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Kommentar: Verbote, Verordnungen: So gängelt der deutsche Staat seine Bürger

Kommentar

Verbote, Verordnungen: So gängelt der deutsche Staat seine Bürger

Rudi Wais
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    Verbote, Verordnungen: So gängelt der deutsche Staat seine Bürger
    Verbote, Verordnungen: So gängelt der deutsche Staat seine Bürger Foto: Stefan Sauer (dpa)

    Große Veränderungen beginnen häufig im Kleinen. In Tübingen, zum Beispiel, ist der gute, alte Ziegelstein bald ein Fall für das Heimatmuseum. Weil es die städtische Klimabilanz verbessert, will Oberbürgermeister Boris Palmer Bauherren zwingen, nur noch mit Holz zu bauen. Eine junge Familie, die Hunderttausende in ihr Eigenheim investiert, könnte damit nicht mehr frei entscheiden, wie sie leben will. Entweder sie baut ein Holzhaus - oder sie baut eben nicht in Tübingen. Palmer wird das ein Gebot der ökologischen Vernunft nennen. Tatsächlich ist seine Initiative nur ein neues Beispiel für die zunehmende staatliche Gängelei.

    Die Freiheit in Deutschland stirbt scheibchenweise

    Die Freiheit in Deutschland stirbt scheibchenweise - und niemanden stört es. Als die Grüne Renate Künast einst für einen fleischlosen Tag warb, den berühmten Veggie Day, war die Entrüstung noch groß. Darf ein Staat seinen Bürgern vorschreiben, was sie zu essen haben? Mit den Jahren jedoch hat sich in der deutschen Politik eine Kultur des Verbietens und Intervenierens etabliert, die immer bizarrere Züge annimmt. Jüngstes Beispiel: Gesundheitsminister Jens Spahn will Ärzten das Honorar kürzen, wenn sie ihre Befunde nicht digital erfassen - als ob ein Arzt nicht selbst bestimmen kann, wie er seine Praxis führt. Die Umwelthilfe will Silvesterböller verbieten, der Grüne Anton Hofreiter alle Benziner und Diesel von unseren Straßen verbannen und der SPD-Politiker Karl Lauterbach eine Steuer auf Zucker erheben, um etwas gegen Übergewicht und schlechte Ernährungsgewohnheiten zu tun.

    Nach dieser Logik könnte eine Regierung auch eine Schreibtischsteuer einführen, weil das lange Sitzen bei Millionen von Menschen zu Rückenleiden führt. Oder eine Motorradsteuer, weil das Unfallrisiko auf einem Zweirad höher ist. Oder doch nur die CO2-Steuer, die neuen Wunderwaffe im Kampf gegen die Klimakatastrophe? Anstatt den Bau von Wohnungen zu forcieren, traktiert der Staat Vermieter lieber mit einer Mietpreisbremse. Anstatt den Nahverkehr auszubauen, sperrt er seine Städte für Dieselfahrzeuge - und wehe, es kommt jemand auf die Idee, spätabends noch bei einem Glas Wein auf dem Balkon zu sitzen. Ginge es nach der bayerischen SPD, müssten an privaten Gebäudefassaden ab 23 Uhr die Lampen ausgeknipst werden, damit dort keine Insekten verbrennen. Also: Wandleuchte aus und ein Teelicht auf den Tisch!

    Deutschland ist überreguliert und entmündigt seine Bürger

    Für jedes Verbot, jeden neuen Eingriff und jede neue Steuer findet die Politik gute Gründe. In der Summe aber entmündigt der Staat seine Bürger schleichend, weil er ihnen nicht zugesteht, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, oder bestimmte Verhaltensweisen einfach nur erzwingen will. So verkehrt sich der Freiheitsbegriff irgendwann in sein Gegenteil, aus Freiheit wird Bevormundung, aus dem Vertrauen in den Einzelnen Misstrauen gegenüber der Masse. Dabei gewährt nicht der Staat den Bürgern ihre Freiheit - die Bürger erlauben es dem Staat, ihre Freiheit dort einzuschränken, wo es für das Gemeinwohl, für ein funktionierendes Miteinander oder ihre Sicherheit nötig ist. Ein Holzbau-Zwang, Böllerverbote oder das Enteignen von Hausbesitzern gehören sicher nicht dazu.

    Vom Baurecht über die Steuern bis zu den Banken: Deutschland ist überreguliert und unterliberalisiert. Genährt aber wird diese Politik nicht zuletzt durch die Bequemlichkeit vieler Menschen, die im Zweifel darauf vertrauen, dass ihr Staat es schon irgendwie richten wird. Das ist, einerseits, Ausdruck eines demokratischen Urvertrauens, zugleich aber auch ein alarmierendes Zeichen. Wie sagte der Philosoph Carl-Friedrich von Weizsäcker? „Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst und durch Nichtgebrauch dahinschwindet.“

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