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Kommentar: Die Rechnung für die Corona-Schulden wird erst nach der Wahl präsentiert

Kommentar

Die Rechnung für die Corona-Schulden wird erst nach der Wahl präsentiert

Stefan Lange
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    Die Kurzarbeit hat viele Unternehmen durch die Corona-Pandemie gerettet.
    Die Kurzarbeit hat viele Unternehmen durch die Corona-Pandemie gerettet. Foto: Jens Büttner, dpa (Symbolbild)

    Im Gegensatz zur Suche nach dem richtigen Impfstoff war das Medikament für die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie schnell gefunden: Geld, sehr viel Geld. Seit Beginn der Krise wurden bislang allein an Wirtschaftshilfen wie dem Überbrückungsgeld 110 Milliarden Euro ausgeschüttet. Plus 37 Milliarden Euro für das Kurzarbeitergeld.

    Niemand will sich vor der Bundestagswahl Chancen vermiesen

    Ohne Hilfen wäre die deutsche Wirtschaft abgeschmiert, sie waren deshalb richtig. Doch die Riesensummen werden vor allem durch neue Schulden finanziert und es mehren sich zu Recht Forderungen nach einem Kurswechsel. Die Politik müsste gegensteuern und den Rotstift ansetzen. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl will sich allerdings niemand die Chancen durch einen Sparappell vermiesen.

    Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz muss weiter kräftig Schulden machen.
    Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz muss weiter kräftig Schulden machen. Foto: Michael Kappeler, dpa (Archivbild)

    Das Dilemma zeigt sich beispielhaft an Deutschlands oberstem Kassenwart. Bundesfinanzminister Olaf Scholz senkte 2020 im Rahmen des Konjunkturpakets die Umsatzsteuer, um die Folgen der Pandemie abzufedern. Das sollte einerseits den Unternehmen helfen, bedingte andererseits aber einen Einbruch des Umsatzsteueraufkommens von knapp 24 Milliarden Euro zu Lasten des Bundes – also zum Nachteil der Steuerzahler insgesamt. Und dies ist nur ein Beispiel von vielen Einnahmerückgängen, die irgendwie wieder reingeholt werden müssen.

    Suche nach neuen Einnahmequellen: Kommt die Mindeststeuer überhaupt?

    Der Finanzminister Scholz müsste gegensteuern, das gebieten allein schon die Fiskalregeln, und auch über unpopuläre Einsparungen nachdenken. Der Wahlkämpfer Scholz hingegen verbreitet lieber vermeintlich positive Meldungen wie die 15-prozentige Mindeststeuer für internationale Konzerne. Sie soll verhindern, dass Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagert werden. Liegt der Satz dort unter 15 Prozent, wird der Rest im Heimatland eingezogen. Ende der Woche wird dazu beim Treffen der G20-Finanzminister in Venedig ein weiterer Beschluss erwartet.

    Scholz hatte in seiner Amtszeit viel Energie auf diese Steuer verwendet. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es ohne die neue US-Regierung keinen Durchbruch gegeben hätte. Die Regelung bietet zudem einige Schlupflöcher. Viele Staaten machen gar nicht erst mit, darunter EU-Länder wie Irland oder Ungarn.

    Es bleibt also abzuwarten, ob und wann die Mindeststeuer überhaupt greift. Womöglich ist ihr das Schicksal der EU-Finanztransaktionssteuer auf Gewinne aus dem Aktienhandel beschieden. Auch hier feierte Scholz schon den Durchbruch, verkündete Ende 2019, man könne „den Sack bald zumachen“. Ein Irrtum, wie man heute weiß. Scholz konnte sich auch nicht gegen die Union behaupten und den sogenannten Share Deals einen Riegel vorschieben. Durch legale Tricks sparen sich Immobilieninvestoren dabei die Steuerüberweisung ans Finanzamt. Schätzungen gehen von einem Schaden in Milliardenhöhe aus.

    Die Inflation bleibt hoch

    Es kommt nicht so viel in die Kasse, wie möglich wäre. Gleichzeitig verschlechtern sich die Rahmenbedingungen. Die Inflation bleibt hoch, die Bürgerinnen und Bürger bekommen weniger für ihr Geld. Nicht wenige Experten erwarten zudem, dass die Europäische Zentralbank die Leitzinsen erhöht, was die staatliche Refinanzierung teurer machen würde.

    Bund und EU sind auf der Suche nach neuen Einnahmequellen. Die Mindeststeuer soll eine sein, doch ob sie jemals umgesetzt wird?
    Bund und EU sind auf der Suche nach neuen Einnahmequellen. Die Mindeststeuer soll eine sein, doch ob sie jemals umgesetzt wird? Foto: Daniel Reinhardt, dpa (Symbolbild)

    Mag sein, dass die Wirtschaft in Deutschland bald wieder anzieht und zusätzliche Steuereinnahmen das Corona-Loch stopfen. Doch wer so rechnet, verkennt die globalen Risiken. Deutschland ist zudem in die EU eingebunden, die ihrerseits Corona-Schulden machen durfte, die bezahlt werden müssen. Und wie viel frisches Geld ist notwendig, wenn es im Herbst tatsächlich eine vierte Virus-Welle gibt?

    Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) mahnt immerhin jetzt schon, die „Methode Corona“ sei perspektivlos. Es sei kein Rezept für die Zukunft, dass der Staat mit immer noch mehr Milliarden jedes Problem zuschütte. Näher wird man der Wahrheit im Wahlkampf nicht kommen.

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