Die in den 90er Jahren getroffenen Entscheidungen zur Liberalisierung von Telekom und Bahn zeigen heute ihre Schwächen – vor allem im ländlichen Raum.
In diesem besonderen Sommer hat es viele Deutsche in Ecken ihres Landes verschlagen, die sie nur vom Hören kannten. Dörfer, umgeben von Natur, kleine Städte mit stolzer Geschichte und Landschaften, die zum Innehalten schön sind. Niemand würde bestreiten, dass sie zum Schatz Deutschlands gehören. Ein Teil dieser Landstriche kennt hinter den malerischen Fassaden das Gefühl, in Schönheit zu sterben. Die Jungen gehen weg und suchen anderswo ihr Glück. Stärker im Osten Deutschlands, aber auch im Bayerischen Wald oder auf der Schwäbischen Alb.
Die Ursachen dafür sind vielfältig. Der Wegzug der Jungen hat auch damit zu tun, dass der Eindruck des Abgehängtseins konkret fassbar ist. Wenn Bus und Bahn so selten fahren, dass es ohne Auto kein Fortkommen gibt. Wenn die Internetleitung und die mobile Verbindung so langsam sind, dass der Austausch über die sozialen Netzwerke zur Qual wird. Lahmendes Internet belastet auch die Firmen, von denen viele auf dem Lande ihren Sitz haben. Der deutsche Mittelstand sitzt – überspitzt gesagt – nicht in den Großstädten.
Die Privatisierung sollte Telekom und Bahn effizienter machen
Der Grund für die Abgeschnittenheit liegt in Entscheidungen, die vor zwanzig bis 25 Jahren getroffen wurden. Die Deutsche Bahn wurde privatisiert, die Telekom auch. Zuvor hatte sich die Post um die Telefonleitungen gekümmert. Sie legte Kupferkabel bis in den letzten Weiler. Die Beamtenbahn verstand ihren Auftrag als Daseinsvorsorge. Das heißt: Auch die Nebenstrecken in der tiefen Provinz wurden bedient.
Das änderte sich durch die Privatisierung. Sie sollte die schwerfälligen Apparate schneller, effizienter und günstiger machen. Das hat sie auch geschafft. Die Preise für das Telefonieren sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gesunken. Die hochdefizitäre Bundesbahn ist kein leuchtendes Beispiel aus der Vergangenheit. Auf der Strecke geblieben ist aber die Anbindung der Provinz. Für die Unternehmen macht sie keinen Sinn, weil dort die Investitionen nicht zurückverdient werden können ob der geringen Zahl der Kunden.
Für den Zusammenhalt zwischen Stadt und Land hat sich das über die Jahre zu einem ernsthaften Problem ausgewachsen. Das Gute an diesem Problem ist, dass es sich für die Bundesregierung relativ leicht beheben lässt. Das Schlechte daran ist, dass Jahre vergehen werden, bis das Umstellen der Weichen Wirkung zeigt. Aber zurück zum einfachen Teil der Aufgabe. Die Argumente für eine öffentliche Daseinsvorsorge sind gerade schwer en vogue. Soll es mit der Energiewende klappen, müssen mehr Menschen ihr Auto stehen lassen und mit der Bahn fahren. Ohne schnelles Netz werden noch mehr Junge abwandern und die Unternehmen werden ihnen folgen.
Die Corona-Pandemie ist eine Chance für die Provinz
Der Staat muss dabei nicht wie früher alles selbst in die Hand nehmen. Mit dem Mittel der Ausschreibung hat er es in der Hand, den Unternehmen Auflagen zu erteilen, damit die Fläche besser erschlossen wird. Bei der Versteigerung der 5G-Lizenzen für den neuen Mobilfunkstandard ist das geschehen. Bei der Bahn hat es der Bund als alleiniger Anteilseigner sogar noch leichter, aufgegebene Strecken wieder an das Netz anzuschließen und die Taktung zu erhöhen.
Die Corona-Epidemie ist bei all den gewaltigen gesellschaftlichen Kosten sogar eine Chance für die vergessene Provinz. Homeoffice wird es in vielen Berufen möglich machen, vielleicht nur noch zweimal pro Woche in der Firma vorbeischauen zu müssen. Weniger Pendelei macht das Leben in Dörfern und Städtchen außerhalb der Großstädte mit ihrem Mietenwahnsinn attraktiver. Vorausgesetzt, sie sind nicht abgehängt.
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Jeder kann sich mit einer Satellitenschüssel ein halbwegs schnelles Internet ins Haus holen, ein Glasfaseranschluss ist bestenfalls ein Trostpflaster für das, was sonst noch an Komfort fehlt. Was Attraktivität schafft sind Kindergärten, Schulen und Arztpraxen in Unterzentren, Sammeltaxen für ältere und sozial schwache Menschen, damit deren Mobilität gewährleitet ist.
Es ist unwirtschaftlich und sogar unökologisch, jedes Dorf mit einer attraktiven ÖPNV- Anbindung zu versorgen um dann vielleicht 5% Auslastung der Fahrzeuge zu haben. Der Individualverkehr darf nicht aus ideologischen Gründen beliebig verteuert werden, aber anders herum muss der Privat- PKW konsequent aus den Städten verdrängt werden.
Prinzipiell gebe ich Ihnen recht. Nur das mit dem Satellitenanschluss sehe ich anders. Wir haben seit unserem Umzug im Büro ein Glasfaserkabel mit 1.000 MBit/s. Damit werden z.B. Pläne in Sekunden bereitgestellt. Das geht mit einem Satellitenanschluss nicht. Die haben oft nur 150 MBit/s und weniger, der Upload ist miserabel und die Pingdauer ist wesentlich länger.
Der Kommentar beleuchtet eine dunkle Ecke in Deutschland. Die Internetversorgung ist hier genauso hundsmiserable wie der Zugang zu mobilen Daten per Mobiltelefon. Die ganzen bisher zuständigen Minister, allen voran der aktuelle Herr Scheuer, sind absolute Versager, die sich von den Internet- und Mobilfunkanbieter für dumm haben verkaufen lassen.
Liebe AA:. Bitte dran bleiben, es geht um die Zukunft Deutschlands!