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Foto: Christophe Gateau/dpa
Foto: Christophe Gateau/dpa

Das Archivfoto zeigt eine Kundgebung gegen Antisemitismus in Hannover.

Hintergrund
19.05.2021

Wurzeln des Judenhasses: Was ist eigentlich Antisemitismus?

Von Rudi Wais

Seit Tausenden von Jahren werden Juden verhöhnt, verachtet und verfolgt. Der Antisemitismus hat dabei viele Ausprägungen.

Der Hass auf Juden hat tiefe Wurzeln. In der antiken Welt, die viele Götter kannte, war der jüdische Monotheismus eine Provokation. Das frühe Christentum gab den Juden nicht nur die Schuld am Tod Jesu am Kreuz, sondern empörte sich auch darüber, dass die Juden Jesus nicht als Messias anerkannten. Im Mittelalter wurden die Juden als "Brunnenvergifter" gebrandmarkt, die das Wasser mit Absicht verunreinigt und damit die Pest verbreitet hätten. Pogrome mit Hunderttausenden von Toten waren die Folge.

Juden wurden über hunderte Jahre diskriminiert

Der Antisemitismus in seiner heutigen Form reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück, als sich krude Theorien von vermeintlich höheren und angeblich niederen Rassen zu etablieren begannen. Im Lauf des 19. Jahrhunderts schließlich wurden Juden nicht nur als fremdes, heimatloses Volk verunglimpft, sondern quasi für alles verantwortlich gemacht, was in der sich industrialisierenden Welt schiefzulaufen schien.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Seit Gründung des Staates Israel kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Nachbarn. Der erste Nahostkrieg war für Israel ein Unabhängigkeitskrieg - für die Palästinenser hingegen der Beginn der "Nakba", ihrer Flucht und Vertreibung.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

29. November 1947: Die Vollversammlung der Vereinten Nationen ruft zur Teilung des britischen Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat auf (Resolution 181). Die Juden stimmen zu, die Araber in Palästina und die arabischen Staaten lehnen den Plan ab.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

14. Mai 1948: David Ben Gurion verliest Israels Unabhängigkeitserklärung. Am Tag darauf erklären die arabischen Nachbarn Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien den Krieg. Im Kampf kann der neue Staat sein Territorium vergrößern und den Westteil Jerusalems erobern. Rund 700.000 Palästinenser fliehen.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Oktober 1956: In der Suez-Krise kämpfen israelische Truppen an der Seite Frankreichs und Großbritanniens um die Kontrolle des Suez-Kanals, den Ägypten zuvor verstaatlicht hatte.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Juni 1967: Im Sechstagekrieg erobert Israel den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, das Westjordanland, Ostjerusalem und die Golanhöhen.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Oktober 1973: Eine Allianz arabischer Staaten unter Führung von Ägypten und Syrien überfällt Israel an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. Nur unter schweren Verlusten gelingt es Israel, den Angriff abzuwehren.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

März 1979: Israels Regierungschef Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar al-Sadat schließen einen von den USA vermittelten Friedensvertrag.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Juni 1982: Beginn der Operation "Frieden für Galiläa". Israel greift Stellungen der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO im Libanon an und marschiert ins Nachbarland ein.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Dezember 1987: Ausbruch des ersten Palästinenseraufstands ("Intifada").

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

September 1993: Israels Ministerpräsident Izchak Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat unterzeichnen die Oslo-Friedensverträge.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

4. November 1995: Rabin wird nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv von einem jüdischen Fanatiker erschossen.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

September 2000: Nach einem Besuch von Israels damaligem Oppositionsführer Ariel Scharon auf dem Tempelberg in Jerusalem bricht die zweite Intifada aus.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

2003: Israel beginnt mit dem Bau einer 750 Kilometer langen Sperranlage rund ums Westjordanland. Zäune und Mauern verlaufen zum Teil auf palästinensischem Gebiet.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

August 2005: Gegen den Widerstand der Siedler räumt Israel alle Siedlungen im Gazastreifen und zieht seine Truppen aus dem Palästinensergebiet am Mittelmeer ab.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Juli 2006: Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz liefern sich einen einmonatigen Krieg.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Juni 2007: Die radikal-islamische Hamas vertreibt in einem blutigen Machtkampf unter Palästinensern die Fatah von Mahmud Abbas aus dem Gazastreifen.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Jahreswende 2008/2009 bis August 2014: In drei Konflikten bekriegen sich das israelische Militär und die Hamas im Gaza-Streifen. Kurz vor dem Krieg 2014 scheitert der bisher letzte Versuch der beiden Seiten, am Verhandlungstisch einen Frieden zu vereinbaren.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Dezember 2017: US-Präsident Donald Trump verkündet den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Die Entscheidung stößt international auf heftige Kritik.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Frühjahr 2018: Am Grenzzaun zwischen Israel und Gazastreifen beginnen wochenlange Demonstrationen von Palästinensern für das Recht auf Rückkehr ins Gebiet des heutigen Israels. Mehr als 100 werden von der Armee erschossen. Die USA eröffnen ihre Botschaft in Jerusalem.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Januar 2020: Trump und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu präsentieren einen Nahost-Friedensplan. Die Palästinenser sehen das Völkerrecht verletzt.

Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

Mai 2021: In Jerusalem kommt es zu schweren Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern. Aus dem Gazastreifen werden Raketen auf Israel abgefeuert, das mit Luftangriffen reagiert. Dabei werden in Gaza mehrere Palästinenser getötet. (dpa)

Juden wurden als Wucherer und Spekulanten diskriminiert, es entstanden die ersten Karikaturen vom hässlichen, gebückten und hakennasigen Juden. Der Vorwurf, das Judentum wolle die Völker zersetzen und strebe eine Art Weltherrschaft an, schwang dabei im Subtext immer mit. Am Ende dieser Epoche steht der Holocaust mit mehr als sechs Millionen ermordeten Juden.

Eine verbindliche Definition für Antisemitismus gibt es nicht

Eine präzise, für alle verbindliche Definition von Antisemitismus gibt es nicht. Faktisch bezeichnet Antisemitismus heute alle Erscheinungsformen der Judenfeindschaft - historisch, religiös, politisch, von rechts, von links oder aus dem muslimischen Milieu. Vereinfacht gesagt: Die Juden (oder Israel) werden für etwas kritisiert, für das man andere nicht kritisieren würde.

Antisemitismus-Definition der Bunderegierung

Die Bundesregierung hat sich 2017 die Definition einer Allianz von Staaten zum Gedenken an den Holocaust zu eigen gemacht: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Er richte sich "in Wort oder Tat" gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder gegen deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. "Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein."

Auf dieser Basis hat der Bundestag beispielsweise die Aufrufe der so genannten BDS-Kampagne zum Boykott von israelischen Waren, Unternehmen, Wissenschaftlern, Künstlern und Sportlern vor zwei Jahren als antisemitisch verurteilt.

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