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Österreich: Neuwahlen in Österreich: Sebastian Kurz auf Partnersuche

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Neuwahlen in Österreich: Sebastian Kurz auf Partnersuche

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    Ex-Kanzler Sebastian Kurz: Muss der junge ÖVP-Chef den Gründungsmythos seiner „türkisen Bewegung“ verraten?
    Ex-Kanzler Sebastian Kurz: Muss der junge ÖVP-Chef den Gründungsmythos seiner „türkisen Bewegung“ verraten? Foto: Lukas Huter, dpa

    Seit Wochen spekulieren die Österreicher darüber, mit wem Sebastian Kurz nach der Neuwahl in Österreich am Ende September weiterregieren könnte. Jetzt zeichnen sich Antworten ab: Der frühere Kanzleramtsminister Gernot Blümel, ÖVP, distanzierte sich in einem Zeitungsinterview klarer als bisher von der Rechtspartei FPÖ. „Im Nachhinein ist man immer g’scheiter“, bekannte er. „Im Vorhinein kann man in niemanden hineinschauen.“ Blümel, der durchaus als Stimme seines Herrn gesehen werden darf, machte öffentlich, was Kurz-Vertraute unter vier Augen seit einiger Zeit durchblicken lassen: Die Enttäuschung über die FPÖ sei beim Ex-Kanzler so groß, dass der zurückgetretene Regierungschef große Abneigung gegen eine neue türkisblaue Koalition verspüre.

    In offiziellen Statements wünscht Kurz sich zwar lediglich möglichst viele Koalitionsoptionen. Doch inzwischen stellen sich fast alle ÖVP-Landeschefs offen gegen ein erneutes Bündnis mit der FPÖ. Auch wenn die inhaltliche Übereinstimmung zwischen freiheitlichen und ÖVP-Wählern groß ist und die Kurz-Partei mit populistischen Themen, wie der Ausweitung des Kopftuchverbotes, in FPÖ-Wähler-Teichen fischt, betrachten auch viele Bürger nach der Ibiza-Affäre die FPÖ als Zeitbombe, die jede Koalition sprengen wird.

    ÖVP liegt in den Meinungsumfragen mit 36 Prozent klar vorn

    Auch beim Wahlvolk vollzieht sich eine Wende: In Umfragen meinen inzwischen 60 Prozent der Österreicher, dass die FPÖ nicht regierungsfähig ist. Es scheint also nachvollziehbar, wenn Kurz seine politische Zukunft nicht mit der FPÖ verknüpfen will. Doch die Suche nach Alternativen wird für den 32 Jahre alten Wahlfavoriten sehr schwer.

    Bei der Sonntagsfrage liegt die ÖVP von Kurz fünf Wochen vor der Wahl mit 36 Prozent klar vorne – gegenüber der Wahl von 2017 ein Zuwachs von gut vier Prozent. FPÖ und SPÖ liegen mit jeweils 20 Prozent gleichauf – die FPÖ verlöre damit sechs, die Sozialdemokraten sogar sieben Prozent. Die Grünen kämen auf zwölf, die wirtschaftsliberalen Neos auf neun Prozent.

    Rechnerisch könnte der absehbare Wahlsieger Kurz ohne Probleme mit der SPÖ eine Große Koalition bilden. In der Vergangenheit fiel es Rot und Schwarz leicht, ein gemeinsames Regierungsprogramm auszuhandeln. Doch genau dieses Bündnis wollte Kurz ja aufbrechen, als er 2017 Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stürzte. Paktiert er jetzt mit der SPÖ, bedeutete dies, einen Grundsatz aufzugeben, der den politschen Gründungsgedanken seiner „türkisen Bewegung“ ausmacht. Türkis wollte Österreich von den verkrusteten schwarz-roten Strukturen befreien, die es als Republik über Jahrzehnte geprägt haben.

    Eine Koalition mit der SPÖ ist schwierig

    Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist zwar alles andere als eine Traditionssozialdemokratin: Sie trat erst kurz vor ihrer Wahl in die Partei ein. Doch sie hat das Misstrauensvotum gegen Kurz nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos mit Hilfe der FPÖ ohne irgendwelche Skrupel durchgezogen.

    Die Kurz-Anhängerin und Schauspielerin Christiane Hörbiger, 80, nennt in einem „Wir für Kurz“-Video, das die ÖVP online verbreitet, Rendi-Wagners Misstrauensantrag „vollkommen verblödet“. Auch den misstrauischen und nachtragenden Ex-Kanzler Kurz dürfte der Misstrauensantrag nicht gerade motivieren, seine Gegenspielerin zur Vizekanzlerin zu machen. Doch es scheint, als müsse er über seinen Schatten springen, wenn er eine Koalition mit der FPÖ vermeiden will.

    Für eine Koalition mit den Grünen dürfte es nicht reichen

    Andere Möglichkeiten scheinen wenig realistisch. Für das aktuelle ÖVP Lieblingsmodell, die Koalition mit den Grünen, dürften deren Wahlergebnis wohl nicht reichen. Und eine Dreier-Koalition zwischen ÖVP, Grünen und den wirtschaftsliberalen Neos erfordert eine außergewöhnliche Kompromissbereitschaft aller drei Parteien. Ob auf Bundesebene eine so harmonische, schwarz-grüne Koalition machbar wäre wie in Tirol, ist fraglich.

    Leicht einigen könnte Kurz sich dagegen mit Beate Meinl-Reisinger und den Neos. Sie kommt aus der ÖVP und hat ihre Loyalität gegenüber Kurz schon dadurch bewiesen, dass sie dem Misstrauensvotum nicht zustimmte, sondern stattdessen harte Kritik an der Regierung übte. In demokratiepolitischen Fragen könnten Grüne und Neos sich einigen, in der Wirtschafts- und Umweltpolitik dagegen kaum. Doch noch sind fünf Wochen Zeit bis zum Wahltag und der Wahlkampf fängt erst an.

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