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Interview: Ole von Beust warnt die CDU vor einem Rückfall in die 80er Jahre

Interview

Ole von Beust warnt die CDU vor einem Rückfall in die 80er Jahre

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    Ole von Beust machte 2010 von einem Tag auf den anderen Schluss mit der großen Politik.
    Ole von Beust machte 2010 von einem Tag auf den anderen Schluss mit der großen Politik. Foto: Stefan Boness, Imago Images

    Herr von Beust, haben Sie Angst um die CDU?

    Ole von Beust: Die Situation ist verdammt schwierig. So schwierig, wie es lange nicht gewesen ist. Angst habe ich trotzdem nicht. Wir haben uns auch nach der Spendenaffäre wieder zusammengerauft, obwohl die CDU damals in ihren Grundfesten erschüttert worden war.

    Viele sehen im Kanzlerkandidaten den Hauptschuldigen. Hat allein Armin Laschet die Wahl verloren?

    von Beust: Nein, ich finde es in höchstem Maße ungerecht, das allein Armin Laschet anzulasten. CDU und CSU haben die Wahl gemeinsam verloren – Nord und Süd und Ost und West, Stadt und Land. Nun zu sagen, das war alles Armin Laschet, wäre unfair.

    In diesem Wahlkampf haben sich einfach Themenfelder aufgezeigt, auf denen wir als Union sowohl personell als auch inhaltlich Lücken haben.

    Wo sind diese Lücken?

    von Beust: Ich bin in einer Zeit in die CDU gekommen, da hat sich die Bandbreite von Sozialpolitikern wie Rita Süssmuth und Norbert Blüm auf der einen Seite bis zu knallharten Konservativen wie Alfred Dregger auf der anderen Seite erstreckt. Wir haben damals eine riesige Spanne abgedeckt – mit profilierten Personen, die für unterschiedliche Segmente standen. Darüber schwebte ein alles zusammenhaltender Helmut Kohl. Diese Vielfalt in den Charakteren ist uns leider abhanden gekommen. Aber auch inhaltlich haben wir bei bestimmten Fragen eine offene Flanke.

    Zum Beispiel?

    von Beust: Die CDU stand einmal für das Versprechen, dass alle Menschen etwas vom Wohlstand haben sollen. Wir waren die Partei, die nicht nur mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden wurde, sondern auch damit, dass es fair zugeht in diesem Land. Die SPD hat sich im Wahlkampf als Schutzmacht der kleinen Leute aufgespielt. Das mag übertrieben gewesen sein. Aber wenn 70 Prozent der Bevölkerung sagen, so wie es jetzt ist, sei es ungerecht, dann kann ich auch nicht darauf antworten, dass wir einfach so weitermachen.

    Die große Bandbreite ist auch deshalb verloren gegangen, weil sich viele einstige Alfatiere die Zähne an Angela Merkel ausgebissen haben.

    von Beust: Diese Erklärung ist mir zu einfach. Ich habe Angela Merkel nie als Politikerin erlebt, die andere wegbeißt. Diejenigen, die gegangen sind, hatten doch ganz andere Gründe. Abgesehen davon: Wer weggebissen wird, der lässt sich auch wegbeißen. Dann hätten sich die Leute eben wehren müssen.

    Angela Merkel hat der CDU über viele Jahre starke Wahlergebnisse beschert. Ihre persönlichen Werte sind bis heute besser als die der Partei. Die CDU hat sich zu sehr auf Merkels Erfolgen ausgeruht. In dem Gefühl, dass sich die Kanzlerin schon um alles kümmern wird, hat die Partei vergessen, programmatisch zu arbeiten, neue Ideen zu entwickeln und Nachwuchs aufzubauen.

    Aber es gab doch durchaus innerparteiliche Widersacher.

    von Beust: Ja, aber die haben immer nur hinter vorgehaltener Hand gemeckert, ohne selbst etwas zu verändern. Das war natürlich bequem. Aber mit dieser Bequemlichkeit ist es jetzt vorbei.

    Muss die CDU wieder konservativer werden, wie es Jens Spahn und Friedrich Merz nun fordern?

    von Beust: Die CDU muss einen modernen Begriff des Konservativen definieren. Das bedeutet aber ausdrücklich nicht, zu den Werten und zur Politik der 70er und 80er Jahre zurückzukehren. Das wäre nicht konservativ, das wäre reaktionär. Zu glauben, mit konservativer Kante alleine gewinne man die Wahlen, halte ich für falsch. Wie gesagt: Die Bandbreite macht es aus.

    In den letzten Wochen vor der Wahl hat die Union praktisch nur noch versucht, mit der Warnung vor einem Linksrutsch Stimmen zu holen. War das ein Fehler?

    von Beust: Das war Notwehr. Der Wahlkampf war nicht gut konzipiert. Die Zeit lief uns davon. Man musste irgendwas finden, womit man zumindest die Stammwähler mobilisieren kann. Also hat man zu dieser Polarisierungskrücke gegriffen. Das hat sogar ein bisschen geholfen. Aber zukünftig geht das nicht mehr.

    Markus Söder ist für Ole von Beust ein Haudegen.
    Markus Söder ist für Ole von Beust ein Haudegen. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Wie beurteilen Sie die Rolle der CSU und Markus Söder in diesem Wahlkampf?

    von Beust: Na ja, er ist eben ein Schlachtross, ein Haudegen. Das war jetzt nicht besonders überraschend. Aber er ist in der Mehrheit der Bevölkerung eben auch sehr geschätzt. Und er war ja nicht der einzige, der sich lieber an Armin Laschet abgearbeitet hat, anstatt sich selbst an die Nase zu fassen. Aber es bringt jetzt nichts mehr, zurückzublicken.

    Sollte der nächste CDU-Chef von den Mitgliedern gewählt werden, anstatt von Parteitagsdelegierten?

    von Beust: Ich finde, ein Parteichef sollte vom Parteitag gewählt werden. Ich bin generell kein großer Fan von Mitgliederentscheidungen. Da ist aus meiner Sicht viel dem Zufall überlassen. Und am Ende würde doch genauso viel herumtelefoniert, um Mehrheiten zu organisieren wie vor Parteitagen auch, wenn es darum geht, die Delegierten auf eine Seite zu ziehen. Ich kann mir aber vorstellen, über den nächsten Kanzlerkandidaten die Mitglieder von CDU und CSU abstimmen zu lassen.

    Die SPD hatte zwischendurch überlegt, ob es sich überhaupt lohnt, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Nun hat Olaf Scholz beste Karten, Kanzler zu werden. Was kann die CDU daraus lernen?

    von Beust: Erstens: Jede Wahl ist gewinnbar. Zweitens: Die Deutschen wollen an der Spitze Leute, von denen Sie den Eindruck haben, sie sind ruhig, gelassen, nachdenklich, nicht polarisierend. Sie wählen einen Typus Politiker, der nach Lösungen sucht und um Ausgleich bemüht ist. Deshalb warne ich sehr davor, zu glauben, mit Polarisierung und der viel zitierten klaren Kante könne man das Ruder herumreißen.

    Armin Laschet ist diese Gelassenheit am Ende immer öfter verloren gegangen. Verstehen Sie das?

    von Beust: Klar, ich kann das nachvollziehen. Man tut als Politiker ja immer so, als ließe man sich von schlechten Umfragewerten oder negativen Schlagzeilen nicht beeindrucken. Das ist natürlich Quatsch. So ein Wahlkampf geht an die Substanz.

    Auch die eigenen Leute sind nicht gerade wie eine Wand hinter ihm gestanden.

    von Beust: Das stimmt. Und dafür habe ich wenig Verständnis. Wenn jemand als Kanzlerkandidat nominiert ist, stellt man sich entweder dahinter oder man hält die Klappe. Dass Armin Laschet zwischen den Zeilen auch von Parteifreunden ständig infrage gestellt wurde, halte ich für schlechten Stil.

    Laschets Karriere könnte schon bald beendet sein. Wie hat es sich angefühlt, als Sie damals die Tür zur Politik hinter sich zugemacht haben und als Regierender Bürgermeister von Hamburg zurückgetreten sind?

    von Beust: Für mich war es großartig. Aber es war ja auch eine freiwillige Entscheidung, zu gehen. Nach außen mag das beeindruckend wirken, wenn überall schon der Fahrer wartet, Sie immer in der ersten Reihe sitzen, jemand Ihre Reden schreibt – aber der Beruf nimmt einem eben auch ein erhebliches Maß an persönlicher Freiheit. Ich konnte das ertragen, aber eben nur eine bestimmte Zeit lang.

    Wie lange haben Sie gebraucht, um aus der Politikerrolle herauszufinden?

    von Beust: Ob Sie es glauben oder nicht Das habe ich bis heute nicht ganz geschafft. Ich denke immer noch manchmal wie ein Erster Bürgermeister. Oder wie ein Bundeskanzler.... Um Gottes Willen, das schreiben Sie jetzt besser nicht, bevor das jemand als Bewerbung versteht! Aber im Ernst: Natürlich bleibt man immer ein politisch denkender Mensch.

    Zur Person: Ole von Beust, 66, ist Rechtsanwalt und Unternehmensberater. Von 2001 bis 2010 war der CDU-Politiker Bürgermeister in seiner Heimatstadt Hamburg.

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