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Kommentar: Es ist nie zu spät für einen besseren Kapitalismus

Kommentar

Es ist nie zu spät für einen besseren Kapitalismus

Stefan Stahl
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    Juso-Chef Kevin Kühnert stößt die richtige Debatte an.
    Juso-Chef Kevin Kühnert stößt die richtige Debatte an. Foto: Georg Wendt, dpa (Archiv)

    Es gibt keine Alternative zum Kapitalismus. Wer immer noch sozialistischen oder kommunistischen Träumen nachhängt, sieht an Ländern wie Venezuela oder Nordkorea, in welch entsetzliche Realität solche Utopien münden. In der von Juso-Chef Kevin Kühnert angestoßenen Kapitalismusdebatte fällt auf, wie sich hier frühere DDR-Bürger zu Wort melden.

    Manche mokieren sich über die Pläne des jungen Linken zu einer Vergesellschaftung von BMW, indem sie schlicht an die bescheidenen sozialistischen Autobau-Künste erinnern. Der real existierende Sozialismus war trister, als planwirtschaftliche Spitzengenossen wahrhaben wollten.

    Wer die Wirtschaft von oben gängelt, tötet Innovation. Fantasie entfaltet sich am besten im marktwirtschaftlichen Wettbewerb.

    Kevin Kühnert erkennt die wunden Punkte des Kapitalismus

    Dennoch stößt Kühnert die richtige Debatte an, auch wenn er nach zutreffenden Diagnosen falsche Schlüsse zieht, etwa dass Menschen nur eine Wohnung besitzen sollten. Der Juso-Chef erkennt aber wunde Punkte des Kapitalismus.

    Schließlich neigt das System zum Ausufern, wenn zu mächtig gewordene Akteure ihre Stellung missbrauchen. Dann geht die Balance verloren und das Gemeinwesen als Ganzes kann Schaden nehmen.

    Dabei ist es in einer Sozialen Marktwirtschaft als bestmögliche Alternative zum Sozialismus so wichtig, „das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden“, wie einst der Vordenker des Systems, Alfred Müller-Armack, schrieb.

    Doch für ein Gleichgewicht zu sorgen und auch noch den Umweltschutz in eine dann soziale und ökologische Marktwirtschaft zu integrieren, erfordert kluges Regierungshandeln und den Mut, Fehlentwicklungen abzustellen.

    In Deutschland herrscht eine Atmosphäre des bewussten Wegschauens

    Politisch Verantwortlichen mangelt es aber oft an Courage. So wurden die Finanzmärkte einst leichtfertig dereguliert, was zu Exzessen führte und die Wirtschaftswelt in den Jahren 2008 und 2009 an den Abgrund gebracht hat. Auch wenn Staaten nach der bitteren Lehre daraus wieder das Primat der Politik gegenüber den Zockern zurückzuerobern versuchten, ist das nur halbherzig geschehen.

    Immer wieder blättert der Putz am Haus der Sozialen Marktwirtschaft ab, weil Politikern der Mumm fehlt, auch mal der Wirtschaft dazwischenzugrätschen. Ein abschreckendes Beispiel dafür ist der Diesel-Skandal. Dass dieser massenhafte Verbraucherbetrug möglich wurde, ist auch einer staatlichen Wegschau-Mentalität zu verdanken.

    Den Autokonzernen wurde als Arbeitsplatzgaranten ein Vertrauens-Blankoscheck ausgestellt. So war das Kraftfahrtbundesamt lange ein Kuschelpartner für die Schummel-Industrie. In diese Atmosphäre des bewussten Wegschauens passt es auch, dass ausgerechnet Deutschland Gefahr läuft, die Klimaziele zu verfehlen.

    Dass es so weit kommen kann, liegt – und hier hat Kühnert recht – an einem Kapitalismus, der zu viele Bereiche des Lebens dominiert. Der Staat müsste, gerade was den Umweltschutz betrifft, beherzter regulierend eingreifen. So kann er Gefahren für die Gesundheit abwehren.

    Jahrzehntelang wurden viel zu wenige Sozialwohnungen gebaut

    Warum nicht eine CO2-Steuer einführen? Vielleicht bringt das die Deutschen von der ökologisch fragwürdigen Leidenschaft zu immer dickeren SUVs ab. Der Markt richtet, wie Neoliberale behaupten, nicht alles zum Guten. So rächt sich jahrzehntelanges Staatsversagen, wurden doch viel zu wenige Sozialwohnungen gebaut.

    Wie kaum andere Themen schürt die Mietpreis-Explosion Zweifel am kapitalistischen System. Gefährlich dabei ist: Der Staat wird viel zu lange brauchen, um diese Fehler zu korrigieren. Doch es ist nie zu spät für einen besseren, humaneren, sozialeren und gerechteren Kapitalismus.

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