
EU-Staaten und Corona? Jeder für sich ist auch keine Lösung

Die Europäische Union hat den Impfstart vermasselt und uns allen schwer geschadet. Nationalen Egoismus nun als Rezept zu verkaufen, schadet aber genauso.
In der Impfwut ist offenbar jedes wütende Klischee erlaubt. Die BILD-Zeitung druckte gerade ein Foto, das angeblich die europäische Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides im September vorigen Jahres entspannt auf ihrem Balkon zeigt. Die Zeitung schimpft über die „Füße-hoch-Kommissarin“ – und suggeriert, die Zypriotin habe es sich damals in der Sonne gut gehen lassen, statt frühzeitig Impfstoff gegen Corona zu besorgen. Deswegen wohl, so der versteckte Vorwurf, müssten nun so viele Europäer sterben.
Das ist ein plumper, ein schlimmer Angriff auf die angeblich so unfähigen und arroganten „Brüsseler Bürokraten“. Noch schlimmer ist aber: Europa und die EU derzeit gegen solche Attacken zu verteidigen fällt leider verdammt schwer – weil die Europäische Union und ihre Beamten in den vergangenen Monaten leider verdammt viel falsch gemacht haben.
Ursula von der Leyen: Nicht frei von Selbstgefälligkeit
Dabei war die Idee, eine gemeinsame Lösung für den Kontinent zu finden, natürlich richtig. Doch in das EU-Korps hatte sich Größenwahn eingeschlichen, was neben vielen Stärken eine Schwäche der hoch qualifizierten Bürokraten ist. Befeuert wurde dieser Eifer durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, von Selbstgefälligkeit ebenfalls nicht frei. Natürlich gefiel ihr die Idee, sie könne – vielleicht im Duett mit ihrer Parteifreundin Angela Merkel – den Kontinent vor dem Virus retten.
Wer die EU-Strukturen kennt, weiß aber: Gesundheitspolitik ist Sache der Mitgliedstaaten, deswegen haben sich mächtige Länder selten um das Ressort gerissen. Auch die Beamten in der Kommission, die etwa im Wettbewerbsrecht jeden Weltkonzern in die Knie zwingen können, waren mangels Übung auf beinharte Einkaufsverhandlungen mit Pharmafirmen kaum vorbereitet. Dass sich dann noch Staatenlenker wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (den das Impfdesaster die nächste Wahl kosten könnte) oder Kanzlerin Merkel ständig einmischten? Gar keine gute Idee.
Dem europäischen Zusammenhalt haben sie alle so einen Bärendienst erwiesen. Warum die EU-Impfoffensive genau schief lief, verstehen nur Insider. Dass auf dem Kontinent erst wenige geimpft sind, in den USA oder Großbritannien aber schon viele, versteht hingegen jeder. Das ist ein unverhofftes Geschenk für Europa-Gegner wie den britischen Premier Boris Johnson. Dem setzten die vielen Corona-Toten in seinem Land und immer spürbarere Nachteile seines Brexit-Deals daheim eigentlich mächtig zu. Nun aber kann er sich feiern lassen, weil man dank seiner Brexit-Genialität ja nichts mehr mit verschnarchten Impfzögerern zu tun habe. Donald Trump ist nicht mehr im Amt – aber wäre er es, würde er schreien: America First.
Wollen wir werden wie Boris Johnson oder Donald Trump?
Wollen wir so werden? Natürlich nicht. Gewiss, es ist kein Impfnationalismus, im eigenen Land so schnell wie möglich so viele Impfungen wie möglich zu fordern. Aber umgekehrt stimmt es noch lange nicht, dass jedes Land am besten alleine eine Lösung für die vielleicht größte globale Krise findet. Wollen wir den Gedanken eines internationalen Miteinanders ganz aufgeben, nur weil Krise ist?
Dabei geht es ja nicht nur um das Impf-Rennen im Westen. Es geht auch um den Rest der Welt, wo viele ärmere Staaten noch gar nicht auf Impfstoff hoffen dürfen – und Solidarfonds für sie bislang eher mit Almosen bestückt werden.
Natürlich müssen wir einen deutschen Bundesgesundheitsminister gerade drängen, für uns Bürger Impfstoff einzukaufen, was das Zeug hält. Aber irgendwann müssen wir auch mal wieder darüber nachdenken (dürfen), wie wir diese Weltkrise gemeinsam hinbekommen – in Europa und in der Welt.
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Die EU ist an sich eine sehr gute Sache. Leider wurde das eigentliche Ziel in den letzten 16 Jahren aus den Augen verloren. Jetzt ist die EU eine gigantische Alimentationsmaschine mit einer Vielzahl an unterschiedlichen bedürftigen Mitgliedern, die schon mit den Grundsätzen der ursprünglichen EU nur oberflächlich Kompatibilität suggerieren, um an den Vorteilen zu partizipieren. Die nächsten Zahlungsempfänger rütteln schon am Tor und sind Beitrittskandidaten.
Zudem wurde die EU zu einer enormen Abschiebeeinrichtung von besonders hervorragenden Politikern, wie etwa der aktuellen Kommissionchefin, die ja schon national durch hervorragende Leistungen auffiel und nur gut bestellte Häuser hinterließ.
Durch die fehlende Homogenität, die unterschiedlichen Interessen arbeitet niemand mehr im Sinne einer EU nach deren Grundidee sondern für nationale Interessen. Dass da nichts mehr funktioniert, verwundert nicht. Schon alleine, dass Beitrittskandidaten, die Menschenrechte und internationales Recht mit den Füßen treten, EU Sanktionen ignorieren und dafür Milliarden von Geld (für die Abwehr von Flüchtlingen) erhalten ist doch der blanke Hohn. Wie kann so jemand, der zudem offen ein anderes EU Mitglied provoziert weiter ernsthaft Beitrittskandidat bleiben?
Die EU gehört wieder auf ihre Grundwerte gelenkt. Dazu muss neu 16 Jahren Irrfahrt ein neuer/neue/neues Steuermann/frau/es her.
Wer Sarkasmus findet, darf ihn /sie/ihn/es was auch immer gerne behalten.
Hätte die EU nicht gemeinschaftlich gehandelt, hätte man das Projekt gleich canceln können. Ich meine das Projekt EU. Wenn sich innerhalb der Staatengemeinschaft die Länder gegenseitig den Impfstoff weggekauft hätten, sich die reicheren Ländern zu Lasten der ärmeren einen Vorteil verschafft hätten - war wollte da noch an irgendeine Gemeinsamkeit glauben.
Dass die Briten sich jetzt die Hände reiben und ihren Boris feiern, sei ihnen gegönnt. Vllt. stellt sich irgendwann ja doch noch raus, dass AZ kein ganz so toller Wirkstoff ist. Und im Übrigen würde ich als EU von nun an keinen Funken Entgegenkommen mehr zeigen, was den Handel mit der Insel betrifft.
Oder man hätte Spahn und die drei beteiligten Länder einfach weitermachen lassen, statt auf den letzten Heuler der EU zu warten. Eine solidarische Verteilung hätte das ja nicht ausgeschlossen. Dieses so wichtige Thema einer unerfahrenen EU Kommissarin zu überlassen ist fahrlässig und töricht gewesen.
"Gewiss, es ist kein Impfnationalismus, im eigenen Land so schnell wie möglich so viele Impfungen wie möglich zu fordern".
Was ist das dann? Die alte Redewendung : "Das Hemd ist einem näher als die Hose." ist aktueller denn je. Und erst recht in der EU.
„Doch in das EU-Korps hatte sich Größenwahn eingeschlichen, was neben vielen Stärken eine Schwäche der hoch qualifizierten Bürokraten ist.“
Der ist richtig gut. Weil sie so viele andere „Stärken“ haben, ist der Größenwahn aber lässlich. Oder wie soll man das verstehen?
Europa ist kein Staat. Es gibt nicht die "Vereinigten Staaten von Europa". Genau so wird aber agiert in Deutschland und Brüssel. Die EU Kommission hat weder die demokratische Legitimation noch die Kompetenzen, für alle die Gesundheitspolitik zu übernehmen. Genau das ist aber durch Merkel und Leyen passiert. Man wollte ein Zeichen setzen. Europa mit einem Impfstoff einen. Was ist passiert? Genau das Gegenteil!
Frau Leyen hat in der Bundeswehr nun wirklich einen "Fehler" nach dem Anderen geliefert. Frau Merkel und Frau Leyen mögen befreundet sein. Aber dann ist es um so schlimmer, dass das als Grund herangezogen wurde sie zur Kommissionspräsidentin zu machen. Sie hat zu Ungunsten von Manfred Weber einen Job übernommen, in dem sie ganz offensichtlich genauso überfordert ist, wie in ihrem Alten.
Fazit: Hier ist jemand Kommissionspräsidentin geworden, der nicht mal zur EU Wahl gestanden hat. Mehr Verachtung für die Demokratie konnte man den Bürgern kaum vermitteln. Europa ist kein Superstaat und sollte sich auf das beschränken, wozu er geschaffen wurde. Die Völker friedlich einen, aber nicht gegeneinander aufwiegeln durch Kompetenzüberschreitungen wie Zinspolitik, Schuldenunion, Migrationsregeln oder Gesundheitspolitik.