Erneut sind die Arbeiter des Foxconn-Werks in Zhengzhou wegen der strikten Corona-Maßnahmen in China auf die Straße gezogen: Am Mittwochmorgen flohen hunderte aus ihren Wohnheimen und zerschlugen Überwachungskameras, Covid-Teststationen und Polizeiautos. Die Staatsmacht reagierte mit Härte auf den Protest rund um das größte iPhone-Werk der Welt: 20 Mannschaftswagen fuhren binnen Minuten zum Ort des Geschehens, wo die Polizisten – in weiße Seuchenschutzanzüge gekleidet – mit Schlagstöcken und Fußtritten auf die Fabrikarbeiter einschlugen.
Schon vor einigen Wochen entlud sich der Frust, der sich durch fast drei Jahre „Null Covid“-Politik aufgestaut hatte. In der riesigen Foxconn-Anlage, wo über 200.000 Arbeiter einen Großteil der neuesten iPhone-Modelle weltweit produzieren, herrschen laut Augenzeugen menschenunwürdige Bedingungen. Die Arbeiter leben seit Monaten in einem sogenannten „closed loop System“, also in einem geschlossenen System: streng isoliert, ohne ausreichende medizinische Versorgung und nur mit dem Nötigsten zum Essen. Foxconn stellte Mitarbeitern höhere Löhne in Aussicht, wenn sie sich dafür entscheiden sollten, trotz der Einschränkungen zurückzukehren. Nun haben ausbleibende Bonus-Zahlungen das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.
China bleibt bei seiner Null-Covid-Strategie
Während die meisten Länder der Welt versuchen, mit dem Virus zu leben, verfolgt China unverändert eine strikte Null-Covid-Strategie mit Lockdowns, täglichen Massentests, strenger Kontrolle, Kontaktverfolgung und Zwangsquarantäne. Trotzdem hat die Zahl der Neuinfektionen gerade in den vergangenen Wochen wieder stark zugenommen. Am Donnerstag wird die Volksrepublik aller Voraussicht nach die höchsten Infektionszahlen seit Beginn der Pandemie melden. Neben den wirtschaftlich bedeutsamen Provinzen Sichuan, Chongqing und Guangdong zählt auch die Hauptstadt Peking zu den Corona-Epizentren des Landes. Dort ist der Alltag der Leute zu einem tristen Dasein verkommen: Nur jene Geschäfte, die als essenziell gelten, haben weiterhin geöffnet. Sämtliche Bars, Museen, Parks oder Schulen sind geschlossen.
Nordöstlich des fünften Stadtrings, wo die Metropole allmählich in Landstraßen und ärmliche Dörfer ausfranst, betreiben die Behörden mehrere Quarantäne-Lager. Eines von ihnen befindet sich ausgerechnet in jenem Kongresszentrum, wo noch vor zwei Jahren die Pekinger Automesse veranstaltet und als fulminanter Sieg Chinas gegen das Coronavirus gefeiert wurde. Nun sind in jenen Messehallen rund 1500 Betten für „milde Corona-Fälle“ aufgestellt worden.
In China macht sich Ohnmacht breit
Das Gelände wirkt wie eine Geisterstadt. Wer durch die weißen Gitterstäbe auf das riesige Areal schaut, sieht ein paar vereinzelte Gesundheitsmitarbeiter in Ganzkörperanzügen, die die Abfälle der Covid-Infizierten in knallgelben Mülltüten hinausbringen.
Neben den wirtschaftlichen Schäden, die die Bevölkerung zunehmend zu spüren bekommt, hat sich bei vielen Chinesen ein tiefes Ohnmachtsgefühl breitgemacht. Eine junge Chinesin, die nach ihrer Infektion umgehend in ein Quarantäne-Spital gebracht wurde, erzählt, wie sie verzweifelt sämtliches Trockenfutter und Katzensand auf den Boden ihres WG-Zimmers gestreut habe – in der Hoffnung, dass ihre Haustiere die Zeit überleben werden, ehe sie wieder aus der Zwangsquarantäne entlassen wird. In einem Posting hat ein chinesischer Nutzer den Frust der Bevölkerung mit dem Titel „Zehn Fragen an die nationale Gesundheitskommission“ aufgeschrieben. Sein Text wurde millionenfach geteilt. Dort fragt er: „Denkt die Gesundheitskommission, dass es in Ordnung ist, ganze Regionen wie Xinjiang oder Tibet monatelang abzuriegeln?“ Statt Antworten zu geben, reagiert die Staatsführung mit flächendeckender Zensur.