In diesen Zeiten des großen Zorns, real, digital, weltpolitisch – fühlt man sich fast wie an der Fleischtheke. Beleidigende und beleidigte Leberwürste in vielen Ecken, das nächste Messer griffbereit, und wenn einer doch zerknirscht seine Schuld gesteht, dann nur in Salami-Taktik: scheibchenweise. Aktuell entschuldigt sich jedenfalls viel Prominenz.
Der Fall Anne Spiegel und die Kunst der Entschuldigung
Familienministerin Anne Spiegel trat neun Monate nach der Flut im Ahrtal erschüttert vor die Kamera,dann auf Druck zurück: „Ich möchte mich für die Fehler ausdrücklich entschuldigen“, sagte sie. Vorwürfe bleiben, mit mehr als fadem Beigeschmack. Alternativ im Angebot, die feine Englische: Demut zählt nicht zu Boris Johnsons Posen und trotz Party-Eskapaden in der Pandemie verweigert der Premier jeden Gedanken an Rücktritt. Er habe seine Strafe bezahlt und „entschuldige sich für sein Fehlverhalten“. Punkt.
Dem russischen Kart-Rennfahrer Artjom Sewerjuchin hat dagegen im Siegesjubel wohl der Arm gejuckt? Hat er auf dem Podium tatsächlich den „Hitlergruß“ gezeigt? Per Instagram bat er noch um sozial-mediale Vergebung, seinen Platz im Mini-Flitzer musste er aber räumen, jetzt schmort er bis auf Weiteres in der Parkgarage der Unentschuldigten.
Will Smith entschuldigt sich bei Chris Rock – mit Verspätung
Noch so eine nervöse Hand: Will Smith watschte bei den Oscars Quatschmacher Chris Rock vor laufender Kamera ab; und schwang Augenblicke später eine Dankesrede als bester Hauptdarsteller. Smith entschuldigte sich da beim Publikum – und erst lange Stunden danach bei Rock. Salami-Taktik eben, oder der Gang nach Cabanossi, pardon, Canossa.
Studienräten juckt hier sicher seit Textbeginn der Rotstift: „Sich entschuldigen“? Entschuldigen, also Schuld vergeben, können natürlich nur jene, die den ganzen Schaden erlitten haben. Wie heißt das Zauberwort? Um Entschuldigung ... bitten. Glaubhaft, umfassend und frühzeitig. Am besten noch bevor der Wurstkessel brodelt.