jahr 1807. Zunächst mussten die Laternen täglich mit einer Stange von Hand ein- und ausgeschaltet beziehungsweise entflammt werden. Später wurden Zünduhren entwickelt, die wöchentlich aufgezogen werden mussten. Nachdem im Zweiten Weltkrieg viele Gaslampen durch Bomben zerstört worden waren, wurden sie nach und nach durch elektrische Laternen ersetzt. In den 1960-Jahren entschieden einige Verwaltungen, die verbliebenen historischen Lichtquellen als Zeugnisse der britischen Geschichte zu bewahren. Aufgezogen werden die rund 1300 Exemplare in London, von denen rund 270 im Stadtbezirk City of Westminster stehen, bis heute von einigen wenigen sogenannten Laternenanzündern.