Grüne und Union: Passt das auch im Bund zusammen?
Winfried Kretschmann will weiter mit der CDU regieren. Nicht alle in seiner Partei sind begeistert. Nach der Bundestagswahl könnte die Koalitionsfrage die Grünen spalten.
Winfried Kretschmann ist für die Grünen eine Kultfigur. Der Erste von ihnen, der es bis zum Ministerpräsidenten gebracht hat. Der die Partei bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg quasi im Alleingang zum Wahlsieg führte. Dessen Wort über die politischen Lager hinaus Gewicht hat. Umso bemerkenswerter ist das, was sich an diesem Gründonnerstag bei den Grünen abspielt. Die eigenen Parteifreunde suchen die Konfrontation mit ihrem populärsten Mann. Es geht um eine Richtungsentscheidung. Für Baden-Württemberg – womöglich für die ganze Republik.
Grüne und CDU verbindet mehr als es der jeweiligen Basis lieb ist
Dass Kretschmann sich in seiner Koalition mit der CDU ziemlich wohlgefühlt hat, ist kein Geheimnis. Mögen die Schwarzen für viele Grünen noch immer die dunkle Seite der Macht verkörpern, so sind sie für den 72-jährigen grundkonservativen Landesvater der geborene Bündnispartner. Aus seiner Sicht gibt es keinen Grund, sich einen anderen zu suchen.
Nun will es aber die Stärke der Grünen und die Schwäche der CDU im Ländle, dass eine weitere Option denkbar wäre, von der viele Parteifreunde auch nach der Bundestagswahl träumen: eine Koalition mit SPD und FDP unter grüner Führung. Kretschmanns Versuch, diese Ampel möglichst schnell zu umfahren, scheitert. Zum ersten Mal seit Monaten gibt es Zoff in der Partei, die am stärksten vom Durcheinander im deutschen Corona-Krisenmanagement profitiert und der Union in Umfragen auf den Fersen ist.
Winfried Kretschmann verhindert die Ampel in Baden-Württemberg mit Not
Stundenlang wird hinter den Kulissen debattiert. Der Ministerpräsident will sich keine Koalition aufzwingen lassen, doch selbst sein eigener Landesverband würde der CDU gerne den Stuhl vor die Tür stellen und stattdessen mit Sozialdemokraten und Liberalen gemeinsame Sache machen. Am Ende kann Kretschmann die Sache doch noch in seinem Sinne abbiegen. Aber ist das auch im Sinne der Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck? Egal, wer von den beiden die Grünen in die Bundestagswahl führen wird, die Botschaft ist klar: Nach der langen Ära Merkel soll ein Neuanfang stehen. Nur mit wem?
Seit Kretschmann vor zehn Jahren Ministerpräsident wurde, steht er als Symbol dafür, dass Union und Grüne mehr verbindet, als es der jeweiligen Basis lieb ist. Am besten scheint sich der baden-württembergische Regierungschef mit den Kollegen aus Bayern zu verstehen. Sowohl mit Horst Seehofer als auch mit dessen Nachfolger Markus Söder funkt er auf einer Wellenlänge.
Erst in dieser Woche veröffentlichten Söder und Kretschmann einen gemeinsamen Brandbrief, in dem sie die anderen Bundesländer aufforderten, konsequenter gegen die dritte Corona-Welle vorzugehen. Sie sind die letzten Verbündeten, auf die sich Angela Merkel in der heillos zerstrittenen Ministerpräsidentenkonferenz noch verlassen kann. Für den Bundestagswahlkampf wirft das allerdings die brisante Frage auf, wie stark sich die Grünen von der Union und dem Erbe der ewigen Kanzlerin abgrenzen wollen.
Während die FDP seit Wochen aus der Opposition gegen die Pandemie-Politik schießt, verhalten sich die Grünen auffallend loyal. Ist das ein Signal, dass man angesichts dieser nie da gewesenen Krise parteipolitisches Gezänk hintanstellen sollte? Oder bereitet man sich schon auf ein schwarz-grünes Bündnis in der nächsten Bundesregierung vor?
Wenn die Grünen mehrere Optionen haben, wird es brenzlig
Die Union verfolgt die Aufholjagd der Grünen jedenfalls mit wachsender Nervosität. In Baden-Württemberg scheint die Sache noch mal gut zu gehen; der CDU bleibt die Schmach erspart, aus der Regierung zu fliegen. Doch im Bundestagswahlkampf werden die Karten neu gemischt. Kurioserweise steht CSU-Chef Markus Söder derzeit eher für ein Bündnis mit den Grünen als der CDU-Vorsitzende Armin Laschet. Es ist nicht lange her, da galt der polarisierende Bayer als erklärter Lieblingsgegner der grünen Basis.
Doch sein demonstrativer Schulterschluss mit Kretschmann in der Corona-Politik zeigt, dass die alten Feindbilder nicht mehr funktionieren. Selbst in einer Zeit, als der Vorsprung der Union in Umfragen noch weit größer war, hatte Söder immer wieder betont, dass er in den Grünen den Hauptkonkurrenten im Rennen um die Kanzlerschaft sieht – aber eben auch einen möglichen Koalitionspartner.
Kein Zweifel: Sollten die Grünen nach 16 Jahren in der Opposition im Bund wieder mitregieren können, werden sie das auch als Juniorpartner der Union tun. Doch was passiert, wenn es auch für eine andere Option reichen würde? Für eine Ampel oder Grün-Rot-Rot? Dann könnte die Basis gegen ein Bündnis mit der Union auf die Barrikaden gehen. Die Machtprobe in Baden-Württemberg war nur ein erster Vorgeschmack.
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Egal ob Grüne oder Linke, das gleiche Programm, das die UNION als Koalitionspartner ab September 2021 verkraften muss, dazu noch die Wahlzulassung für Bürger mit 16 Jahren, dann gehen die Lichter in der BRDä total aus, nicht nur wegen der fehlenden Atomkraftwerke sondern auch wegen der nicht vorhandenen Arbeitsplätze.
Politik ist auch Machtpolitik.
Doch die Basis sollte immer die Frage sein: Was halten wir für richtig und wichtig? Dann kann man machtpolitisch überlegen, mit wem können wir das verwirklichen.
Wenn die machtpolitischen Überlegungen die politischen Sachziele überlagern, wird es kritisch. Hinzu kommen die persönlichen und parteipolitischen Interessen - was nutzt mir und was nutzt unserer Partei - , die auch legitim sind, aber weder offen noch verdeckt das politische Handeln dominieren dürfen.
Zurück zu Baden-Württemberg. Dort ist jetzt das wichtigste Thema: Wir können wir dieses Wohlstands- und Industrieland klimaverträglich machen? Das erfordert in den Bereichen Strom, Verkehr, Wärme und industrielle Grundstoffprozesse weitreichende Änderungen. Diese scheinen mit einigen jungen CDU-Politikern wie dem Konstanzer Bundestagsabgeordneten Andreas Jung oder dem Wangener Landtagsabgeordneten Raimund Haser angehbar zu sein. Mit den führenden FDP-Politikern in BW leider nicht.
Raimund Kamm