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Energieversorgung: Scheitert die Energiewende? Habeck bleibt beim Pippi-Langstrumpf-Prinzip

Energieversorgung

Scheitert die Energiewende? Habeck bleibt beim Pippi-Langstrumpf-Prinzip

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    Nach außen unterstützen Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) und Finanzminister Lindner (rechts) die Energiewendepläne Robert Habecks (links). Doch beim Geld hört die Freundschaft auf.
    Nach außen unterstützen Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) und Finanzminister Lindner (rechts) die Energiewendepläne Robert Habecks (links). Doch beim Geld hört die Freundschaft auf. Foto: Julian Weber, dpa

    Als sich Robert Habeck in Rage redet, ist der Kanzler schon wieder verschwunden. Olaf Scholz hatte dem Publikum in der ihm eigenen Art zwischen bürokratisch und umgangssprachlich erklärt, was Deutschland bis 2030 alles Tolles für die Energiewende macht. „Die Energiewende kann und wird uns auch gelingen“, bestimmt der Kanzler. Habeck ist der Mann in seiner Regierung, der die schöne saubere Welt erschaffen muss. Er hat ein schweres Amt angetreten, weil die Bundesrepublik als einstiger Pionier der Energiewende zurückgefallen war, aber sich immer noch für spitze hielt. „Das ist nachträglich ein großes Wunder, dass uns niemand einen Spiegel vorgehalten hat“, beklagt der Wirtschaftsminister energisch.

    Mit uns meint der Grüne nicht seine Partei, sondern CDU, CSU und SPD, die vorher an der Macht waren. Sie sind, so sieht es Habeck, nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip vorgegangen – „ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“. Die Ziele für den Ausbau von Windrädern, Solarfeldern und Ladesäulen für E-Autos wurden zwar verfehlt, aber statt die richtigen Schritte zu gehen, haben die Regierenden einfach beschlossen, in fünf Jahren doppelt so gut zu sein. „Wir sind noch weit in der Defensive“, resümiert der 53-Jährige. 

    Energiewende: Habeck hat fantastische Ziele im eigentlichen Sinne

    Seit über einem Jahr ackert er daran, dass Deutschland in die Offensive kommt. Doch trotz aller Anstrengungen sieht es schwer danach aus, dass die Bundesregierung weiter macht mit Pippi Langstrumpf. Die von ihm ausgerufenen und vom Kabinett mitgetragenen Ziele sind extrem ambitioniert, wahrscheinlich sogar fantastisch im eigentlichen Wortsinne. 

    Bis Ende 2030 sollen 80 Prozent des verbrauchten Stroms grün sein, heute sind es 50 Prozent. Was keine Kleinigkeit wäre, wird dadurch erschwert, dass der Stromverbrauch bis dahin geschätzt um ein Viertel steigen wird. Es braucht also noch mehr Windfarmen und Solarparks als ohnehin schon. Ebenfalls bis 2030 soll eine grüne Wasserstoffwirtschaft aus dem Boden gestampft werden mit doppelt so großer Leistung wie noch unter der Vorgängerregierung angepeilt. Im selben Zieljahr sollen außerdem 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Heute ist es eine Million. Vergangenes Jahr haben sich eine halbe Million Käufer für einen Wagen mit Stromantrieb entschieden.

    Zwei Windräder im Abendlicht. Damit die Grünstromziele der Regierung erreicht werden können, müsste sich der Zubau verdreifachen.
    Zwei Windräder im Abendlicht. Damit die Grünstromziele der Regierung erreicht werden können, müsste sich der Zubau verdreifachen. Foto: Ralf Lienert

    Damit die Autos flächendeckend geladen werden können, sollen 2030 eine Million Ladepunkte öffentlich zugänglich sein. Derzeit sind es 70.000. Damit Millionen E-Autos mit Strom versorgt werden könnten, müssten die Energieversorger die Teilnetze verstärken und ausbauen. Das tun sie aber derzeit nicht im nötigen Umfang. Damit das Stromnetz nicht unter Millionen E-Autos zusammenbricht, muss das Laden intelligent gesteuert werden. Dafür bedarf es Millionen intelligenter Stromzähler. Nach 15 Jahren Anlauf hat Deutschland davon nur einen Bruchteil erreicht. Die Bundesnetzagentur zählte Ende 2021 rund 130.000. 

    Die Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit sind beträchtlich. Der zuständige Minister will sich von der Wand an Problemen nicht abschrecken lassen: „Es darf nicht wieder herauskommen, dass wir nichts tun. Dann können wir den Laden gleich dicht machen.“ Habeck wird nicht vor irgendwem emotional. Er und Scholz sprechen am Dienstag zu den versammelten Chefs der Stadtwerke aus ganz Deutschland. Der Verband Kommunaler Unternehmen hat zum Verbandstag nach Berlin geladen. Kanzler und Vize-Kanzler rufen die Manager auf, in Wind, Solar, die Netze und Smart Meter zu investieren. 

    Energiepolitik der Bundesregierung: Die Chefs der Stadtwerke sind ratlos

    Unter der Bedingung, dass ihr Name nicht in der Zeitung steht, halten die Entscheider der Stadtwerke die Energiewende-Ziele der Ampel-Koalition für nicht erreichbar. „Wie soll das gehen?“, fragt die Chefin eines Stadtwerkes. Sie erzählt dann davon, dass sie überlegt hat, in ihre Wohnung im Altbau eine Heizung einzubauen, die überwiegend mit klimafreundlicher Energie läuft. „Wir haben mit Elektro- und Sanitärfirmen gesprochen, aber die wissen auch nicht, wie es funktionieren soll“.

    Habeck hatte in den letzten Tagen für Wirbel gesorgt, weil er ab 2024 den Einbau von neuen Gas- und Ölheizungen verbieten will. Auch beim Bauen und Wohnen sind die Vorgaben zur Einsparung von Kohlendioxid sportlich. Jährlich müssten – so lautet eine grobe Daumenregel – doppelt so viele Wohnungen saniert werden als im langjährigen Mittel. Alte Öl- und Gaskessel müssten massenhaft raus und durch Wärmepumpen ersetzt werden. Doch beim Bauen treffen enorme Preise auf fehlende Handwerker.

    Die Wärmepumpe soll die klimafreundliche Alternative zu Öl- und Gasheizungen werden. Derzeit werden drei Viertel der Wohnungen in Deutschland mit Gas und Öl geheizt,
    Die Wärmepumpe soll die klimafreundliche Alternative zu Öl- und Gasheizungen werden. Derzeit werden drei Viertel der Wohnungen in Deutschland mit Gas und Öl geheizt, Foto: Silas Stein, dpa

    Habeck schwebt deshalb vor, die Wärmepumpen auf den Preis von Gasheizungen runterzusubventionieren und verspricht eine große soziale Unterstützung für Leute, die sich das nicht leisten können. Die Rechnung dafür landete bei seinem Koalitionspartner Christian Lindner, der als Finanzminister für das Geld zuständig ist. Der FDP-Chef hat es satt, vom Wirtschaftsminister jede Woche mit einer Milliardenforderung behelligt zu werden. „Ich habe ihn schon gefragt, die Antwort ist eher spartanisch“, gibt Habeck zu. 

    Lindner selbst hatte es sich nicht nehmen lassen, zwischen Scholz und Habeck zu den Stadtwerke-Chefs zu sprechen. Ihrer Forderung nach einem 100-Milliarden-Programm, um die Investitionen in die Energiewende abzusichern, erteilt er höflich eine Absage. Ohne den staatlichen Schutzschirm werden die Stadtwerke aber weniger in Netze, Erneuerbare und Fernwärme investieren. Bei der Energiewende bleibt es in Deutschland bei Pippi Langstrumpf.

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