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Foto: Christophe Gateau, dpa
Foto: Christophe Gateau, dpa

Klaus Müller ist Präsident der Bundesnetzagentur und damit Chef einer Behörde, die plötzlich über die Gasverteilung in Deutschland bestimmen könnte.

Porträt
05.05.2022

Klaus Müller könnte bald entscheiden, wer noch Gas bekommt

Von Jakob Stadler

Der Chef der Bundesnetzagentur war bis vor kurzem noch Verbraucherschützer. Bei Gasknappheit entscheidet er, wo gespart wird. Er sieht auch die Verbraucher in der Pflicht.

Bundesnetzagentur, das klingt erst einmal in etwa so aufregend wie der Name Klaus Müller. Der 51-Jährige ist neuerdings Chef der Behörde, deren Macht jedoch nicht unterschätzt werden sollte. Müller, so war der Plan, sollte den Weg für die Energiewende mit ausgebauten Strom- und Bahnnetzen ebnen und die Digitalisierung mit neuen Glasfasern und gestopften Funklöchern voranbringen.

Sein Fokus ist nun ein anderer. Denn die Bundesnetzagentur reguliert auch das Gasnetz. Wegen Deutschlands Erdgas-Abhängigkeit von Russland gilt seit Ende März die Frühwarnstufe eines Notfallplanes. Nach "Frühwarn-" kämen "Alarm-" und "Notfall-Stufe". Im "Notfall" würde Müllers Behörde die Gasverteilung übernehmen. Und damit entscheiden, welche Firmen ihre Produktion einstellen oder drosseln müssen.

Klaus Müller war mit 29 Jahren Deutschlands jüngster Minister

Aktuell wäre das "unendlich schwer", so sagte es Müller im April im reichweitenstarken Politik-Podcast "Lage der Nation". Deshalb sammelt seine Behörde nun Daten: Wer produziert was mit wie viel Gas? Wie sind die Lieferketten, was ist zwingend nötig? Spätestens im Herbst, so sagt es Müller, sei seine Behörde in der Lage, "die am wenigsten schädlichen Entscheidungen zu treffen".

Viel Zeit hat Müller, der verheiratet ist und zwei Töchter hat, auch zu Beginn seiner Karriere nicht verloren. Aus Wuppertal zog er 1992 für sein VWL-Studium nach Kiel und 1998, mit 27 Jahren und frisch erworbenem Diplom, für die Grünen in den Bundestag ein. Dort blieb er nur bis 2000, dann wechselte er als Umweltminister zurück nach Kiel. Mit 29 war er Deutschlands jüngster Minister.

Das Handelsblatt nannte Klaus Müller "VWs Albtraum"

Der steile Politiker-Aufstieg nahm nach dem Ende der rot-grünen Regierung in Schleswig-Holstein eine Wendung: 2006 legte Müller sein Landtagsmandat nieder und wechselte zur Verbraucherzentrale NRW. Dort arbeitete er sich hoch, von 2014 bis Februar 2022 war er Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). In dieser Funktion brachte er wegen des Dieselskandals eine Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen auf den Weg – das Handelsblatt nannte ihn gar "VWs Albtraum".

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Die Schlagzeilen nach einem Zeit-Interview im April klangen jedoch nicht so, als ob Müller in der Gaskrise in erster Linie Verbraucher schützen wolle. "Sauna-Verbot möglich!" fasste die Bild zusammen. Im Podcast "Lage der Nation" erklärte Müller, dass er von einer Situation gesprochen habe, in der es wegen Gasmangels bereits Einschränkungen in der Industrie gäbe. Private Verbraucher wären vor Gaskürzungen erst einmal ohnehin gesetzlich geschützt. Doch in der Notsituation müsse man die Frage stellen: "Ist es uns wichtiger, nach wie vor Gas für Saunas, große Single-Wohnungen oder zehn Mal die Woche warm duschen zu verwenden, wenn ich dann nicht mehr Dinge produzieren kann, die womöglich für unser tagtägliches Leben wichtig sind?"

Noch fließt Gas aus Russland. Und wenn Deutschlands Speicher rechtzeitig gefüllt und Putins Gas ersetzt sind, muss Klaus Müller die Frage vielleicht gar nicht mehr beantworten.

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