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Politik: So wollen die Grünen raus aus dem Corona-Tief

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So wollen die Grünen raus aus dem Corona-Tief

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    Umschalten auf digital: Die Grünen treffen sich am Samstag erstmals zu einem virtuellen Parteitag, der auch Beschlüsse fassen soll.
    Umschalten auf digital: Die Grünen treffen sich am Samstag erstmals zu einem virtuellen Parteitag, der auch Beschlüsse fassen soll. Foto: Ulrich Wagner

    Die Herausforderung ist gewaltig, und sie ist nicht nur technischer Natur. Zum ersten Mal halten die Grünen einen rein digitalen Parteitag ab – Grund ist die Corona-Krise. Denn ein Parteitag im herkömmlichen Format hätte für Delegierte, Besucher und Medienvertreter ein zu großes Ansteckungsrisiko bedeutet. Für die Parteispitze um Annalena Baerbock und Robert Habeck aber liegt die größere Herausforderung bei dem virtuellen Treffen darin, den Abwärtstrend zu stoppen, in den die Grünen durch die Pandemie geraten sind.

    Grüne wollen Konzept gegen Coronavirus und dessen Folgen

    Schaffen wollen sie das mit dem, was viele Bürger in den vergangenen Wochen vermissten: mit einem klaren grünen Konzept zur Bewältigung der Pandemiesituation und ihren Folgen. Wie Baerbock und Habeck am Dienstag in einer – virtuellen – Pressekonferenz erläuterten, wollen die Grünen den Bürgern ein umfassendes „neues Sicherheitsversprechen“ machen. So fordert der Leitantrag für den Online-Parteitag am Samstag eine Ausgabe-Offensive in Höhe von 100 Milliarden Euro noch in diesem Jahr, um die sozialen und wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie abzufangen. Es gehe darum, den bestehenden Schutzschirm weiter aufzuspannen, um zu verhindern, dass sich die soziale Ungleichheit in der Krise weiter verstärke. Konkret solle die mit einem „Corona-Elterngeld“, einem Kurzarbeitergeld für Solo-Selbstständige und einem aufgestockten Hartz-IV-Satz geschehen. Weitere Forderungen sind eine Strompreis-Absenkung und Einkaufsgutscheine für alle Bürger, um den lokalen Einzelhandel zu stützen.

    Die Grünen sind in Umfragen massiv zurückgefallen

    Bereits jetzt haben die Grünen durch die Ausnahmesituation erheblich gelitten. Galten sie noch vor wenigen Wochen als mögliche Kanzlerpartei, sind sie nun in Umfragen massiv zurückgefallen. Von Werten um die 25 Prozent ging es um rund zehn Zähler nach unten. Der Verlust an Zustimmung ist so hoch wie bei keiner anderen Partei, vorbei sind die Zeiten, in denen die Union auf Augenhöhe schien. In der Wählergunst reicht es derzeit nur noch für Platz drei hinter einer weiter schwächelnden SPD. Experten führen dies vor allem darauf zurück, dass viele Bürger die Problemlösungs- und die Wirtschaftskompetenz der Grünen als gering einschätzen. Dagegen ist das grüne Kernthema Klimawandel in den Hintergrund getreten. Jetzt wollen die Grünen die Wirtschaftspolitik in den Vordergrund rücken und gleichzeitig mit Klimafragen verbinden.

    Grüne wollen klimafreundlich aus der Corona-Krise gehen

    Dieter Janecek, industriepolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sagte unserer Redaktion: „Jetzt geht es darum, mit grünen Ideen aus der Krise zu wachsen. Gegen Corona gibt es hoffentlich bald einen Impfstoff, gegen die Klimakrise leider nicht. Deshalb wollen wir Investitionen vorziehen beim Umbau in die Wasserstoffwirtschaft, dem Ausbau erneuerbarer Energien oder der Antriebswende in der Automobilindustrie.“ Für heimische Anbieter von medizinischen Schutzgütern wie Masken fordert Janecek „verbindliche Abnahmeverpflichtungen des Staates.“ Die geforderte „deutliche Senkung der EEG-Umlage von fünf Cent pro Kilowattstunde“ entlaste Verbraucher und mache Elektroautos, Wärmepumpen oder Wasserstoff-Anwendungen wirtschaftlicher, so Janecek.

    Wirtschaftshilfen sollen an ökologische Vorgaben geknüpft werden

    Insgesamt wollen die Grünen alle Wirtschaftshilfen, die über die ersten Akuthilfen hinausgehen, an ökologische Vorgaben knüpfen – etwa eine Reduzierung des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen. Bei der Finanzierung der Maßnahmen setzen sie in Zeiten von Negativ-Zinsen vor allem auf neue Schulden.

    Auch den bei Parteitagen üblichen prominenten Gast bieten die Grünen am Samstag auf. Per Video zugeschaltet wird der ehemaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der eigentlich zur konservativen europäischen Parteienfamilie gehört. Die digitale Einladung des glühenden Europäers aus Luxemburg steht für den grünen Wunsch, den durch Corona belasteten europäischen Zusammenhalt wieder zu stärken.

    Wie der digitale Parteitag abläuft

    Redebedarf gibt es also vor dem digitalen „Länderrat“, wie der kleine Parteitag offiziell heißt, genug. Daran, dass sich die hundert Delegierten auch virtuell reibungslos austauschen können, wird in der Berliner Grünen-Bundeszentrale seit Wochen intensiv gearbeitet. In der Parteizentrale sollen am Samstag einzelne Redner unter Einhaltung der Corona-Abstandsregeln in einem ansonsten leeren Konferenzraum in die Videokameras sprechen. Ausgeloste Redner werden von außen zugeschaltet. Auf verschiedenen Kanälen wird gleichzeitig diskutiert, die gesamte Veranstaltung wird live auf www.gruene.de sowie auf Facebook und Youtube übertragen.

    Die digitalen Fäden laufen bei Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner zusammen. Unserer Redaktion sagte er: „Mit dem digitalen Parteitag gehen wir einen Schritt, den auf Bundesebene bislang noch keine Partei gewagt hat. Ich freue mich auf dieses Experiment.“ Kellner schränkt ein, Parteitage seien „nie Selbstläufer, digitale noch weniger“. Dennoch sieht er dem Netz-Parteitag gelassen entgegen: „Ich denke, wir sind gut aufgestellt, weil wir schon vor der Corona-Krise unsere Partei Schritt für Schritt digitalisiert haben.“ Kellner gibt aber zu: „Die Stimmung im Saal wird mir fehlen.“ Auch der Grünen-Digitalexperte Dieter Janecek sagt: „Ich freue mich wieder auf analoge Zusammentreffen, wir Menschen sind halt doch soziale Wesen.“

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