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Fast unwirklich erscheinen die Bilder aus London, viele Regeln wurden gelockert.

Corona-Pandemie
01.05.2021

Bye, bye Lockdown: Wie sich die Briten zurück ins Leben stürzen

Von Katrin Pribyl

In Großbritannien sind die Corona-Regeln sind gelockert. So erlebt unsere Korrespondentin Katrin Pribyl in London die schrittweise Rückkehr zur Normalität.

Plötzlich bricht Applaus aus inmitten von Soho – und aus allen Richtungen stimmen die Menschen ein. Sie klatschen, pfeifen, strecken die Arme in den Himmel, manche tanzen auf der Straße, andere prosten sich mit einem Pint Bier zu. Es herrschte spürbar Erleichterung am vergangenen Montag, als nach fast vier Monaten harten Lockdowns wieder die Außenbereiche von Pubs und Restaurants öffnen durften, genauso wie Geschäfte, Fitnessstudios und Friseure. Seitdem ist London und ganz England, kurz darauf auch der Rest des Königreichs, wieder zurück im Leben.

„Alle wirken so glücklich“, sagt eine Britin, die wenige Tage später mit ihrem Freund durch Londons Ausgeh- und Theaterviertel schlendert, um allein die Atmosphäre aufzusaugen. Große Teile der Gegend wurden für den Verkehr gesperrt, sodass die Gastronomie sich ausbreiten konnte. Ein Gefühl von Freiheit liegt in der Luft, von „Wir haben es geschafft“. Zwei Engländerinnen Anfang 30 sitzen an jenem Mittwochabend in Winterjacken auf ihren Plastikstühlen, essen Pizza und trinken Wein. Es ist kalt, aber das scheint derzeit niemanden zu kümmern. „Was ein Segen“, sagt eine der beiden Frauen. „Ich frage mich aber, wo diese Leute all die Monate waren?“ Sie zeigt auf die Massen von Menschen, die bei genauerem Hinsehen zwar aus Paaren und kleineren Gruppen bestehen, aber trotzdem, die Szenen wirken wie aus einer anderen Welt.

Auch rund um die Einkaufsmeile Oxford Street ist wieder reger Betrieb. Seit zwei Wochen bilden sich vor zahlreichen Läden lange Schlangen. London hat sich vom Status Geisterstadt verabschiedet. Und die Freude könnte größer kaum sein. Auch wenn zahlreiche Gastronomen beschlossen haben, aufgrund fehlender Außenbereiche erst am 17. Mai ihre Türen zu öffnen – dann sollen Restaurants und Pubs auch im Innern wieder bewirten dürfen –, die Stimmung im Land ist eine völlig andere.

Der Inzidenzwert liegt in Großbritannien bei 25

Monatelang stand das Königreich völlig still, auch in Soho beispielsweise waren zahlreiche Restaurants, Läden und Bars mit Holzleisten verriegelt. Wieder einmal, nachdem bereits von Mitte März bis Anfang Juli vergangenen Jahres alles zuhatte, dann noch einmal im November. Die Regierung legte zudem strikte Kontakt- und Reisebeschränkungen fest, auch in den ersten Monaten dieses Jahres.

Erst ab Ende März durften sich wieder zwei Haushalte oder höchstens sechs Personen draußen treffen, davor galt eine strenge „Stay-at-Home“-Regel, laut der die Bürger ihr Zuhause nur zum Einkaufen, Sport und aus wenigen anderen Gründen verlassen durften. Reisen waren nicht erlaubt, nicht einmal in den Wald am Stadtrand. Immerhin, nach katastrophalen Zuständen insbesondere im Januar, als etliche Intensivstationen überlastet waren und zeitweise bis zu 1820 Menschen an einem Tag ihr Leben verloren, sind die Infektionszahlen wie auch die der an Covid-19 Verstorbenen massiv gesunken. Die Inzidenz liegt derzeit bei 25. Das liegt einerseits am harten Lockdown, andererseits am großen Impferfolg. Mit mehr als 34 Millionen verabreichten Dosen hat jeder zweite erwachsene Brite bereits seine erste Impfung erhalten. Rund 14 Millionen Menschen – und damit etwa 26 Prozent der erwachsenen Bevölkerung – sind vollständig geimpft.

So öffnen andere Länder in der Corona-Pandemie

Dänemark: Die Geschäfte haben längst wieder geöffnet, und die Straßen sind voller Menschen. Cafés, Restaurants und Bars dürfen seit einer Woche wieder Kunden bedienen - im Inneren allerdings nur, wenn die Gäste per App einen negativen Corona-Test, eine Impfung oder eine überstandene Infektion nachweisen können. Dabei fällt auf: Die dänischen Neuinfektionszahlen sind stabil niedrig geblieben, liegen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 seit Langem unverändert unter den deutschen Werten. Dänemark verzichtet als einziges EU-Land auf den Einsatz des Impfstoffs von AstraZeneca. Trotzdem sind knapp 22 Prozent der Gesamtbevölkerung mindestens einmal geimpft.

So öffnen andere Länder in der Corona-Pandemie

Frankreich: Sofern es die Lage zulässt, sollen Anfang Mai die Bewegungseinschränkungen aufgehoben werden. Aktuell dürfen sich die Menschen nur mit triftigem Grund mehr als zehn Kilometer von ihrer Wohnung entfernen. Außerdem könnten Außenbereiche von Restaurants und bestimmte Kultureinrichtungen wieder öffnen. Auch über eine Lockerung der abendlichen Ausgangssperre, die aktuell um 19 Uhr beginnt, wird gesprochen. Die Corona-Lage ist allerdings weiter angespannt. Zuletzt gab es rund 300 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und sieben Tage. Rund ein Fünftel der Bevölkerung wurde mindestens einmal geimpft.

So öffnen andere Länder in der Corona-Pandemie

Großbritannien: In Großbritannien hat sich die Corona-Lage dank eines langen, konsequenten Lockdowns und der weit fortgeschrittenen Impfkampagne mittlerweile deutlich entspannt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist bereits einmal geimpft, ein Viertel sogar vollständig. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag zuletzt bei rund 25 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Pubs und Restaurants dürfen in England und Wales draußen wieder Gäste empfangen, in Schottland sogar bis abends auch drinnen. Geschäfte, Fitnessstudios, Friseure und Zoos sind weitgehend wieder geöffnet. Treffen in Innenräumen und Reisen ins Ausland bleiben allerdings noch bis mindestens Mitte Mai verboten.

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Italien: Italien befindet sich seit Kurzem auf einem schrittweisen Lockerungskurs. Wo die Corona-Zahlen moderat sind, dürfen Restaurants und Bars auch abends im Außenbereich an Tischen servieren. Ab 22 Uhr gilt das Ausgangsverbot. Museen und Kinos in den sogenannten Gelben Zonen haben bereits geöffnet. Ab 1. Juni soll man in Lokalen wieder drinnen sitzen dürfen. Italien peilt den 2. Juni für den Start der Sommersaison an. Das Reisen im Land ist noch teils eingeschränkt, aber mit Impfung oder negativem Corona-Test soll es bald leichter werden, selbst in höhere Risikozonen zu fahren. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag zuletzt bei etwa 160. Über 22 Prozent der Bevölkerung sind mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft.

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Malta: Der Inselstaat will ab dem 1. Juni für den internationalen Tourismus öffnen. Schon ab dem 10. Mai dürfen Restaurants wieder Besucher willkommen heißen und bis 17 Uhr an Tischen bedienen. Das Besondere: Mehr als 40 Prozent der Gesamtbevölkerung haben bislang zumindest eine Impfung bekommen. Die Regierung will geimpfte Ausländer in Kürze mit einer Vorzugsbehandlung ins Land locken.

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Niederlande: Die Niederlande haben am Mittwoch trotz anhaltend hoher Corona-Zahlen die ersten Maßnahmen seit dem strengen Lockdown von Mitte Dezember gelockert. Die abendliche Ausgangssperre ist abgeschafft, Geschäfte dürfen wieder Kunden ohne Termin empfangen und Gaststätten im Außenbereich unter Auflagen wieder Gäste bedienen - zumindest von 12 bis 18 Uhr. Zu Hause darf man wieder zwei statt bisher einen Besucher am Tag treffen. Verboten bleiben alle Veranstaltungen mit Publikum wie etwa Museen, Kinos und Theater. Schüler und Studenten haben zumindest an einem Tag in der Woche Präsenzunterricht. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 317. Rund 30 Prozent der Bevölkerung wurde mindestens einmal geimpft.

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Österreich: Ab 19. Mai dürfen Gastronomie, Hotels, Bühnen und Sporteinrichtungen wieder die Pforten öffnen. Dabei setzt die Regierung auf Zutrittstests als Schutzmaßnahme. Veranstaltungen sind draußen auf 3000 und drinnen auf 1500 Personen beschränkt. In und rund um Wien gilt derzeit ein noch strengerer Lockdown, weswegen die meisten Geschäfte bis Sonntag noch geschlossen sind. Die 7-Tage-Inzidenz sank landesweit zuletzt auf 168. Rund 28 Prozent der Einwohner ab 16 Jahren haben mindestens eine Impfdosis erhalten.

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Polen: Schrittweise Öffnungen sind geplant. Zuerst sollen etwa Einkaufszentren und Museen unter Hygieneauflagen wieder öffnen dürfen. Vom 8. Mai an dürfen Hotels Gäste bis zu einer Auslastung von 50 Prozent beherbergen. Die Außengastronomie soll ab dem 15. Mai starten. Ab dem 29. Mai soll der Restaurantbetrieb in Innenräumen mit halber Auslastung möglich sein. Das Gesundheitsministerium meldete am Mittwoch 8895 registrierte Neuinfektionen und 636 Todesfälle innerhalb von 24 Stunden, eine Sieben-Tage-Inzidenz wird in Polen nicht berechnet. Etwa 10,7 Millionen Menschen - also 28,2 Prozent der Bevölkerung - sind mindestens ein Mal geimpft.

So öffnen andere Länder in der Corona-Pandemie

Schweiz: Bereits seit Anfang März haben Läden, Museen und Bibliotheken trotz steigender Infektionszahlen wieder geöffnet. Seit 19. April sind auch Restaurantterrassen, Kinos, Theater und Fitnesszentren wieder in Betrieb. Auch Open-Air-Konzerte und Fußballspiele dürfen wieder stattfinden. Dabei gelten Hygieneregeln wie etwa eine Begrenzung der Anzahl von Anwesenden oder die Maskenpflicht. Seit Ostern - vier Wochen nach der Öffnung von Läden und Museen - ist der Anstieg allerdings nur noch sehr gering. Anders als in anderen Ländern wird in der Schweiz eine 14-Tage-Inzidenz berechnet. Laut Bundesamt für Gesundheit lag sie am Mittwoch bei 315 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner. Nach jüngsten Zahlen war knapp zehn Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft.

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Slowakei: Vor eineinhalb Wochen haben die Geschäfte unter Einhaltung strenger Hygiene- und Abstandsregeln wieder geöffnet. Gastronomiebetriebe dürfen seit Montag wieder in ihren Außenbereichen Speisen und Getränke servieren. Bei professionellen Sportveranstaltungen sind seit Dienstag auch wieder Zuschauer erlaubt. Die Zahl der Neuansteckungen ist rückläufig und gemessen an der Einwohnerzahl inzwischen auch deutlich unter den Zahlen für Deutschland. Bis Mittwoch wurden nach offiziellen Angaben rund 20 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft.

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Spanien: Die Lage in Spanien ist relativ stabil, die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Mittwoch bei 108. Bisher hat 23 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung erhalten. Am 9. Mai endet der Corona-Notstand und soll wegen der guten Entwicklung nicht verlängert werden. Damit entfällt die Grundlage für die meisten Maßnahmen wie Reisebeschränkungen, nächtliche Ausgangssperren, Obergrenzen bei Versammlungen und Schließung von Gaststätten. Wie es danach weitergehen soll, ist noch nicht klar. Alle Hoffnungen des extrem vom Tourismus abhängigen Landes für eine wieder normale Sommersaison richten sich auf den digitalen Impfpass.

Mitte Februar hatte Premierminister Boris Johnson seinen Fahrplan vorgestellt, mit dem der harte Lockdown in mehreren Schritten im Abstand von jeweils fünf Wochen aufgehoben werden sollte. Am 8. März öffneten zunächst die Schulen wieder. Die Strategie der Regierung trägt das Motto „Vorsichtig, aber unwiderruflich“. Die Hoffnung ist nun groß auf der Insel, einen normalen Sommer erleben zu können. Am 21. Juni will die Regierung alle Corona-Regeln aufheben.

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