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Tübingens Bürgermeister: Palmer wehrt sich gegen Ausschlussverfahren: "Partei braucht mich"

Tübingens Bürgermeister

Palmer wehrt sich gegen Ausschlussverfahren: "Partei braucht mich"

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    Boris Palmer (Grüne), Oberbürgermeister von Tübingen sorgte für einen Eklat auf Facebook.
    Boris Palmer (Grüne), Oberbürgermeister von Tübingen sorgte für einen Eklat auf Facebook. Foto: Marijan Murat, dpa

    Die Grünen in Baden-Württemberg wollen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer aus der Partei ausschließen. Beim Landesparteitag stimmte die Mehrheit für ein Ausschlussverfahren gegen den Politiker. Zuvor hatte sich Palmer in einem Facebook-Post zur aktuellen Debatte über die ehemaligen Fußballspieler Jens Lehmann und Dennis Aogo geäußert und mit einem rassistischen Kommentar provoziert.

    In einem Facebook-Kommentar schrieb Palmer: "Der aogo ist ein schlimmer Rassist. Hat Frauen seinen n****schwanz angeboten." Dieser Kommentar (Palmer schrieb das N-Wort aus) war die Antwort unter einem Facebook-Posting als ihm Rassismus-Relativierung vorgeworfen worden war.

    Palmer: "Der Sinn des Satzes wird bewusst in sein Gegenteil verkehrt"

    In den sozialen Medien wurde Palmer Rassismus vorgeworfen, auch Politiker der eigenen Partei kritisierten den Tübinger Oberbürgermeister hart für seine Provokation. Palmer selbst berief sich in den Kommentaren darauf, dass es Ironie sei, einen Schwarzen als "Rassisten" zu bezeichnen. Die Benutzung des N-Worts sei ein Zitat gewesen. Tatsächlich gibt es einen Screenshot in dem zu sehen ist, wie eine andere Facebook-Nutzerin genau diesen Ausdruck im Zusammenhang mit Aogo verwendet.

    In einer Stellungnahme am Samstag auf seiner Facebook-Seite verwies der Tübinger Oberbürgermeister weiter auf das Zitat: "Der Sinn des Satzes wird bewusst in sein Gegenteil verkehrt, indem der Kontext herausgeschnitten wird. Es soll der toxische Eindruck erweckt werden, ich sei der Urheber des Satzes mit dem N-Wort und also ein Rassist."

    Boris Palmers Posting sei Kritik an Cancel Culture

    Palmers Posting am Freitag begann mit den Worten: "@cancel Culture: Lehmann weg. Aogo weg. Ist die Welt jetzt besser? Eine private Nachricht und eine unbedachte Formulierung, schon verschwinden zwei Sportler von der Bildfläche." Der Bürgermeister von Tübingen wollte mit seinem Posting, so scheint es zumindest, darauf aufmerksam machen, dass nun beide ihrem Job los sind. Den Grund darin sieht Palmer in der sogenannten Cancel Culture. Der Begriff bezieht sich im weitesten Sinne darauf, eine Person aufgrund eines vermeintlichen Fehlverhaltens öffentlich zu ächten und damit zu "canceln", also auf Deutsch so etwas wie "abzusetzen".

    Palmer wollte mit seinem Post vermutlich genau das kritisieren und schrieb: "Nun schaue ich mir das nie an und vielleicht sind Sportler auch nicht immer die besten Kommentatoren. Aber der Furor, mit dem Stürme im Netz Existenzen vernichten können, wird immer schlimmer. Cancel culture macht uns zu hörigen Sprechautomaten, mit jedem Wort am Abgrund. Ich will nicht in einem solchen Sprachjakobinat leben." 

    Jens Lehmann und Dennis Aogo haben ihre Jobs verloren

    Jens Lehmann hatte aufgrund eines rassistischen Kommentars gegenüber dem ehemaligen Fußballer und Fernsehexperten Dennis Aogo seinen Job bei Hertha BSC Berlin verloren. In einem privaten Chat hatte er Aogo als "Quotenschwarzen" bezeichnet. Auch Aogo selbst hatte kurz darauf seine Arbeit als Sky-Experte ruhen lassen, weil er im Rahmen einer Fernsehübertragung den Ausdruck "Trainieren bis zum Vergasen" benutzte.

    Kritik kommt auch von Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock

    Die Kanzlerkandidatin der Grünen Annalena Baerbock kritisierte Palmers Aussagen: "Die Äußerung von Boris #Palmer ist rassistisch und abstoßend. Sich nachträglich auf Ironie zu berufen, macht es nicht ungeschehen. Das Ganze reiht sich ein in immer neue Provokationen, die Menschen ausgrenzen und verletzen. Boris Palmer hat deshalb unsere politische Unterstützung verloren. Nach dem erneuten Vorfall beraten unsere Landes- und Bundesgremien über die entsprechenden Konsequenzen, inklusive Ausschlussverfahren", schrieb die Politikerin auf Twitter.

    Südwest-Grüne leiten Ausschlussverfahren gegen Boris Palmer ein

    Die Grünen in Baden-Württemberg wollen den Tübinger Oberbürgermeister aus der Partei ausschließen. Beim Landesparteitag stimmten 161 Delegierte für ein Ausschlussverfahren, 44 dagegen und 8 enthielten sich. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann kritisierte Palmer ebenfalls hart. "Solche Äußerungen kann man einfach nicht machen. Das geht einfach nicht", sagte der grüne Regierungschef am Samstag am Rande des Landesparteitags in Stuttgart. "Ich finde es auch eines Oberbürgermeisters unwürdig, dauernd mit Provokationen zu polarisieren."

    Paradoxerweise hatte Palmer die Delegierten wenige Minuten vor ihrer Entscheidung noch angefeuert, diesen Beschluss zu fassen. Er ließ sich für eine Gegenrede zu dem Ausschlussantrag in den Parteitag schalten. Er habe Aogo nur in Schutz nehmen wollen, weil der wegen der Aussage "trainieren bis zum Vergasen" nicht mehr als TV-Experte auftreten könne. Bei ihm selber gehe es darum, abweichende Stimmen zum Verstummen zu bringen, schimpft Palmer. "Daher kann und will ich nicht widerrufen." Er werde sich in dem Verfahren gegen "haltlose und absurde Vorwürfe" zur Wehr setzen, sagt Palmer, der seit 25 Jahren bei den Grünen ist und seit 2007 OB in Tübingen. 

    Und: Er sendet in seiner Rede ein eindeutiges Warnsignal an die Grünen im Bundestagswahlkampf. Er gedenkt zu kämpfen. "Ich bin heute mehr denn je überzeugt, dass diese Partei mich braucht." Er will sich den Vorgaben der "Generation beleidigt" nicht beugen.

    Palmer sorgt nicht zum ersten Mal mit provokanten Aussagen für Aufsehen 

    Die Landespartei hatte Palmer schon im Mai 2020 den Austritt nahegelegt und ihm ein Ausschlussverfahren angedroht. Schon damals hatte Palmer mehrfach mit provokativen Äußerungen für Empörung gesorgt, unter anderem mit einem Satz zum Umgang mit Corona-Patienten. "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären", hatte er damals in einem Interview gesagt. (mit dpa)

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