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Geflüchtete: Urteile verhindern Abschiebungen nach Südeuropa

Geflüchtete

Urteile verhindern Abschiebungen nach Südeuropa

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    Migranten warten inmitten der Corona-Pandemie auf ein Boot, das sie nach Capurgana an der Grenze zu Panama bringen soll.
    Migranten warten inmitten der Corona-Pandemie auf ein Boot, das sie nach Capurgana an der Grenze zu Panama bringen soll. Foto: Ivan Valencia, AP/dpa

    Die Corona-Pandemie hat die Asylpolitik in der Europäischen Union zwar überdeckt, es sind deswegen aber weiterhin Flüchtlinge unterwegs. Mehr als 47.000 Menschen versuchten nach Angaben des Flüchtlingshilfswerk UNHCR seit Jahresbeginn allein über die Mittelmeerrouten die Flucht in einen EU-Staat. Neben Spanien sind Italien und Griechenland die Hauptländer, die zunächst von den Asylsuchen angesteuert werden. Die Regierungen in Rom und Athen ziehen aber zunehmend den Unwillen Deutschlands auf sich. Der Vorwurf: Beide Länder entledigen sich illegal ihrer Verantwortung für die Flüchtlinge und nehmen bewusst in Kauf, dass sich Länder wie Deutschland um sie kümmern.

    Rechtlich sind die Regierungen Italiens und Griechenlands für die Asylsuchenden zuständig, die zu ihnen kommen. Werden sie als Flüchtlinge anerkannt, können sie Ausweise bekommen und damit im Schengenraum reisen. Zum Beispiel nach Deutschland, wo viele einen weiteren Asylantrag stellen. Eigentlich müssten sie nach drei Monaten wieder zurückkehren – ihre Anträge auf Asyl haben hier keine Chance, weil sie bereits in einem anderen EU-Land anerkannt sind. Doch die deutschen Behörden haben keine Handhabe für eine Abschiebung. Der Grund dafür sind vor allem Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster. Demnach verstoßen solche Rückführungen gegen die europäische Grundrechtecharta sowie gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Italien wie Griechenland seien nicht in der Lage, die elementarsten Bedürfnisse (‚Bett, Brot, Seife“) zu befriedigen.

    Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl begrüßten die Beschlüsse zwar, weil sie die Flüchtlinge schützen. „Es sind wegweisende Urteile, die möglicherweise auch eine Signalwirkung in die Zukunft haben“, sagte der Leiter der europa-Abteilung von Pro Asyl, Karl Kopp, unserer Redaktion. In der Politik gibt es allerdings auch weniger freundliche Einschätzungen. „Diese Rechtsprechung bedeutet nichts anderes, als dass alle weiterwandernden Flüchtlinge, für die eigentlich Italien zuständig ist, auf Dauer in Deutschland verbleiben“, sagte der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm. Sowohl Griechenland als auch Italien förderten so „systematisch die Sekundärmigration nach Deutschland - und zwar durch aktive Schlechtbehandlung der Menschen, für die sie die Verantwortung tragen.“ Dieses Verhalten sei „nicht akzeptabel und muss beendet werden."

    Die Zahl der Flüchtlinge nimmt zu

    Die Zahl der Flüchtlinge nimmt ständig weiter zu, mittlerweile sind es mehrere zehntausend Menschen, die in Deutschland leben. Da die EU die Griechen bei der Abarbeitung der Asylanträge unterstützt, könnten die Zahlen schnell steigen. In einem neuen Fall hat Münster außerdem auch für einen noch nicht anerkannten Asylsuchenden entsprechend entschieden.

    Männer aus Marokko und Bangladesch sitzen in einem überfüllten Holzboot im Mittelmeer vor der Küste von Libyen.
    Männer aus Marokko und Bangladesch sitzen in einem überfüllten Holzboot im Mittelmeer vor der Küste von Libyen. Foto: Santi Palacios, AP/dpa

    Pro Asyl wirft der Bundesregierung vor, an der Lage selbst schuld zu sein. „Die Versäumnisse der letzten Jahre fallen den Verantwortlichen jetzt auf die Füße“, sagte der Europaexperte Kopp. Ein einheitliches, menschenrechtskonformes Asylsystem hätte schon längst fertig sein können. Entsprechende Bemühungen gebe es seit dem Oktober 1999, Deutschland hätte hier zusammen mit Frankreich der Antriebsmotor sein können, erklärte Kopp. Stattdessen habe es aber Blockaden und zu viele nationale Eigeninteressen gegeben.

    Das Oberverwaltungsgericht Münster hat sich in seinen neuesten Urteilen zur Situation in Italien akribisch in die Lage vor Ort eingearbeitet und stellt Rom ein vernichtendes Zeugnis aus. In einem Fall heißt es beispielsweise, der Betroffene würde bei „seiner Rücküberstellung nach Italien außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen keine menschenwürdige Unterkunft finden“. Auch sei es angesichts der Wirtschaftslage in Italien „beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr keine Arbeit finden würde“. Angesichts der Zustände werde er „auch keinen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen haben, mit deren Hilfe er dort sein Existenzminimum sichern könnte.“

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