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Griechenland: Erst Feuer, dann Hochwasser: Flüchtlings-Elend in Kara Tepe

Griechenland

Erst Feuer, dann Hochwasser: Flüchtlings-Elend in Kara Tepe

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    Nach starken Regenfällen ist das provisorische Flüchtlingslager „Kara Tepe“ auf Lesbos zum Teil überflutet worden.
    Nach starken Regenfällen ist das provisorische Flüchtlingslager „Kara Tepe“ auf Lesbos zum Teil überflutet worden. Foto: Panagiotis Balaskas, dpa

    Ungeheizte Zelte, mangelhafte medizinische Versorgung, primitive sanitäre Anlagen: In den griechischen Migrantenlagern steht tausenden Geflüchteten, darunter vielen Kindern, ein harter Winter bevor. Rund sechs Wochen nach dem verheerenden Brand im Lager Moria auf der Insel Lesbos, dem Aufschrei der Menschen vor Ort und den Beteuerungen aus der Politik, für Besserung sorgen zu wollen, scheint die Lage bis heute weitgehend unverändert. Aus der Sicht vieler Betroffener: weiter hoffnungslos.

    Den Flüchtlingen drohen nun Gewitter und Kälte

    Noch zeigt sich der Herbst in der Ägäis von seiner milden Seite. Noch. Bei spätsommerlichen 23 Grad kräuselte am Montag ein leichter Westwind das Meer. Aber für die zweite Wochenhälfte sagen die Meteorologen heftige Gewitter voraus. Das ist keine gute Prognose für die fast 7700 Geflüchteten, die in der Zeltstadt Kara Tepe am Rand von Lesbos’ Inselhauptstadt Mytilini leben. Schon vor zwei Wochen hatten schwere Wolkenbrüche Teile des Camps überschwemmt. 80 der 1100 Zelte standen unter Wasser, die Habseligkeiten der Bewohner wurden völlig durchnässt. Die Wege zwischen den Zelten verwandelten sich in eine Schlammwüste. Das könnte den Bewohnern öfter drohen, wenn die Herbststürme einsetzen.

    Die Situation in dem Lager sei „katastrophal“, sagt Stephan Oberreit, Einsatzleiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Die Zelte seien „völlig ungeeignet, die Menschen vor dem kommenden Winter zu schützen“, erklärt er. Zwei Drittel der Bewohner des Lagers sind Frauen und Kinder. Oberreit berichtet: „Einer unserer Patienten, der in dem Camp festsitzt, fragte: ‚Warum tun sie uns das immer wieder an? Alles, was wir wollen, ist ein Dach über dem Kopf, einen sicheren Ort, um zu bleiben. Warum sind wir diesen Bedingungen ausgesetzt?‘“ Der MSF-Einsatzleiter beschreibt die Situation in dem Camp als „entwürdigend und komplett inakzeptabel“.

    Für viele Zeltbewohner auf Lesbos sind die Verhältnisse "noch schlimmer"

    Als in der Nacht zum 9. September ein Feuer das Lager Moria auf Lesbos zerstörte, Europas größtes und verrufenstes Migrantencamp, wurden über 12.000 Menschen obdachlos. Innerhalb weniger Tage bauten die griechischen Behörden mit Unterstützung der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR am Stadtrand von Mytilini ein neues Zeltlager als Notunterkunft. Aber für viele Menschen, die in Moria wenigstens in festen Wohncontainern lebten, sind die Bedingungen jetzt noch schlimmer. Das neue Camp, errichtet auf einem ehemaligen Schießplatz des Militärs direkt an der Küste, liegt nur knapp über dem Meeresspiegel. Es ist den Elementen völlig schutzlos ausgeliefert. Die sanitären Einrichtungen bestehen im Wesentlichen aus rund 350 chemischen Toiletten. Weil es nur wenige Wasserhähne gibt, müssen sich viele Bewohner im Meer waschen. Die Zustände in dem Lager seien „schlimmer als in Moria“, berichtet die Hilfsorganisation Oxfam. Die Corona-Vorsichtsmaßnahmen seien ebenso unzureichend wie der Zugang zu Gesundheitsversorgung.

    Zwei Militärärzte in Moria kümmern sich um 4300 Menschen

    Auch auf der Insel Samos, wo 4322 Menschen in einem Lager für 648 Personen zusammengepfercht sind, herrschen katastrophale Zustände. Ärzte ohne Grenzen berichtet, in der Corona-Isolierstation des Lagers, wo Geflüchtete mit positivem Testergebnis untergebracht sind, lebten die Menschen auf engstem Raum zusammen. Es gebe keine Unterscheidung nach Alter oder gesundheitlichem Zustand der Bewohner. Mittlerweile gebe es mehr als 100 Infizierte in dem Camp. „Sie sind in schmutzigen Containern eingesperrt, die meisten müssen auf dem Boden schlafen, in dem oft Löcher klaffen“, berichtet die Hilfsorganisation. Die medizinische Versorgung ist völlig unzureichend: Um die 4300 Bewohner des Lagers kümmern sich nur zwei Militärärzte und drei Pfleger.

    Auch die UN-Agentur UNHCR kritisiert die Zustände in den griechischen Insellagern. Ein Sprecher der Organisation stellte „erhebliche Mängel“ fest, die „umgehend behoben werden müssen“. Das griechische Ministerium für Migrations- und Asylpolitik plant im Rahmen eines von der EU finanzierten Programms jetzt den Bau eines neuen, dauerhaften Lagers auf Lesbos. Es soll „menschenwürdige Lebensbedingungen“ bieten, verspricht Migrationsminister Notis Mitarakis. Doch das neue Camp wird erst im kommenden Sommer fertig sein. Bis dahin wartet auf die Menschen im Zeltlager von Kara Tepe ein harter Winter.

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