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Parteitag: Merkels neue Mitte

Parteitag

Merkels neue Mitte

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    Das Regierungsteam der CDU (von links): Hendrik Hoppenstedt (Staatsminister für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern), Anja Karliczek (Bildung), Annegret Kramp-Karrenbauer (Generalsekretärin), Peter Altmaier (Wirtschaft), Ursula von der Leyen (Verteidigung), Kanzlerin Angela Merkel, Jens Spahn (Gesundheit), Julia Klöckner (Agrar), Helge Braun (Kanzleramt), Monika Grütters (Kultur-Staatsministerin) und Annette Widmann-Mauz (Staatsministerin für Integration).
    Das Regierungsteam der CDU (von links): Hendrik Hoppenstedt (Staatsminister für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern), Anja Karliczek (Bildung), Annegret Kramp-Karrenbauer (Generalsekretärin), Peter Altmaier (Wirtschaft), Ursula von der Leyen (Verteidigung), Kanzlerin Angela Merkel, Jens Spahn (Gesundheit), Julia Klöckner (Agrar), Helge Braun (Kanzleramt), Monika Grütters (Kultur-Staatsministerin) und Annette Widmann-Mauz (Staatsministerin für Integration). Foto: Laurence Chaperon, dpa

    Annegret Kramp-Karrenbauer ist der viele Applaus sichtlich unangenehm. Mit einer beinahe genervten Handbewegung will sie den Parteifreunden zu verstehen geben, das begeisterte Klatschen doch endlich wieder sein zu lassen. Denn noch ist sie ja gar nicht an der Reihe. Noch ist Angela Merkel dran. Am Rednerpult, an der Parteispitze, als deutsche Bundeskanzlerin.

    Doch es gibt kaum einen Satz in der Auftaktrede der CDU-Vorsitzenden Merkel, der so viel Begeisterung unter den rund 1000 Delegierten beim Parteitag in Berlin entfacht, wie die bloße Erwähnung des sperrigen Namens der Saarländerin – die ja erst am Nachmittag zur Generalsekretärin gewählt werden soll. Kramp-Karrenbauer gehört in der CDU zu den Favoriten für Merkels Nachfolge. Mit ihrer Nominierung hat die Chefin ihren immer zahlreicheren Kritikern zuletzt das Signal gegeben, dass sie sich über das eigene, irgendwann anstehende Karriereende hinaus durchaus Gedanken über die Zukunft der Partei macht. Kramp-Karrenbauer wirkt wie ein Aufputschmittel in einer CDU, die ihrer Vorsitzenden müde geworden ist.

    Nach einem schwachen Ergebnis bei der Bundestagswahl, nach monatelangem Mühen, eine Regierungskoalition zu formen, ist Merkels Rückhalt geschmolzen. Dass beim Parteitag die Revolte ausbleibt, liegt allein daran, dass sie zuletzt mit einigen klugen Personalentscheidungen immerhin angedeutet hat, dass sie ihren Chefsessel in einigen Jahren freiwillig zu räumen gedenkt. Dass sie schon jetzt einen Blick auf ihre möglichen Nachfolger zulässt. Auf Kramp-Karrenbauer, die sie selbst favorisiert. Und sogar auf Jens Spahn, den jungen „Anti-Merkel“. Dass die Bundeskanzlerin ihm unter dem massiven Druck des konservativen Lagers eine Chance gibt, ihrem schärfsten innerparteilichen Kritiker, hat ihr zusätzlich Luft verschafft. Der bisherige Finanzstaatssekretär soll Bundesgesundheitsminister werden.

    Mit den Schlagworten „Aufbruch, Dynamik und Zusammenhalt“ hat die CDU den Parteitag überschrieben. Doch davon ist wenig zu spüren in der Rede, mit der Angela Merkel um Zustimmung zum Koalitionsvertrag wirbt. „Es liegt an uns, ob wir den Willen und die Bereitschaft ausstrahlen, dieses Land gestalten zu wollen“, sagt Merkel. Die CDU habe in den Koalitionsgesprächen mit der SPD hart verhandelt, dabei auch Zugeständnisse machen müssen. „Hätten wir die Gespräche scheitern lassen sollen? Meine Antwort ist ein klares Nein“, sagt Merkel. Ob bei der inneren Sicherheit, bei der Unterstützung von Familien oder in der Bildung – im Koalitionsvertrag sei auch viel erreicht worden. „Nach der monatelangen Hängepartie bei der Regierungsbildung ist die Übernahme von Verantwortung kein Spiel.“ Doch bezeichnend ist, dass es besonders viel Applaus gibt, als Merkel denen dankt, die in ihrem künftigen Kabinett gar keine Rolle mehr spielen. Hermann Gröhe, der im Gesundheitsministerium Platz machen muss für Jens Spahn. Thomas de Maizière, der das Innenministerium an Horst Seehofer von der CSU abgibt. Wolfgang Schäuble, der als Finanzminister für solides Haushalten stand und dessen früheres Amt nun, schmerzlich beklagt von der CDU, der SPD in die Hände fällt. Merkels wenig mitreißende Rede bleibt ohne Folgen: Gegen die Annahme des Koalitionsvertrags stimmen am Ende nur 27 Delegierte. Einige davon allerdings „mit geballter Faust in der Tasche“, wie es ein süddeutscher Abgeordneter ausdrückt. Ein offener Schlagabtausch findet kaum statt, auch wenn in der Aussprache immer wieder die Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik und am Koalitionsvertrag aufblitzt.

    Mehr als Merkels Rede beschäftigen die Delegierten die jüngsten Personalentscheidungen der CDU-Vorsitzenden. Und am Ende ist dann doch noch Annegret Kramp-Karrenbauer an der Reihe. Mit einer mitreißenden Rede legt sie die Grundlage für ihre Wahl zur Generalsekretärin mit dem Traumergebnis von 98,8 Prozent der Delegiertenstimmen. Bewusst habe sie sich dafür entschieden, nicht Ministerin zu werden, sondern ein Amt in der Partei anzunehmen. Schwerpunkt ihrer Arbeit werde die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm sein, das bis 2021 entstehen soll. Die CDU müsse alle Flügel einbinden, sich wieder als starke Volkspartei präsentieren. Sie stehe dafür, die CDU wieder zu dem Ort zu machen, „wo gerungen wird“. Mit aller Kraft, aber nicht mit Schaum vor dem Mund werde die Partei um die verlorenen Wähler kämpfen.

    Ihre leidenschaftlich vorgetragenen Worte treffen ins wunde Herz ihrer Partei. Am Ende springen die Delegierten auf, jubeln, klatschen. Welch ein Unterschied zu den eher bemühten Ovationen für Angela Merkel vier Stunden zuvor. Am Ende des Berliner Parteitags hat die CDU in ihre Zukunft geblickt.

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