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Analyse: Das sind die fünf Lehren aus den Wahlen im Osten

Analyse

Das sind die fünf Lehren aus den Wahlen im Osten

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    Durchatmen bei der CDU nach der Wahl in Sachsen: Michael Kretschmer, Ministerpräsident, konnte trotz starker AfD ein respektables Ergebnis einfahren.
    Durchatmen bei der CDU nach der Wahl in Sachsen: Michael Kretschmer, Ministerpräsident, konnte trotz starker AfD ein respektables Ergebnis einfahren. Foto: Robert Michael, dpa

    Brandenburg und Sachsen haben gewählt. Die wohl maßgeblichste Erkenntnis: Die Alternative für Deutschland ist in beiden Bundesländern nicht stärkste Kraft geworden, wie es die Umfragen der letzten Wochen nahegelegt hatten. Hier eine Übersicht über die fünf wichtigsten Lehren aus dem Wahlsonntag:

    1. CDU und SPD kommen mit blauem Auge davon

    Die einstmals dominanten Großparteien CDU und SPD werden in Brandenburg und Sachsen an der Macht bleiben. Die beiden Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD) und Michael Kretschmer (Sachsen, CDU) gehen als Sieger über die Ziellinie. Sie sind keine strahlenden Sieger, sondern ziemlich gerupfte.

    Beiden gelang es in der letzten Woche immerhin, den Absturz zu begrenzen und die AfD auf Distanz zu halten. Dass sich die zwei Regierungschefs auf ihren Stühlen halten können, hat auch bundespolitisch Bedeutung. Für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ist der Machterhalt in Dresden die erste gute Nachricht seit Wochen. Zuletzt hatte sich Fehler an Fehler gereiht, so dass die Frage laut gestellt wurde, ob AKK überhaupt Kanzler-Format hat. In der SPD hilft es den Befürwortern der Großen Koalition im Bund, dass Woidke die Staatskanzlei verteidigte. 

    2. Die AfD ist im Osten eine Macht

    Die AfD ist im Osten fest etabliert und hat der Linken den Rang der Protestpartei streitig gemacht. Sie hat das Potenzial, bei den nächsten Wahlen in Sachsen und Brandenburg wieder stärkste Partei zu werden, wir ihr das bereits bei den Europawahlen gelungen war. Sie verbindet erfolgreich die Ablehnung der Flüchtlingspolitik Angela Merkels mit einem Trotz-Angebot an Ostdeutsche, deren Leben nach Wende und Wiedervereinigung einen schweren Bruch erlitten hat.

    Diese Kombination zweier hochgradig emotional besetzter Themen erklärt ihren Erfolg bei den Wählern als Frust-Ventil. Die AfD könnte auch einen Besenstiel aufstellen und würde gewählt. Dass der brandenburgische Spitzenkandidat Andreas Kalbitz jahrelang Umgang mit Neo-Nazis pflegte, hat die AfD-Unterstützer nicht abgestoßen.  

    Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Die AfD ist nur deshalb so stark, weil die anderen so schwach sind!

    3. Man muss zu den Leuten fahren

    Michael Kretschmers Wahlkampstrategie ist aufgegangen. In den vergangenen Monaten ist er unermüdlich zu den Sachsen gefahren. In jedem Winkel grillte er Bratwürste und hörte zu. Jeder durfte ihm seine Geschichte erzählen, auch wenn sie gar nichts mit den aktuellen Themen zu tun hatte. Das war ein anderer Wahlkampf als ihn Politiker sonst führen, die von einer Bühne zum Volk sprechen.

    Kretschmers Ansatz war auch deshalb richtig, weil sich ein Teil der Bürger von den klassischen Medien Zeitung, Radio und Fernsehen abgewendet haben und sich ihre Informationen aus dem Internet, Facebook oder Whatsapp-Gruppen holen. Auf den üblichen Wegen sind sie kaum mehr zu erreichen.

    Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Das große Debakel blieb AKK erspart

    4. Dreierkoalitionen werden normal

    Sachsen und Brandenburg werden künftig wohl von Bündnissen regiert werden, die aus drei Parteien bestehen. Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die schon in Bremen, Berlin und Sachsen-Anhalt zu Mehrfachbündnissen geführt hat. Die Gesellschaft differenziert sich immer stärker aus und mit ihr das Parteiensystem. Die SPD ist keine Volkspartei mehr und die CDU ist auf dem Wege, dieses Prädikat ebenfalls zu verlieren. Die Regierungsbildung wird damit komplizierter, weil heterogene Interessen in Einklang gebracht werden müssen. Um eine Mehrheit ohne die AfD zu bilden, könnten Parteien zu (Zwangs-)Partnern werden, die sich bisher nicht riechen konnten, zum Beispiel Linke und CDU.

    5. Die Wende muss neu bewertet werden

    Wenn der hohe Stimmenanteil der AfD etwas Gutes hat, dann, dass die gesamte Republik auf den Osten schaut. Vor allem die Nachwendejahre mit ihrer katastrophalen Wirtschaftskrise, die viele Biographien zerstört hat, müssen gesamtgesellschaftlich noch einmal diskutiert werden. Es braucht, etwas überspitzt gesagt, eine 68er-Debatte für die Wiedervereinigung. Dabei geht es nicht um Geld, da hat der Westen wahrlich das Füllhorn ausgeschüttet. Es geht viel stärker um die Anerkennung, welch dramatischer Bruch diese Zeit war.

    Ein Teil der Ostdeutschen kann sich bis heute nicht in der bundesrepublikanischen Gesellschaft spiegeln, findet sich darin nicht wieder. Die schwere Wirtschaftskrise ist zwar überwunden, aber heute arbeitet im Osten ein Drittel der Beschäftigten trotz Vollzeit zu Niedriglöhnen.

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