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Analyse: Was steckt hinter Söders Wende bei der Impfpflicht?

Analyse

Was steckt hinter Söders Wende bei der Impfpflicht?

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    Die Parteichefs Markus Söder und Friedrich Merz bei der Klausur der CSU-Landesgruppe vorige Woche: Angriffssignal gegen die Ampelparteien?
    Die Parteichefs Markus Söder und Friedrich Merz bei der Klausur der CSU-Landesgruppe vorige Woche: Angriffssignal gegen die Ampelparteien? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Es ist für viele außerhalb Bayerns eine überraschende Wende. Ministerpräsident Markus Söder setzt die Impfpflicht für Krankenhäuser, Seniorenheime und Pflegedienste im Freistaat aus. Unklar ist damit, ob sie dort jemals greifen wird. Einiges spricht dafür, dass der CSU-Chef die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht damit in weiteren Bundesländern faktisch erledigt hat – und die geplante allgemeine Impfpflicht für weite Teile der Bevölkerung gleich mit. Wer soll sie rechtfertigen, wenn es nicht einmal zum Schutz der Verletztlichsten gelingt?

    Söder war bis vor kurzem der Spielführer des Teams Vorsicht, der für eine strenge Seuchenpolitik stand. Es liegt noch nicht lange zurück, da konnte ihm die Impfpflicht gar nicht weit genug gehen. Anfang Dezember brachte er eine Pflicht zur Immunisierung gegen das Coronavirus ab zwölf Jahren ins Spiel. So etwas „wäre gut“, meinte er damals. Immer wieder sprach er sich in dieser Zeit für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen aus. „Das wäre auch ein wichtiges Signal für die Bereiche Pflege und Senioren, also unseren gefährdetsten Gruppen“, sagte er beispielsweise.

    Aussetzung der Impfpflicht: Schnell stellt sich die CDU hinter die CSU

    Nun scheint Söder ein anderes Signal wichtiger: ein Angriffssignal gegen die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP. In Berlin vermuten viele hinter dem Manöver die spürbaren Startschwierigkeiten der Ampel, die CDU und CSU nutzen wollen. Friedrich Merz, neuer

    Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, bezieht diese Position. Söder habe nur angekündigt, dass der Freistaat Bayern alle gesetzlichen Spielräume nutzen werde, sagte Frei unserer Redaktion. „Das halte ich für legitim und unproblematisch“, erklärt der CDU-Abgeordnete aus dem Südwesten. „Die Bundesregierung darf die Arbeitgeber im Gesundheitswesen nicht alleine lassen, sondern muss sämtliche offenen Fragen klären“.

    Am 10. Dezember war die Meinung der Parlamentarier von CDU und CSU auch einhellig. Von den 197 Abgeordneten stimmten 173 dafür, die Corona-Impfungen für Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitssektor sowie der Behindertenbetreuung Mitte März einzuführen. Wenige Stunden nach den Abgeordneten stimmten der Bundesrat mit der Stimme Bayerns ebenfalls für das Gesetz. Die Einwände, die Söder heute anführt, waren damals bereits bekannt.

    Zum Beispiel gilt in Sachsen ein Drittel der Pflegekräfte in den Heimen und ambulanten Dienste als nicht gegen Corona geimpft. Dort herrschte schon im Dezember die Befürchtung, dass nicht mehr alle Alten und Kranken versorgt werden können. Gerade in der Pflege ist die Personaldecke dünn. Auch deshalb war Jens Spahn als CDU-Minister stets ein Gegner der Impfpflicht in der Pflege, als Söder dies forderte. Nun sagt auch der CSU-Chef: „Die Impfpflicht kann aber leider ein Instrument sein, um die Belastungs- und Pflegesituation deutlich zu verschlechtern.“

    Gesundheitsminister Lauterbach kritisiert Söders Vorgehen bei der Impfplicht

    Söders Staatskanzleichef Florian Herrmann versicherte, Bayern stehe zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, sie sei aber angesichts der offenen arbeitsrechtlichen Fragen so nicht umsetzbar. „Der Bund hat eine Regelung geschaffen, die, wenn man sie laufen ließe, ins Chaos führen würde“, sagte der CSU-Politiker. Die Einzelfallprüfung würde über Monate Gesundheitsämter und Gerichte beschäftigen.

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält das Vorgehen Bayerns für gefährlich und leichtsinnig. „Das ist ein vollkommen falsches Signal“, sagte der SPD-Politiker. Er bemühte sich bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz darum, seinen Ärger unter Kontrolle zu halten. Lauterbach warf Söder vor, nicht nur die Gesundheit von Alten, Vorerkrankten und Behinderten zu riskieren, sondern machte noch einen zweiten Punkt auf – den drohenden Schaden am Rechtsstaat.

    Die Politik könne nicht einerseits von den Menschen erwarten, sich an die Corona-Vorschriften zu halten und andererseits bestehende Gesetze dann nicht umsetzen. „Das ist eine Botschaft, die schwer zu vermitteln ist“, meinte Lauterbach. Der Gesundheitsminister bot deshalb Hilfe an, zum Beispiel durch Musterschreiben für die Gesundheitsämter in ganz Deutschland, die an nicht-geimpfte Pflegekräfte versendet werden könnten.

    Was bedeutet der Streit für die geplante allgemeine Impfpflicht für alle? „Gar nichts“, sagte Lauterbach ungerührt. Tatsächlich dürft es nun schlechter um dieses Projekt stehen, das Lauterbach stark befürwortet. Als Schwachpunkt gilt nun erst recht, wie das Gesetz mit Kontrollen umgesetzt werden soll, wenn dies jetzt nicht einmal im Kleinen im Gesundheitswesen gelingt.

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