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Kommentar: Nehmt die jungen Wählerinnen und Wähler ernst!

Kommentar

Nehmt die jungen Wählerinnen und Wähler ernst!

Manuel Andre
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    Es geht den jungen Leuten nicht um Reichtum, sondern um reelle Probleme.
    Es geht den jungen Leuten nicht um Reichtum, sondern um reelle Probleme. Foto: dpa

    Hätten bei dieser Bundestagswahl nur die Wahlberechtigten unter 25 Jahren gewählt, wäre auch diese Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen gewesen. Der große Unterschied: Christian Lindner oder Annalena Baerbock würden kurz vor der Kanzlerschaft stehen. 23 Prozent der jungen Menschen haben die Grünen gewählt, 21 Prozent die FDP. Die klassischen Volksparteien hätten endgültig ihre Bezeichnung verloren, sie stünden bei 15 Prozent (SPD) und 10 Prozent (Union).

    Auf sozialen Netzwerken wie Twitter ist die Aufregung groß: Fast niemand hätte mit diesem Ergebnis für die FDP gerechnet. Klar, die Grünen sind bei der Jugend beliebt, bei denjenigen, die berechtigte Sorgen vor der Klimakrise haben. Aber warum schneidet die FDP so gut ab? Mögliche Erklärungen münden für einige in einer Plattform, die viele Boomer (Ü50-Generation, die gerne die Jugendlichen pauschal abwertet) gar nicht kennen: Tiktok. Dort würden die jungen Leute durch Kurz-Videos von reichen Menschen mit großen Autos angezogen werden. Deshalb würde diese Generation FDP wählen.

    Dieser Erklärungsversuch ist nicht nur sehr einfach, sondern fatal. Es geht dieser Generation nicht nur um teure Autos - auch nicht auf Tiktok - sondern um reale Probleme. Die Sorgen und Ängste dieser Generationmuss eine neue Regierung ernst nehmen.

    Jungen Menschen geht es um reale Probleme

    Es geht den jungen Leuten nicht um Reichtum, sondern um reale Probleme. Auf dem Instagram-Account unserer Redaktion schreiben uns einige, warum sie FDP gewählt haben. Wichtig ist vielen das Thema Digitalisierung. Ein 18-Jähriger schreibt zum Beispiel: "Digitalisierung und Entbürokratisierung".

    In einer von Business Insider gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey durchgeführten Umfrage nannten die Befragten 18- bis 38-Jährigen am häufigsten die Digitalisierung und Internet-Infrastruktur (39,2 Prozent) als ausschlaggebendes Thema für die Wahlentscheidung. Wie soll die Politik denn heute einem jungen Erwachsenen klarmachen, dass ein gelber Papier-Impfpass der Weg zurück zur Normalität ist?

    Neben der Digitalisierung sind auch Angst vor Steuererhöhungen oder einem möglichen Tempolimit sowie eine "ernsthaft kritisierte Corona-Politik" Gründe für das Wählen der FDP. Und nicht zu vergessen: Auch der Name Christian Lindner (305.000 Follower bei Instagram) fällt oft als Begründung. Er sei der Einzige mit Charme, schreibt ein junger Mann, der laut Instagram-Profil an der LMU in München studiert.

    Grüne und FDP sitzen nun an einem Tisch

    Für die jungen Menschen ist die FDP also scheinbar keine Partei der Reichen, sondern eine, die den Bedürfnissen der eigenen Generation möglichst nah kommt. Neben der Klimapolitik, die wie kaum ein anderes Thema die Jugend bewegt, sind es eben vielleicht auch die Wünsche nach Normalität, die junge Menschen nach oder in Zeiten der Pandemie an die Wahlurne bewegen. Für den Wahlforscher Thorsten Faas sei die Datenbasis zwar noch zu schmal, das Thema Lockdown könne aber bei der Wahlentscheidung der Jungen eine Rolle gespielt haben, sagte er gegenüber unserer Redaktion.

    Jetzt sitzen Grüne und FDP an einem Tisch und überlegen, wie eine neue Regierung aussehen könnte. Exemplarisch dafür teilen Volker Wissing, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck dasselbe Bild auf Instagram. Dazu schreiben sie alle: "Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten."

    «Spannende Zeiten»: FDP-Generalsekretär Volker Wissing (von links nach rechts), Grünen-Chefin Annalena Baerbock, FDP-Chef Christian Lindner und der Co-Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, veröffentlichen nach ersten Gesprächen ein Selfie - mit abgestimmtem Wortlaut.
    «Spannende Zeiten»: FDP-Generalsekretär Volker Wissing (von links nach rechts), Grünen-Chefin Annalena Baerbock, FDP-Chef Christian Lindner und der Co-Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, veröffentlichen nach ersten Gesprächen ein Selfie - mit abgestimmtem Wortlaut. Foto: Volker Wissing, FDP, dpa

    Für viele junge Menschen besteht die Hoffnung, endlich gehört zu werden. Ihr Wunsch nach einer glaubwürdigen Klimapolitik, aber auch nach funktionierendem Internet und Online-Behördengängen muss Gehör finden. Nur so kann diese Generation von der Politik abgeholt werden, auf ein "weiter so" hat sie keine Lust mehr.

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