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Flüchtlingsheime: Wenn das Anschlagsrisiko teuer wird - Versicherungskosten steigen

Flüchtlingsheime

Wenn das Anschlagsrisiko teuer wird - Versicherungskosten steigen

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    Dieses Flüchtlingsheim in Tröglitz wurde Opfer eines Brandanschlags.
    Dieses Flüchtlingsheim in Tröglitz wurde Opfer eines Brandanschlags. Foto: Polizei Sachsen-Anhalt/Archiv (dpa)

    Peter Müller bekommt regelmäßig Post, die sich niemand wünscht. Der Rentner vermietet ein altes Hotel, das in einer ländlichen Gegend im Landkreis Günzburg steht. Den Ort will Müller nicht in der Zeitung lesen, ebenso nicht seinen echten Namen. Noch vor einem Jahr kostete die Brandschutzversicherung für das Gebäude 160 Euro, sagt Müller. Jetzt fordert die Versicherung 2000 Euro. Zwölfeinhalb Mal mehr. Und zwar, weil 35 Flüchtlinge in das Gebäude eingezogen sind.

    Der Fall Müller ist kein Einzelfall. In Marburg, Kassel oder Augsburg stöhnen Betreiber von Flüchtlingsheimen über hohe Versicherungskosten und Kündigungen. Den Landratsämtern, die für die Unterbringung verantwortlich sind, sind solche Fälle bekannt. Eine Sprecherin des Landratsamts Augsburg sagt, es sei „in der Vergangenheit regelmäßig vorgekommen“, dass Versicherer den Brandschutzvertrag kündigten, um die Kosten dann stark zu erhöhen. In den meisten Fällen böten sie nach der Kündigung aber gar keine Versicherung mehr an. Auch ein Sprecher des Landratsamts Neu-Ulm kennt das Problem und spricht von „Zuschlägen“ in den Abrechnungen für viele Heime, die er aber nicht beziffert.

    Zahl der Anschläge steigt

    Ein Grund ist wohl die Angst der Versicherer vor Bränden. Im April attackierten Unbekannte eine geplante Asylunterkunft in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) und brannten den Dachstuhl ab. Allein im vergangenen Jahr zählte das Bundeskriminalamt 162 Angriffe von Rechtsextremen auf Asylunterkünfte in Deutschland. Das sind fast dreimal so viele wie im Jahr 2013.

    Auch das Landratsamt Augsburg erklärt sich die Beitragserhöhungen damit, dass die Versicherer Anschläge auf Asylunterkünfte befürchten und sich deswegen mit hohen Summen vor allem gegen Brände absichern wollen. Außerdem könne ein Feuer im Haus ausbrechen, sagt die Sprecherin. Zum Beispiel dann, wenn die Bewohner Küchengeräte falsch bedienen.

    In einem Fall im Odenwald kam es deswegen zu einer Kündigung. Die Versicherung sprach von einer „Gefahrenerhöhung“, als dort Flüchtlinge in ein Heim zogen. Sie nahm die Kündigung erst kürzlich zurück, als der öffentliche Druck wuchs. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bat seine Mitglieder schließlich auf Bitten des Justizministeriums, derartige Kündigungen zu unterlassen.

    Was sagen die Vertreter der Versicherungen?

    Auch in dem Fall von Peter Müller sieht die Versicherung eine erhöhte Brandgefahr. In dem ehemaligen Hotel leben 35 Flüchtlinge aus Eritrea und Syrien. Auch Kinder. Mit einem Brandanschlag rechnet Müller nicht: „Es gibt keinen Widerstand von der Bevölkerung.“

    Eine Sprecherin des GDV will sich zu solchen „Einzelfällen“ nicht äußern. Auch könne der GDV keine Kriterien nennen, wie die Versicherungen ein Risiko berechnen. Für steigende Beiträge könne es aber auch andere Gründe geben. So seien leer stehende Gebäude oftmals nur gegen Feuer versichert. Ziehen dort Flüchtlinge ein, erweitere sich der „Leistungsumfang um Sturm, Hagel und Leitungswasser“. Bei einzelnen Wohnungen, die sich nicht in einer Flüchtlingsunterkunft befinden, sei „nicht ausschlaggebend“, ob eine deutsche Familie oder Flüchtlinge in einem Gebäude wohnen. Dort sieht die Sprecherin keinen Grund für Versicherer, die Beiträge zu erhöhen.

    Zahl der Anschläge häufen sich - Zahl der Flüchtlinge steigt

    Im Februar brannte ein Flüchtlingsheim in Escheburg in Schleswig-Holstein. Ein 39-Jähriger hat die Tat gestanden.

    Anfang April zündeten Brandstifter ein Haus in Tröglitz an, wo im Mai Flüchtlinge unterkommen sollten.

    Das Bundeskriminalamt zählte für das Jahr 2014 insgesamt 162 Angriffe von Rechtsextremen auf Asylunterkünfte in Deutschland - fast dreimal so viele wie im Jahr davor.

    Neue Prognose: Die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr mit deutlich mehr Flüchtlingen in Deutschland als bislang erwartet: Die Zahl der Asylanträge könne sich im Jahresverlauf auf 450 000 summieren, heißt es in einer Prognose des Innenministeriums. Bislang waren offiziell hunderttausend Anträge erwartet worden.

    In Bayern werden dieses Jahr insgesamt 60 000 Flüchtlinge erwartet.

    Flüchtlingsgipfel: Heute treffen sich im Kanzleramt Vertreter von Bund und Ländern. Es wird allerdings kein Durchbruch im Streit um die Kosten der Flüchtlingsunterbringung erwartet. Dies könnte ein Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Merkel Mitte Juni bringen.

    Kritik an der Praxis der Versicherer kommt von Bundesjustizminister Heiko Maas. Er bezeichnete es in der Welt als „fatales Signal“, wenn Versicherungen Verträge mit Flüchtlingsheimen kündigten. Wer Unterkünfte zur Verfügung stelle, dürfe nicht bestraft werden. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, beklagt auf Anfrage unserer Redaktion: „Es (die Praxis) spielt denen in die Hände, die Flüchtlingsunterkünfte mit Gewalt zu verhindern versuchen.“ Hohe Beiträge und Kündigungen dürfen „zu keinem grundsätzlichen Problem“ für die Unterbringung von Flüchtlingen werden. Peter fordert transparente Kriterien für die Risikobewertung von Flüchtlingsheimen.

    Für Peter Müller sind die hohen Kosten weiter eine große Belastung. Trotzdem sei er „froh“, überhaupt versichert zu sein. Eine Versicherung ist zwar keine Pflicht. Sollte es brennen, müsste er aber um seine Existenz fürchten. „Noch“, sagt Müller, lohne sich die Unterbringung der Flüchtlinge.

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