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Ortstermin: Giffey in Günzburg: Die Charmeoffensive der Familienministerin

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Giffey in Günzburg: Die Charmeoffensive der Familienministerin

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    Bundesfamilienministerin Franziska Giffey: Wechselt die letzte Geheimwaffe der SPD in die Landespolitik?
    Bundesfamilienministerin Franziska Giffey: Wechselt die letzte Geheimwaffe der SPD in die Landespolitik? Foto: Christoph Soeder, dpa

    Am Ende finden diejenigen, um die es ging, dass Franziska Giffey eine überzeugende Vorstellung abgeliefert habe. Zwischen zwei Terminen für die SPD im Kommunalwahlkampf schob die Bundesfamilienministerin am Samstag ein Treffen mit 26 Erzieherinnen aus den städtischen Kitaeinrichtungen Günzburgs ein. Und der Termin in der 21.000-Einwohner-Stadt lässt erahnen, warum Giffeys Beliebtheitswerte oft aus der Regierungsmannschaft von Kanzlerin Angela Merkel herausstechen.

    Die SPD-Politikerin geht auf die Erzieherinnen zu; findet für jede, die ins Rathaus gekommen ist, freundliche Worte; erzählt, was sie alles bislang als Familienministerin auf die Beine gestellt hat. Und wenn jemand zu sehr schwäbelt und sich Günzburgs SPD-Oberbürgermeister Gerhard Jauernig sich als Übersetzungshilfe anbietet, dann berlinert sie kurz zurück. Dialekt, selbst ein unterschiedlicher, verbindet – zumal die Erzieherinnen den Eindruck gewinnen, dass Giffey ihre Anliegen nur zu gut versteht.

    Die 41-jährige Sozialdemokratin wollte schließlich eigentlich Lehrerin werden. Doch nach zwei Semestern musste sie wegen einer Stimmstörung durch Kehlkopfmuskelschwäche ihr Studium abbrechen und wandte sich dem Verwaltungsrecht zu. Dass die in Günzburg beschriebenen Probleme nicht neu sind, ist Giffey bewusst. Es sei schlichtweg eine Frage der politischen Prioritätensetzung in der Vergangenheit gewesen. "Wenn mehr Frauen in der Politik wären, dann würde manches anders aussehen", sagte sie.

    Bleibt die Aufwertung der Erzieher-Ausbildung langfristig?

    Giffey äußert deshalb auch Zweifel, ob auch alle Landespolitiker inzwischen verstanden hätten, dass die Aufwertung der sozialen Berufe "eine nationale Zukunftsaufgabe ist". Zwar hätten sich die 16 Bundesländer inzwischen auf den Weg gemacht, doch befürchte sie, "dass manche nicht den Schuss gehört haben", wenn sie darauf pochten, dass Bildung Ländersache sei.

    Entsprechend musste Giffeys "Gute-Kita-Gesetz", dessen Umsetzung mit insgesamt 5,5 Milliarden Euro vom Bund begleitet wird, an die föderalen Bedürfnisse angepasst werden. Den Plan von bundeseinheitlichen Standards musste die Familienministerin schnell fallen lassen. Deshalb wurden zehn Handlungsfelder beschrieben – vom Betreuungsschlüssel und von starken Kitaleitungen bis hin zur Vielfalt pädagogischer Angebote und zu geeigneten Räumlichkeiten.

    Mit der Qualitätsverbesserung sollen vor allem auch Fachkräfte "gewonnen, gehalten und wieder zurückgewonnen werden können", betont die Ministerin. Die 861 Millionen Euro, die der Freistaat erhalte, "müssen auch bei Ihnen ankommen", wandte sie sich an die Erzieherinnen mit der Bitte, ihr Rückmeldung zu geben. Gegebenenfalls werde ich "den Ländern auf die Füße treten". Die Vereinbarung des Bundes mit Bayern könne dabei für jeden im Internet eingesehen werden. "Mir ist Transparenz wichtig", sagt Giffey.

    Selbst aber kann die SPD-Ministerin nicht alles in der Koalition durchsetzen, was ihr vorschwebt: Zwar gibt es das Bundesprogramm "Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher". Doch es ist offen, ob es länger als bis 2022 gilt. Das Programm hat unter anderem zum Ziel, mehr Plätze in der schulgeldfreien, vergüteten praxisintegrierten Ausbildung zu schaffen. Die werden nach den Tarifsätzen im Öffentlichen Dienst bezahlt. Konkret bedeutet das eine Brutto-Ausbildungsvergütung im ersten Jahr in Höhe von 1140 Euro im Monat und 1303 im dritten Ausbildungsjahr. Insgesamt sind bundesweit 2500 Erzieherinnen und Erzieher in das Programm aufgenommen worden.

    Der Chef der bayerischen Arbeiterwohlfahrt, Thomas Beyer, kritisiert, dass das Programm, anders als angekündigt, in zwei Jahren auslaufen soll. Der Bund betreibe "Sozialpolitik nach Kassenlage", sagt Beyer. "Die Einstellung ist falsch, arbeitsmarktpolitisch kurzsichtig und angesichts der Milliardenüberschüsse des Bundeshaushalts skandalös", kritisiert der AWO-Chef, der bis 2013 im Bayerischen Landtag als SPD-Sozialexperte saß.

    Giffey relativiert: Das im Kitajahr 2019/20 begonnene Programm werde auch bis 2022 komplett zu Ende geführt. Eine Neuauflage sei allerdings vom Koalitionspartner abgelehnt worden. Giffey will bei den nächsten Haushaltsverhandlungen einen weiteren Versuch starten. Ob sie bis dahin nicht schon anderes im Sinn hat?

    Giffey will sich zu Schlagzeilen um Ehemann nicht äußern

    Gerade bahnt sich in der Berliner Landespolitik ein parteiinterner Machtkampf an, der mit der Frage verbunden ist, ob Frohsinns-Spenderin Giffey oder der nicht amtsmüde, aber zuweilen blass wirkende Amtsinhaber Michael Müller besser geeignet ist für den Posten des Regierenden Bürgermeisters. Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sind im Herbst 2021. Mittel zum Zweck könnte der Landesvorsitz sein, um den es im Mai 2020 geht. Sozialdemokraten bedrängen Giffey als letzte Geheimwaffe der Partei bereits, diesen Schlüsselposten Müller streitig zu machen.

    Die Plagiatsvorwürfe hat die Familienministerin unbeschadet überstanden, nachdem sie ihren Doktortitel behalten durfte. Allerdings traf sie die Affäre zu einer Unzeit. Sie verzichtete auf eine Kandidatur um den SPD-Vorsitz. Viele Beobachter hatten ihr gute Chancen eingeräumt. "Ich hadere damit nicht", sagt Giffey, "sondern bringe mich für die Partei im Vorstand ein." Sie sei ohnehin so gestrickt, nach vorne zu blicken und nicht zurück.

    In der Gegenwart beschäftigt sie vermutlich die Schlagzeilen, die ihr Ehemann produziert. Er hat seinen Beamtenjob in Berlin verloren, weil er seine Arbeitszeiten nicht korrekt erfasst haben und Dienstreisen erfunden haben soll. Was wusste die Ehefrau davon? Auf diese Frage antwortet Giffey auch in Günzburg nicht, für sie sei das alles "Privatsache". Und auf die Nachfrage, dass hier ja nicht Privates politisch bewertet wird, sondern ein dienstliches Vergehen, reagierte die Bundesministerin mit den Worten: "Ich teile diese Auffassung nicht."

    Lesen Sie dazu auch: Affäre um Ehemann: Ministerin Franziska Giffey muss endlich reden

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