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Interview: "Ich weiß, wie das geht": Seehofer ist sich bei der Obergrenze sicher

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"Ich weiß, wie das geht": Seehofer ist sich bei der Obergrenze sicher

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    „Ich sage: Wir werden das durchsetzen.“ Horst Seehofer im Interview mit unserer Redaktion.
    „Ich sage: Wir werden das durchsetzen.“ Horst Seehofer im Interview mit unserer Redaktion. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Seehofer, bis vor kurzem sah es in Umfragen so aus, als sei für die Union in diesem Wahlkampf schon alles gelaufen, sogar eine Zweierkoalition mit der FDP schien möglich. Zuletzt aber gingen die Zustimmungswerte für CDU und CSU wieder zurück. Was ist passiert?

    Seehofer: Das Rennen ist noch längst nicht gelaufen. Es steht zwar in den Umfragen gut, aber nicht mehr so gut, wie es schon war. Die Wahl ist noch nicht gewonnen. Wir haben jetzt noch gut eine Woche Zeit, das wieder zu stabilisieren. Wahlen werden bekanntlich auf der Zielgeraden entschieden.

    Woran liegt es, dass die AfD plötzlich wieder Aufwind hat?

    Seehofer: Die Themen, die die Menschen am meisten umtreiben, sind wieder richtig da. Die Fragen der Sicherheit und der Zuwanderung lagen nur einige Monate irgendwo im Schlummerkasten.

    Kann es sein, dass der Stimmungswandel an den unterschiedlichen Strategien von CDU und CSU liegt? Wurden da Fehler gemacht?

    Seehofer: Ich kann immer nur wieder auf meine Äußerungen seit Monaten verweisen. Die Menschen wollen klare Aussagen, klare Positionen. Gruppierungen wie die AfD kleinzuhalten, ist nicht dadurch zu erreichen, dass man ständig über sie spricht. Man hält sie nur klein, wenn man in den entscheidenden Bereichen Klartext redet und den Menschen Antworten auf ihre Fragen gibt. Das ist unser Ansatz. Das heißt: Sicherheit durch einen starken Staat. Das heißt: Zuwanderung begrenzen durch eine Obergrenze, die garantiert, dass Integration gelingt. Das muss glasklar zum Ausdruck gebracht werden. Die CSU ist da seit Monaten sehr eindeutig.

    Die CDU nicht. Im Kanzleramt ist man offensichtlich der Ansicht, dass es besser ist, nicht zu präzise zu sein und den Ball flach zu halten.

    Seehofer: Wenn wir sagen, das Jahr 2015 soll sich nicht wiederholen, dann dürfen wir nicht offen lassen, mit welchen Instrumenten wir das sicherstellen können. Nicht präzise zu sein, das mag für die Talkrunden im Quadratkilometer rund um das Regierungsviertel funktionieren, aber nicht im Land. Nehmen Sie nur das TV-Duell: Die vier Journalisten, die das TV-Duell moderiert haben, die haben doch unzureichende Ahnung davon, was im Land tatsächlich los ist. Die wissen nicht, was die Menschen im Allgäu, in Augsburg oder in Rosenheim bewegt. Wir dagegen wissen, dass die Sicherheits- und Zuwanderungsfragen die Menschen mächtig umtreiben. Deshalb gehören diese Fragen auch zu unseren Kernbedingungen für Koalitionsverhandlungen.

    Welche Kernbedingungen sind das?

    Seehofer: Sicherheit und Ordnung, Vollbeschäftigung und Gerechtigkeit. In all diesen Fragen brauchen wir Präzision. Ich will, wenn wir an der Regierungsbildung beteiligt sind, ganz präzise festlegen, was wir die nächsten vier Jahre machen werden. Ich erwarte die schwierigsten Koalitionsverhandlungen seit langem – wenn es überhaupt dazu kommt.

    Sie stellen das infrage?

    Seehofer: Ich habe gesagt, die Wahl ist noch nicht gewonnen. Lassen wir doch zu allererst mal die Wähler entscheiden. Aber ich bin zuversichtlich. Und wenn es so ist, dass wir weiter regieren, dann sage ich hier und heute: Wir garantieren die Obergrenze. Sie ist praktikabel, verfassungsfest und notwendig. Begrenzung der Zuwanderung bedeutet ja nicht Abschottung. Eine Begrenzung der Zuwanderung ist die Voraussetzung für die Integration und für die Humanität in unserem Land. Ist das so schwer zu verstehen?

    Die Kanzlerin hat noch einmal bekräftigt, dass sie keine Obergrenze will.

    Seehofer: Dass wir in dem Punkt eine Uneinheitlichkeit haben, ist bekannt. Aber die Kanzlerin hat auch eine ganze Reihe von Punkten genannt, die sehr in unserem Sinne sind: dass wir Fluchtursachen bekämpfen müssen, dass wir Flüchtlingen am besten in der Nähe ihrer Heimat helfen, dass wir eine europäische Lösung brauchen und dass das Jahr 2015 sich nicht wiederholen darf. Jetzt wollen die Leute schlicht und einfach wissen, mit welchen Maßnahmen dieser Satz, dass 2015 sich nicht wiederholen darf, gewährleistet wird. Und an uns, die CSU, richten sie die Frage: Kann man euch glauben, dass ihr das durchsetzt? Ich sage: Wir werden das durchsetzen. Das ist für uns eine Frage des Vertrauens und der Vernunft.

    Wie soll das gehen?

    Seehofer: Lassen Sie das mal meine Sorge sein. Ich weiß, wie das geht. Es gibt keinen günstigeren Zeitpunkt zur Durchsetzung von Positionen als die Zeit zwischen einer Bundestagswahl und der Wahl eines Kanzlers beziehungsweise einer Kanzlerin. Das ist der Zeitraum von Verhandlungen und des Interessensausgleichs zwischen Parteien.

    Der Dissens mit Frau Merkel besteht schon lange. Welche Argumente haben Sie denn noch?

    Seehofer: Unser Spitzenkandidat, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, hat zum Beispiel zu Recht darauf hingewiesen, dass man eine europäische Lösung nicht hinbekommt, wenn man den anderen Ländern in Europa nicht sagt, mit welcher zahlenmäßigen Größenordnung sie bei der Verteilung von Flüchtlingen zu rechnen haben. Ohne Obergrenze geht das nicht. Das ist doch logisch. Die kaufen doch nicht die Katze im Sack.

    Bisher ist in Europa noch nicht viel geschehen.

    Seehofer: Das gehört leider zur Wahrheit dazu. Seit zwei Jahren haben sie in Brüssel hier gar nichts vorangebracht. Die bei dieser Frage schnarchende EU-Kommission muss jetzt mal in die Gänge kommen. Wir haben vor zwei Jahren vereinbart, dass wir die Außengrenzen der EU sichern und Transitzentren einrichten. Dazu braucht man Personal, Dolmetscher und Geld. Geschehen ist bisher gar nix. Aber genau das wäre doch das Europa, das die Menschen sich wünschen – ein Europa, das Freizügigkeit im Innern und Sicherheit an den Außengrenzen gewährleistet. Wir sollten an den Außengrenzen feststellen, wer schutzbedürftig ist. Erst danach stellt sich die Frage der Verteilung. Und da sagen wir, wir nehmen in Deutschland maximal 200.000 pro Jahr. Das ist ein Regelwerk. Das ist vollziehbar.

    Schließen Sie bei 200.000 pro Jahr auch nachziehende Familienangehörige ein?

    Seehofer: Wir definieren die Obergrenze von 200.000 einschließlich des berechtigten Familiennachzugs. Wenn jemand anerkannt ist und ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hat, dann besteht Anspruch auf Familiennachzug. Das ist in Ordnung. Wenn aber jemand nur vorübergehenden Schutz bekommt und danach wieder in sein Heimatland zurückkehren muss, dann lehnen wir den Familiennachzug ab. Allein im nächsten Jahr könnten es einige Hunderttausend sein, die so unberechtigt zu uns kommen. Mir ist schleierhaft, wo wir dafür Wohnungen, Schulen, Kitas, Kurse und das Geld herkriegen sollten. Außerdem würde damit das Versprechen, dass das Jahr 2015 sich nicht wiederholen darf, sofort unglaubwürdig.

    Also keine „atmende“, also jährlich wechselnde oder flexible Obergrenze?

    Seehofer: Nein. Das ist doch vollkommener Quatsch.

    Wenn es am Wahlsonntag für eine Zweierkoalition mit der FDP nicht reicht, was erwartet uns dann? Eine Große Koalition oder Jamaika?

    Seehofer: Ich habe unsere Bedingungen für jede mögliche Koalition vorhin schon genannt: Sicherheit und Ordnung, Vollbeschäftigung und Gerechtigkeit. Wir werden abklären, was bei der Sicherheit möglich ist. Da geht es uns um mehr Personal und Befugnisse für Polizei und Verfassungsschutz, mehr Videoüberwachung und besseren Erkenntnisaustausch der Sicherheitsbehörden in Europa. Ordnung bedeutet geordnete Verhältnisse bei der Zuwanderung, also Obergrenze, ein Fachkräftezuwanderungsgesetz, der Schutz der europäischen Außengrenzen. Dann interessiert uns in Bayern naturgemäß die Vollbeschäftigung, also Vernunft beim Thema Automobil, Digitalisierung, Steuerentlastung. Und bei der Gerechtigkeit geht es uns um die Mütterrente und mehr Unterstützung für Familien und Kinder. Da müssen diejenigen, die mit uns regieren wollen, sagen: geht oder geht nicht, verhandelbar oder nicht verhandelbar.

    Das heißt, wenn die Grünen Jamaika wollen, dann müssen sie unter anderem einer Obergrenze und der Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer im Asylrecht zustimmen.

    Seehofer: Ja, und auch die Vernichtung der Automobilarbeitsplätze unterlassen. Damit das klar ist: Wir können gar nicht anders als Wort halten – schon allein deshalb, weil wir nächstes Jahr in Bayern Landtagswahlen haben.

    Das Gespräch führten Walter Roller, Uli Bachmeier, Michael Stifter und Rudi Wais.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Umfrageinstitut Civey zusammen. Was es mit den Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier .

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